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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 6.1890-1891

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Unsre Bilder
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Personal- und Ateliernachrichten - Denkmäler etc. - Architektur - Preisausschreiben - Ausstellungen, Sammlungen etc. - Vermischte Nachrichten - Kunstliteratur und vervielfältigende Kunst
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186

Unsre Bilder, vom Herausgeber

Mnsre Bilder

vom Herausgeber

ie Gabriel Max auch den allerhäufigst behandelten
Aufgaben immer wieder eine neue Seite abzuge-
winnen weiß, zeigt er uns ebenso überraschend als lieblich
in der heute vorliegenden „Madonna". Er führt die-
selbe uns da im Backfischaltcr, also weder zur Jungfrau
noch zur Heiligen entwickelt vor, aber doch wie sie eben
ein Stück der Bibel oder des Talmud gelesen und
vielleicht darin ihr eigenes Schicksal verkündet gefunden
hat. Jedenfalls scheint sie eben über das Gelesene nach-
gcdacht, aber cs nicht recht verstanden zu haben, und blickt
nun mit dem Respekt eines Backfisches, d. h. nicht ganz
ohne Neugier, fragend zum Himmel, ob sie Wohl auch
richtig aufgefaßt? Das ist vielleicht nicht ganz kirchlich,
aber um so menschlich liebenswürdiger. Wie denn Max
als ein wahrhaft denkender Künstler in seinen religiösen
Bildern sich den traditionellen Stoff immer neu zu be-
leben sucht, offenbar ohne Ahnung davon, daß ein
moderner Maler überhaupt nicht denken, sondern nur
sehen soll, was er vor der Nase liegen hat. Da das
nun aber bei den Madonnen bekanntlich nicht der Fall
zu sein Pflegt, so werden wir ihm das so sehr verpönte
Denken schon um so eher verzeihen dürfen, als ihm die
Reflexion offenbar niemals die Frische der Empfindung
raubt, wie die Theorie sonst sehr apodiktisch behauptet.

Schöpft Max alles aus sich heraus und zieht dann
erst die Natur zu Rate, um es möglichst wahr erscheinen
zu lassen, so gcht Passini genau den umgekehrten Weg,
d. h. er sucht und findet seine Bilder auf der Straße,
geht immer von bestimmten Naturanschaunngen aus, die
er dann nur mit dem feinsten Geschmack zum Bilde,
d. h. zu einem in sich abgeschlossenen Ganzen, gestaltet.
Das hat er nun auch offenbar bei seinem „Chor in
St. Paul" gethan, wo ein Dutzend kleiner Jungen singend
hinter dem Priester steht und ihre Herren Väter als
echt italienische Philister mit oberflächlich frommer Grimasse
ihnen nachplärrend folgen. In ihrer jugendlichen Unschuld
sind die kleinen Jungen da freilich sehr viel interessanter,
wie sie noch so ehrlich Takt zu halten suchen, und der
mittelste seinen Nachbar zur Linken, der ganz falsch singt,
tief empört anblickt. Die Kerlchen erscheinen wahrhaft
köstlich der Natur abgestohlen, jeder ein Meisterstück von
Charakteristik, selbst. der blödeste von allen, der ganz
rechts so einfältig das Maul aufreißt. Tie kleinsten sind
natürlich die andächtigsten, aber wenn man ihre Frische
und arglose Natürlichkeit mit der wenig erbaulichen Art
vergleicht, wie das Leben ihre Alten ausgcstaltct, er-
nüchtert und in jeder Beziehung gemeiner, egoistischer
und selbst leerer gemacht hat, so möchte man den Kindern
da ewige Jugend wünschen. Nur der köstliche Humor,
mit dem Passim auch diese Alten schildert, vermag uns
mit ihnen zu versöhnen. Selbst obwohl das Bild sonst
unleugbar nicht den malerischen Reiz aller Art, so der
Verschlingung der Gruppen und des Mitsprechens der
ganzen Umgebung, besitzt, der sonst den Werken des
Künstlers eigen.

Daß es ohne. Brotneid selbst bei den Haustieren
nicht abgeht, zeigt uns der schwere Konflikt, in welchen
eben zwei junge Dackerln vor ihrer Milchschüssel mit
einigen Schafen geraten sind, die sich da als Gäste ge-
baren wollen, ohne geladen zu sein. Sehr zum Miß-

— Personal- und Ateliernachrichteil

Vergnügen der beiden Monopolisten, von denen der eine
die Mitbewerber durch sein Geheul zurückznschrccken sucht,
während der andre bereits Lust zeigt, sich, der Ueber-
macht weichend, auf den Rückzug zu begeben. Sind die
in ihren heiligsten Gefühlen gekränkten Dackerln schon er-
götzlich, so sind es die Schafe noch mehr, sowohl das
neugierig vorgedrungcue Lämmchen, das, von der musika-
lischen Begabung des Dackcrl überrascht, sich auf die
Frau Mama zurückzieht, als der braune Widder, der sich
um den Protest der beiden bisherigen Nutznießer der
Milchschiissel gerade so wenig kümmern zu wollen scheint,
als sich die Vertreter mancher Großmächte durch den eines
Kleinstaates am Zugreifen hindern zu lassen pflegen,
wenn sonst nichts als das Recht der ersten Okkupation
im Wege steht. — Man könnte darum unser Bild eine
Übersetzung aus dem Englischen ins Schafköpsige oder
auch Portugiesische nennen, bei der Gebier jedenfalls
mehr Geist gezeigt hat, als alle Diplomaten.

Käme es bei den Bildern bloß auf das witzige
Machwerk an, so würde Seilers „Die Schweden
kommen" jedenfalls den Preis unter unfern heutigen
Bildern davontragen, da nächst Menzel schwerlich
irgend ein deutscher Maler einen so pikanten Vortrag
besitzt, als unser Künstler. Und dabei schildert er doch
eine so tragische Geschichte! Sie ist offenbar eine
Variation auf das alte Thema von „Glück und Glas, wie
bald bricht das!" Diesmal handelt es sich aber nicht
um das letztere, sondern um das nicht weniger zerbrech-
liche, aber viel teurere chinesische Porzellan, welches ein
ungeschickter alter Diener vor den schwedischen Annexions-
gelüsten in eine Art geheimer Schatzkammer retten wollte,
wie sie in den meisten Herrensitzen früherer Jahr-
hunderte für dergleichen Fälle vorhanden war. Ter
gräfliche Besitzer dieser Schätze hat das Unglück offenbar
noch gar nicht gesehen, während er den Bedienten seine
Anweisungen gab, um so besser aber sah es die gnädige
Frau oder Tochter neben ihm, die darob denn auch die
Hände überm Kopf zusammenschlägt. Oder thut sie das,
weil sie bei diesen Eroberern noch kostbarere Dinge zu
verlieren fürchtet, als Porzellan? Wie dem auch sei, die
Verwirrung der alten Bedienten, wie die Ratlosigkeit der
Herrschaften ist so drastisch dargestcllt, als man es sich
nur denken mag, und man kann nur wünschen, daß die
Szenen des siebzehnten Jahrhunderts sich ,'m unsrigen
nicht wiederholen möchten.

Personal- und Melirrnachrichkrn

r. 8. Karlsruhe. Professor Klaus Meyer, der au
Stelle des verstorbenen Professors Karl Hoff hicrherberusen wurde
und seit Herbst vorigen Jahres der einen Meisterschule für
Figureumaler Vorsicht, hat in der früheren Dienstwohnung Hoffs
seine Werkstätten aufgeschlagcn und sie teilweise in echt holländische
oder niederdeutsche Interieurs verwandelt, um so seine Bilder
in den, namentlich von ihm wieder in die Mode gebrachten
Jnnenräumen selbst fertig malen zu können. Augenblicklich
geht bei ihm ein neues Bild seiner Vollendung entgegen: zwei
Alte und ein junger Bursche, die am Hellen lichten Tage ihre
Zeit mit nichts Besserem totzuschlagcn Nüssen, als mit Karten-
spielen: aber die beiden ersten scheinen doch wenigstens ganz bei
ihrer Sache zu sein, während ihnen der andre verschlafen ins
Spiel schaut. — Noch auf der Staffelei ist es bereits in den
Besitz einer Kunsthandlung übergegangcn, ebenso wie ein andres
kleineres Bild > Limplicius Limplieissiioas . — Einer unsrer
produktivsten Künstler ist Friedrich Kallmorgen, dessen
Porträt unser 10. Heft des VI. Jahrg. brachte. In diesem Winter
 
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