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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 6.1890-1891

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Presber, Rudolf: "Poberetto", [6]: Novellette
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Unsre Bilder
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https://doi.org/10.11588/diglit.10736#0122

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Poveretto". Novellette. von R. Pr es der — Unsre Bilder, vom Herausgeber

Händedruck, nachdem er mich gebeten hatte, ihn bald
wieder aufzusuchen.

Ganz unerwartet fand ich im Hotel einen Bekannten,
und so hatte ich drei Tage lang keine Gelegenheit, den
Kleinen aufzusuchen. Als ich am vierten Tage in seine
Wohnung kam und nach ihm fragte, machte mir die Alte,
welche öffnete, sonderbare Zeichen, die ich nicht verstand.
Schließlich öffnete sie mir Stube und Atelier; beide
waren leer und geräumt. Ein Brief lag auf dem Tisch
mit meinem Namen.

Ich öffnete ihn. Es lag nur seine Karte darin mit
den wenigen bleistiftgeschriebenen Worten: „Er ist ohne
sie aus Rom zurückgekehrt; ich eile dorthin."

Ich ging nach meinem Hotel zurück voll Bedauern
für diesen armen Mann, der doch auch ein Mensch ist
und das Recht nicht haben soll, menschlich zu fühlen.

Wenige Tage später waren die Koffer gepackt; die
Heimat zog mich mächtig an; Weib und Kind wollte ich
wieder in die Arme schließen und das Rauschen des
Hadriameeres konnte mir meines kleinen Stammhalters
nächtliche Konzerte nicht ersetzen. Als ich eben mein
letztes Frühstück in Venedig einnahm, wurde ein Bild die
Treppe heraufgetragen; ich erkannte durch die offene Saal-
thür sofort die „badende Nymphe" des kleinen Malers.

„Wer hat das Bild gekauft?" fragte ich den Kellner.

„Der eine von den beiden Engländern dort!"

Ich trat auf die beiden zu; es waren dieselben, die
mir kürzlich beim Abendessen gegenüber gesessen hatten.

„Gestatten Sie", sagte ich auf Englisch, „daß ich
Ihnen zu dem Kauf gratuliere, mein Herr!"

„Ich kannte das Original gut, das heißt, das
Modell", sagte der eine, ein abscheulicher Geck mit schon
ergrauendem Bart zu mir, wie erklärend.

„Ja, ja, er kannte es gut!" sagte der andre, ironisch
lächelnd.

Ich wußte, wem ich vor mir hatte.

Ich ging wieder in den Saal. Der Kellner brachte
zwei Briefe.

„Eben gekommen", sagte er.

Der eine war ein Willkommengruß meiner kleinen
Frau. Die andre Handschrift erkannte ich nicht. Post-
stempel war Rom; ich öffnete und las:

„Ich habe Ihnen kaum Lebewohl gesagt und halte
cs für meine Pflicht, Ihnen, der Sie mir eine liebevolle
Teilnahme wie wenige entgegenbrachten, noch .ein, wohl
das letzte Lebenszeichen zu geben. Es ist mir gelungen
Maria ausfindig zu machen; Richard hat sie um einer
Neapolitanerin willen verlassen. Als ich kam, war sie
fast verhungert, da sie in vollständigem Trübsinn nicht
einen Bissen zu sich genommen seit Tagen; es gelang
mir, sie am Leben zu erhalten, aber ihre Sinne sind
umnachtet; sie erkennt mich nicht und hält mich für ihre
Mutter; sie läßt sich ruhig von mir pflegen und ist dank-
bar, wie ein Kind; von ihrer Schönheit hat sie nichts
eingebüßt, doch weint sie viel, ohne mehr zu wissen
warum. Ich habe einen Arzt zu Rate gezogen; er gab
keine Hoffnung auf Besserung, aber die Versicherung,
daß sie nicht leidet unter ihrem Zustande. Unser Ver-
hältnis hat sich also umgekehrt und eine stille Ergebung
ist in meine Seele eingezogen. So lange ich lebe,
bleibt die Arme bei mir und ich will leben für sie.

Leben Sie wohl und nehmen Sie nochmals herz-
lichen Dank für Ihre Teilnahme, sie hat mir innig
wohlgethan. Und wenn Sie nach Hause kommen, so
grüßen Sie mir Ihre liebe Frau und den kleinen Sohn
recht herzlich; möge Ihnen das einzig wahre Glück, die
ungetrübte stille Häuslichkeit erhalten bleiben, das ist
mein aufrichtiger Wunsch; und wenn einmal ein kleines
Unglück den heiteren Himmel Ihres Glückes allzusehr zu
trüben droht, dann richten Sie sich auf an fremdem
Leid und denken daran, daß Sie kein Recht haben zu
hadern mit dem Schicksal; ja, nehmen Sie dann Ihr
liebes Weib an der Hand und erzählen ihr von andern:
Schicksal, andern: Leid, erzählen Sie ihr von ihrem
armen, kleinen Verehrer

Poveretto."

(Ende)

Unsre Bilder

vom Herausgeber

as einem auf Papier oder Leinwand immer gleich
willkommen bleibt, ist das Bild einer schönen Frau.
Heilig oder weltlich, bei Tag und bei Nacht, während
aller vier Jahreszeiten übt sie immer ihren Zauber. Was
wären die Antike, Raphael und Titian, ja selbst Rubens,
ohne ihre Frauen? Auch in unsrer heutigen Kunst haben
es nur die Darsteller neuer Auffassungen der Frauen-
schönheit zu wahrhaft großartigen Erfolgen, zur Allgemein-
gültigkeit gebracht. Hans Makart verdankt dem ganz allein
seine sinnbethörende Macht, während selbst ein Cornelius
es mit raschem Vergessen bezahlen mußte, daß er nach
dieser Seite hin am wenigsten leistete, ja selbst Menzel
erst recht volkstümlich ward, als er im Flötenkonzert
und Ballsouper auch dieser Richtung der Kunst neue Seiten
abgewann. Seit Makart hat aber kein deutscher Künstler
dem Frauenkultus mit so nachhaltigem Erfolge gehuldigt
als der gegenwärtige Vorstand der Münchner Akademie —
Fr Aug. Kaulbach, von dem wir heute eines seiner

schönsten Frauenbilder, als eine Probe aus den: Fr. A.
v. Kaulbach-Wcrk bringen. Von Stieler, dem einst
vielbewunderten „Maler der Grazien," und Winterhalter,
dem europäischen Prinzessinnenverewiger, unterscheidet sich
Kaulbach indeß sehr wesentlich dadurch, daß er erstens
ein viel feinerer Kolorist ist, als jene, und daß seiner
Auffassung der Frauenschönheit niemals das antike Schema
so deutlich zu Grunde liegt, als bei jenen beiden. Ebenso
von Makart, daß er mehr Seele hat. Bei unserm Bilde
tritt diese Feinheit der Charakteristik besonders hervor.
Man sieht augenblicklich, daß diese Frau dem höheren
Bürgerstand und nicht der Geburtsaristokratie angehört,
daß sie aber den Mangel des Wappens durch sehr
viel Geist ausgleicht. Nicht als ob wir darauf besonderen
Wert legten, denn bei den gemalten Frauen findet man
eigentlich, daß sie immer Recht haben sobald sie schön
sind, — mit und ohne Wappen, mit und ohne Geist,
bezaubern sie uns doch. Nur darf ihnen die Seele und
 
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