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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 6.1890-1891

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Grasberger, Hans Nepomuk: Streich um Streich, [3]: Künstlernovelle
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https://doi.org/10.11588/diglit.10736#0180

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Streich um Streich

tiünstlernovelle. von Bans Grasberger
(Fortsetzung aus dem vorigen Hefte)

un, auf den Kohlenbrenner Lipp lenkte man die
Aufmerksamkeit der zuwideren Malerin, und das ist
vielleicht ein gutes Werk gewesen. Der Lipp stellt sich
richtig ein, an einem Sonntag nach dem Gottesdienst, und
sitzt eine oder anderthalb Stunden, aber ja nicht so lang,
daß die Malerin hätt' können fertig werden mit ihrer
Arbeit. Er müßt' heimzu, sagte er wichtig thuend, und
am nächsten Feiertag woll' er wieder kommen, und es sei

rein zum verwundern, wie dem Fräulein das alles von
der Hand gehe, und das müsse wohl eine große Kunst
sein. — Ist ihm alles cingelernt gewesen und das Männlein
ist Pfiffig-

„Der Feiertag ist da, aber wer uni dieselbe Zeit bei
der Malerin anklopft, das ist der Sepp, nicht der Lipp.
Und der Sepp weiß schon Brauch; er setzt sich hin, wie
sichs gehört, er hält sein Pfeiferl, wie sies braucht, die
ungute Künstlerin, und schaut so gescheidt oder dumm
drein, wie der Lipp vor so und so viel Tagen. Er hats
ja von jeher seinem Bruder uachgcmacht, der Sepp.

„Frl. Flora setzt an, sieht schärfer zu, vergleicht,
ja ja, der Lipp auf dem Blatt und der Sepp auf dem
Stuhl: das stimmt nicht. Wo sie nur am Sonntag die
Augen gehabt? Es nutzt nichts; ein neues Blatt muß
her; solch ein Kopf ist schon der Mühe wert. Aber nach

einer Weil muß der Sepp heimzu, und am Sonntag
woll' er wieder kommen, und es sei rein zum verwundern,
wie dem Fräulein das alles von der Hand gehe, und das
müsse wohl eine große Kunst sein. — Fort ist er, und
die Ursel denkt: der Kohlenbrenner hats genötig, schad!
aber bei den gemeinen Leuten ist oft das richtigste Urteil.

„Am Sonntag kehrt natürlich der Lipp bei ihr zu
und es stellt sich bald wieder heraus: der lebendige Lipp
ist der gemalte Sepp nicht und der ange-
färbelte Sepp ist lang noch kein Lipp.

„Erst beim vierten Gang hat Fräulein
Flora den Braten gerochen. Tann hat sie
freilich ihren Koffer gepackt und ist abgefahren.
Es ist uns allen recht leid um sie gewesen,
versteht sich.

„Aber wenn ich noch ein Stück Predigt
erwischen will, muß ich selber auch abfahren.
Ich glaube, Sie haben es gut getroffen, 's
Wetter bleibt schön."

Die Freunde waren wanderlustig, sie
wußten sich als Frühangekommene auf Tritt
und Schritt noch unbeirrt und zu Studien
bot sich die Natur ringsum in seltener
Mannigfaltigkeit und in saftigster Farbenpracht
dar. Sie waren fleißig, schwärmten aber
meist nach verschiedenen Richtungen aus.

Vogl machte sich bald mit den Fuhrleuten
und Einkehrwirtshäusern auf der Landstraße,
mit den Keuschleru, die nur ein Krautgärtlein
und eine am steinigen Bcrghang weidende
Ziege haben, mit der Roßhalde am Erlcnbach,
mit dem Gespann hochgeschichteter Heusuhreu
und insbesonders mit dem Einarm auf der
Gemcindetrift bekannt.

Dieser Bursch war von einem roman-
tischen Trieb beseelt. Er rückte selten ohne
den zottigen Wettermantel aus, hatte einen
alten Tschako auf, trug das Posthorn an
schwarz-gelber Schnur und schob die Geißel
in eine Art Wchrgchänge. Er blies gern,
und wenn ihm ein neues Stück gelang, dünkt'
er sich einen Musiker. Er hatte allerhand glänzendes
Zeug an sich, liebte bunte Lappen und befliß sich einer
militärischen Haltung. Tie Rinder hingen ihm an und
verstanden seine Klänge, ob sie nun zum Ausbruch riefen
oder das beschauliche Geschäft des Wiederkäuens versüßten.

Der arme Junge mit dem fast immer erregten
Schmalgcsicht und dem schreienden Rothaar erwies sich
dem Maler nützlich, denn er konnte ihm das Modell
stellen und verstand mit seinen Schmeicheleien, mit seinen
Zauberklängen das gewählte Rind so lange zur Ruhe zu
vermögen, bis jener mit Stift oder Pinsel desselben
Herr geworden. Es steht zu hoffen, daß Vogl den selt-
samen Burschen selbst auch sich nicht entgehen ließ; denn
eine so gelungene Genrefigur darf sogar der Tiermaler
nicht verschmähen.

Pichlers Schweifen und Weilen entbehrte einer der-

Waria und Magdalena, von Georg Zala
 
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