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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 6.1890-1891

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Unsre Bilder
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Weihnachtsbücherschau
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^06

Unsre Bilder, vom Herausgeber — lveihnachtsbücherschau

hoffentlich niemand übclnehmen, obwohl das recht alt-
modisch ist. Dafür macht aber das Ganze einen so
festlichen, frohen und heiter sinnvollen Eindruck, wie man
ihn sich nur wünschen mag bei solcher Gelegenheit, und
ist sowohl des Jubilars, als des geistvollen Erfinders,
des genialen Karger, in höchst erfreulichem Grade
würdig. Das gilt auch von der im Texte abgedrucklen
Rückseite unsrer Adresse, die uns oben in langem Zuge
eine Reihe Figuren ans Bildern des Künstlers, wenn wir
nicht irren meist ans dem Fries im Opernhaus, vorführt
und unten mit einer ganz reizend komponierten Randleiste
schließt, die durch eine Originalität und einen Reichtum
fesselt, wie man sich ihn nicht bezaubernder denken kann.

Ganz jener eben erwähnten, in blauer Blouse
mit Holzschuhcn einherziehenden neuesten Richtung
unsrer Kunst gehört Fr. Stahls sich unter de» Linden
im gräulichsten Ncgenwetter abspielende Vcrfolgungs-
szene. Viel Poesie ist unter aufgcspanntem Regenschirm
im Straßenkoth aus guten Gründen niemals einherge-
zogen, und Apoll ist ihren Repräsentantinnen auch schwerlich
jemals cigarrenranchend mit aufgekrempelten Hosen und
Eylinder nachgefolgt. Das hat er schon lieber den Rc-
ferendarien überlassen, gcmiethcte Ballmütter mit ihren
schön ausgepichten Töchtern zu verfolgen. Immerhin ist
aber diese gründlich nüchterne Schilderung großstädtischen
Lebens wenigstens mit viel Wahrheit und — Keckheit,
sehr wirksam, wenn auch nicht gerade erbaulich von
nnserm Künstler wicdergegcben, und seine Prosa ist jeden-
falls ehrlich, was in der Kunst nicht weniger als im
Leben auch etwas gilt.

Das kann man noch ausgesprochener an Axel
Helmsteds, eines Dänen, „Stadtratssitzuiig" sehen, in
welcher das mehr oder weniger biedere Philistertum einen
so ausgesprochenen Triumph feiert, daß daneben Stahls
Lindenszene als das reinste Phantasicstück erscheint. Schon
ob der grenzenlosen Kahlheit des Gemachs, in welchem die
Herren tagen, und wo lediglich die beiden Figuren der
Gerechtigkeit und Weisheit in den Wandnischen einige
Tanzlust zu verspüren scheinen. Wenn sie nicht etwa
Anstalt machen, einen Purzelbaum zu schlagen. Jedenfalls
ist das durchaus bezeichnend für den Charakier der da ge-
haltenen Beratungen. Noch besser, ja meisterhaft charak-
terisiert sind aber die Herren Stadlrätc selber mit dem

hochkonscrvativen Bürgermeister an der Spitze, der sehr
mißmutig dem eben anfgcstandencn, hier offenbar völlig ver-
einzelten Vertreter radikaler Anschauungen zuhört. Derselbe
scheint sonst, wenn er nicht, wie hier. Volksrechte vertritt,
seines Zeichens Wirt in einer Schnapskneipe zu sein
und deshalb viel Sympathien für die Sozialdemokratie
zu besitzen. Hier findet er leider noch wenig Anklang,
wenn er für den achtstündigen Arbeitstag oder die freie
Liebe zu plaidieren anfängt, da die übrigen Herren alle,
bis auf den ganz vorn sitzenden Schuldirektor, offenbar
verstockte Bourgeois und Vertreter des Kapitals sind und
darum seinen Ausführungen mit sehr viel mehr unge-
duldiger Verachtung als Sympathie znhören. Mit köst-
lichem Humor der Natur abgestohlen sind sie aber alle,
und so gewinnt denn bei näherer Betrachtung das anfänglich
so reizlos und langweilig erscheinende Bild bald ein
reiches inneres Leben, indem cs uns die Kämpfe unsrer
Zeit nur zu deutlich versinnlicht. —

Um ein volles Jahrhundert zurück führt uns da-
gegen Arthur Kampf in Düsseldorf, indem er uns den
greisen Zicten während eines Tiners bei Friedrich dem
Großen selig eingesch'afen zeigt. Der Monarch wehrt
eben dem, der ihn auswccken will, mit den gütigen Worten:
„Laßt ihn schlafen, hat er doch oft genug für uus ge-
wacht". .. Da ist nun der greise König, besonders aber die
ihn umgebenden und über den Verstoß gegen die Eti-
kette mehr oder weniger entsetzten Hoflente, ganz trefflich
individualisiert. Vielleicht am besten geriet aber der
alte Husar selber, den man schnarchen zu hören meint
und ihm doch immer noch, trotz seiner jetzigen Hinfällig-
keit, den einst so kühnen und trotzigen Soldaten ansieht.
Auch der Zeitchnraktcr ist köstlich getroffen, und Kampf
beweist damit wiederum jenes Talent scharfer Charak-
teristik und großen malerischen Geschmacks, durch welches
er sich so auffallend rasch bekannt gemacht und noch eben
mit seinem, auch von der „Kunst für Alle" gebrachten
rührenden Bilde der Ausstellung des toten Kaisers
Wilhelm einen so glänzenden Erfolg davongetragen
hat („Kunst für Alle" V. Jahrg. Heft 23). — Offenbar
ist er einer der seltenen Künstler, die einen wirklichen
Beruf zur Historienmalerei haben, da ihm die Träger
der Geschichte als lebendige Menschen und nicht als bloße
Schemen aüfgehcn.

WethnachtMicherschgli

IV.-)

STjlsn der Besprechung der Jugendschriften fortfahrend, bitten
wir zu bedenken, daß sich an dieser Stelle ein Eingehen
auf dieselben nur insoweit rechtfertigt, als sie künstlerische
Illustrationen enthalten. Da müssen wir freilich an die Spitze
unsrer heutigen Ausführungen ein Werk des I. M. Ged-
h-irdischen Berlages (Leopold Gebhardt) stellen, nämlich:
„Grimms Märchen der Tausend und einen Nacht" mit
8 in Chromolichtdruck ausgesührten Bildern nach Original-
aquarellen von F. Simm. (Leipzig. Eleg. geb., Pr. 10 M.)
Einem aufmerksamen Beobachter der Jugendschriftlitteratur wird
es ausgefallen sein, daß in den letzten Jahren eine ganze Reihe
weniger gewissenhafter Verleger sich diesem Litteraturzweige zu-
gewandt hat und unter der Devise „billig und schlecht" eine
Massenproduktion von Jugendschriften herbeigeführt hat, der
gegenüber die alten Verleger, die auf eine würdige Erscheinungs-
form ihrer Werke bedacht sind, einen schweren Stand haben. Ilm

III. siehe voriges Heft.

so mehr ist es anzuerkennen, wenn dieselben durch diese Schmutz-
konkurenz sich in ihrer Bahn nicht beirren lassen, vielmehr, wie
es Leopold Gebhardt in dieser neuen Ausgabe von 1001 Nacht
thut, große Kosten nicht scheuen, um die farbige Illustration seiner
Verlagswerke noch zu heben. Als Erster hat er den kostspieligen,
aber künstlerisch vollendeten FarbenUchtdruck für die Jugeudschrift-
illustration gewählt und einen der besten Künstler der Gegen-
wart, den Münchener Maler Franz Simm, vermocht, 'ihm
die Originalaquarelle zu liefern. Schwerlich konnte der Verleger
einen geeigneteren Künstler hierfür gewinnen: ist doch Franz
Simm durch eine langjährige künstlerische Thätigkcit in Tiflis
mit den Elscheinungsformen,. des Orients völlig vertraut:
dazu kommt, daß er in der Ol- und Aquarelltechnik wie aus
dem Zeichenbrett gleichmäßig zu Hause, was man nur von
wenigen seiner Münchener Kollegen sagen kann! Simm hat
in acht Bildern die Hauptmomente der unvergänglichen 1001
Nacht wiedergegeben. Meißner L Buch in Leipzig haben ent-
zückende Farbenlichtdrucke geliefert, Druck, Papier und Einband
 
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