Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 6.1890-1891

DOI Artikel:
Heilbut, Emil: Künstler und Kunstkritiker, [1]
DOI Artikel:
Unsre Bilder
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.10736#0224

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

Künstler und Kunstkritiker. Von Hermann 6

Resultat erzielt werden. — Ich kann nicht sagen, daß mir
diese Idee des Herrn Spielmann gefällt. Ich denke, daß ein
Kritiker, der nicht die Übung hat, einem Bilde selbst anzu-
sehen, was er von ihm zu halten habe, seinen Beruf nicht
kennt; daß anderseits bei der Unterredung mit dem Künstler
der Kritiker nicht so unhöflich sein kann, in eine Debatte
einzugehen. Er wird in dieser Unterredung daher ein aus-
nehmender Teil: ein Reporter sein... Ich glaube nicht,
daß dieses den Kritikern zugemutet werden kann. Und ich
glaube überhaupt nicht, daß etwas andres geschehen kann, um
eine Änderung in den Dingen eintreten zu lassen: sie
werden wohl bleiben müssen, wie bisher.

Herr Spielmann hebt hervor, daß viele Künstler es
mit der äußersten Bitterkeit aufnehmcn, wenn nicht günstige
Worte über ihr Werk veröffentlicht werden, der Künstler
wünscht gar nichts als Lob. Und wir dürfen die That-

elserich — Unsre Bilder, vom Herausgeber f69

sache nicht aus dem Auge verlieren, daß des Künstlers
Zorn im Falle, daß man ihn nicht gelobt hat, aus einem
ganz legitimen Beweggründe entspringt. Denn er hat
seine Ursache in des Künstlers Glauben an sich, in seiner
Überzeugung, daß er recht hat, in Dingen also, die für
sein Schaffen unumgänglich nötig sind: er muß sich für
einen guten Künstler, und selbst eines seiner schwächeren
Werke muß er für nicht schlecht halten — sonst würde er
nicht malen, sonst würde er sein Bild an die Wand
kehren.

Es bleibt noch die Frage: Geht der Zorn — dessen
subjektive Legitimität so feststeht — geht dieser Zorn an
den Absender? Will sagen: schreibt der Kritiker, damit
der Künstler es liest; — schreibt der Kritiker für die
Maler?

(Der Schluß im nächsten Hefte)

Unsre Vilder

vom Herausgeber

enn man überall gern gesehen sein will, so muß
man eine schöne Frau oder Tochter mitbringcn,
dies Rezept ist ebenso alt als bewährt. Besonders die
genialten schönen Damen sind selbst ihren lebenden Schwe-
stern willkommen. Ob nun die von Herm. Ritzberger
„Chypre" getaufte Schöne, durch welche wir uns heute
bei unfern Lesern einzuschmeicheln suchen, wirklich Hellas
entstammt, wie der Name anzudeuten scheint, oder ob sie
weniger klassischen Gefilden entsprossen, darüber können
wir eine zuverlässige Auskunft leider so wenig erteilen,
als darüber, ob sie noch unvermählt ist oder verheiratet.
Wir möchten uns aber für das letztere entscheiden, da sie
ganz gewiß nicht etwa zu irgend einem an die Wand
genagelten Kalenderhciligen anfblickt, sondern, wenn nicht
zum Geliebten, doch jedenfalls eher zur Frau Venus, der
Schutzgöttin aller Liebenden, als zum heiligen Augustin.
Ja die Heiligkeit scheint überhaupt nicht gerade zu ihren
nächsten Lebenszwecken zu gehören, sondern ihre Erringung
auf später vertagt zu sein, womit wir denn uns und
ihren Vater um so eher beruhigen wollen, als von der
Heiligkeit eigentlich genau dasselbe gilt, was von der Be-
scheidenheit — „Bescheidenheit ist eine Zier, doch besser
fährt man ohne ihr." —

Von der schönen Sünderin Chypre bis zu einem
frommen Bischof ist der Weg manchmal gar nicht so
weit, als man meinen sollte. Denn was ist passender
für einen Bischof als Sündenvcrgeben? Besonders wenn
der Bischof ans Reisen geht, wie ihn uns Marc, von
der weiblichen Schuljugend eines kleinen niederbayerischcn
Städtchens empfangen, vorführt. Das Bild ist urdcutsch
in seiner liebenswürdigen Einfalt und von einer Wahrheit,
die durch keinerlei akademische Tradition abgeschwücht wird,
da Herr Marc niemals eine Akademie besucht hat, son-
dern ein wirklich echter Naturalist ist. Freilich ein ganz
andrer als jene manierierten Naturalisten, welche die
Natur durch eine Pariser Brille sehen und dabei gewöhn-
lich nicht die Spur von echter Naivetät mehr zeigen. Hier
aber findet man sie ganz rein und nur vermischt mit all
der gutmütigen Ehrlichkeit und auch Schwerfälligkeit, wie
sie in solch weltvergessenem Nestchen allein noch zu finden.
Wie die Mädchen so arglos unschuldig in ihren weißen

Die Aunst für Alle VI.

Kleidchen dastehen und die Kleinste dem Bischof einen
Blumenstrauß darbringt, das ist ebenso schlagend wahr
und überzeugend, als in seiner unendlichen Harmlosigkeit
rührend wiedergegeben, wie denn selbst der bedenkliche
Mangel an aller Grazie durch die Unschuld und Reinheit
der Kleinen vollständig ersetzt wird. Ünd wie gut ist
der vornehm wohlwollende alte Bischof selber, samt seinem
Gefolge von verschmitztem Kammerdiener und glaubens-
strengem Kaplan. Ebenso vortrefflich ist die ihn er-
wartende Landgeistlichkeit und der fromme Herr Bürger-
meister, oder die ehrfurchtsvolle Bürgerschaft, der man
so deutlich ansieht, daß sie ihrem geistlichen Hirten nicht
nur bis ans Stadtthor folgt. — Hier ist offenbar ein
Paradies streng katholischer Gesinnung, ans dem seine
Vertreter noch lange nicht Vertrieben werden. Das Ganze
aber ist in seiner unbedingten Ehrlichkeit der Natur-
auffassung ein Sittenbild von unwiderstehlicher Wahrheit,
und um so überzeugender, als es ohne eine Spur von
Satire oder auch nur Ironie gegeben ist. Diese wunder-
bareLauterkeit der Naturempfindung sichert dem kerndeutschen
Kunstwerke einen bleibenden Wert trotz seiner etwas
bunten Malerei, die übrigens durch eine sehr einsichtige
Komposition und geschickte Massenverteilung mehr als aus-
gewogen wird, selbst wenn man die unendliche Anspruchs-
losigkeit und herzgewinnende Natürlichkeit gar nicht in
Anschlag bringen wollte, die doch in der Kunst so hoch
im Preise stehen.

Etwas von jener unverwüstlichen deutschen Anspruchs-
losigkeit zeigt uns auch das stille steirische Städtchen
Friesach, auf dessen Marktplatz uns der Wiener Robert
Ruß an einem regnerischen Herbsttag führt. Oben sieht
man ans dem Burgberg das alte und das neue Schloß
aufragen, in dessen Schutz sich das Städtchen ansiedelte.
Es hat offenbar einst bessere Zeiten gesehen, vor dem
dreißigjährigen Krieg etwa, als ein aus Italien zurück-
gekehrter Steinmetz vom.Magistrat beauftragt ward, den
schönen Brunnen im Geschmack des Gian da Bologna
zu meißeln, dessen üppiges Heidentum jetzt so seltsam mit
der blöden Kläglichkeit der Wohnungen einer steuer-
zahlenden Bürgerschaft rundherum kontrastiert. Während
am Brunnen Bacchus mit seinem lustigen Gefolge trium-
 
Annotationen