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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 6.1890-1891

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Helferich, Herman: Adolf Hildebrand
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https://doi.org/10.11588/diglit.10736#0255

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Adolf hildcbrand

unedel: — langweilig sehr häufig. Fenerbach leidet darunter, daß er
eine Art moderner Flachheit in diesen entsetzlichen Landschaften der
Hintergründe hat, die, wie bei dem Wasserfall von Tivoli bei Schack,
viel zu grau sind und zu wenig Schwung haben, um dekorativ, zu
wenig naturalistisch sind, um natürlich zu wirken, und unglücklich in
der Mitte stehen. Sie schädigen die Bilder ganz furchtbar. Sie sind
„realistisch" indem Übeln, mageren Sinne des Wortes wie Kunstvereins-
Landschaften mittlerer Qualität— Sie sind bei gewolltem Stil trivial
und sie langweilen, sei es beim Fall von Tivoli, sei es beim Meer,
das zur Medea heranfließt, und teilen fast die Langweile den Figuren
mit. Etwas Bleiernes und Akademisches bringen sie in Feuerbachs
Bilder, und nur selten vermag er durch die ihm eben eigene Land-
schaftsnaturverbindung mit Figuren Wirkung zu erzeugen, wie etwa
bei der Frau am Sarkophag, wo die Landschaft einen Zauber hat,
den man nicht wegdisputieren kann. Im allgemeinen vermag sich
Feuerbach nicht auf der Höhe der Genossen zu halten, welche man
zuvor Revue passieren ließ, ein Philologensohn ist er mit mehreren
der guten und einigen der schlechten Eigenschaften dieses Standes
— und wie sie ein „Sohn" erhält. .. genial nicht, schöpferisch nicht,
sein und mit Gefühl für Stil häufig. Er hat mehr vornehmes
Stilgefühl als Böcklin, er meidet das Häßliche, er ist aber auch nicht
so kräftig, solche Fehler begehen zu können, wie Böcklin sie begeht.

Hans von Marees ist in diesem Kreise ein weit Unbekannterer;
die Kunstgeschichten, welche Feuerbachs Gestalt heben und Wunders
wie viel Wesens von ihm machen, kennen ihn nicht, der bedeutender
als Feuerbach ist. Um ihn zu charakterisieren, muß man sagen, er schließt noch am nächsten an Feuerbach an:
Böcklin ist ihm gegenüber stillos; er ist aber grandioser als Feuerbach. — Er wie Feuerbach haben Stilgefühl
im Sinne der Ahnen; Feuerbach kann leichter produzieren, produziert: er hingegen ist eine tiefere Natur, hat
einen unendlich mächtigeren Geist, eine weitaus mächtigere Farbenskala, ein höheres Stilgefühl, manchmal

unerhört schöne Gestalten, wundervolle Gruppenbildungen — doch kann er nicht leicht produzieren und doktort

an seinen Werken, welche zu sehen er Wenigen gönnt, Jahre über Jahre herum in unfruchtbarem Bemühen.

Wer sie heute sieht, erstaunt über die ihnen gezeigte Kompositions- und Linienführung in großem
Sinn, wie über die Versuche zur Farbenwirknng, welche ganz eminent sind. — Er ist aber ein nicht komplettes
Talent, keines seiner Werke hat er zur Vollendung zu bringen verstanden. Nicht ihm, sondern einem durch
ihn Befeuerten, nicht einem Maler, sondern einem Bildner ist es gelungen - das ist vielleicht charakteristisch
— die Ideale herauszukehren, nach denen gestrebt worden ist. Hildebrand ist dieser Mann. Jung nach Italien
gekommen, nachdem er in Nürnberg ans der Kunstschule und bei Zumbusch in München ein Wenig, also nichts

Eigentliches gelernt Hatte, fand dieser in dem um zehn Jahre älteren Marees
insofern eine außerordentliche und außerordentlich glückliche Förderung, als
dieser ihn die Prozesse, welche er selbst dnrchmachte, so jung miterleben
ließ, daß er gleichrasch in der intellektuellen Läuterung gefördert ward, wie
der ältere und technisch nicht mehr Fortschritte machen könnende Freund.

Maries hatte sein gelobtes Land nur von ferne geschaut — Hildebrand
war sein junger Josuah. Marees ist ein Reflex der alten Kunst — auch
Hildebrand spiegelt sie, doch spiegelt er sie so klar und vollkommen, wie es
dem unglücklichen Marees nie gelang. Marees bot die Handhabe dem Ge-
nossen. Man möchte sagen, sein Leben hat er darin aufgebraucht, um an-
regendes Material zu bieten — er forderte, seine Forderung verständlich
machen könnend, die Genossen, welche er begeistert hat, auf; unter ihnen
ist Hildebrand, ohne je gleich Volkmann, von dem jüngst hier die Rede
war, sein Schüler gewesen zu sein, der am weitesten entwickelte. Auch
er aber führt nur bis zu einem gewissen Punkte, wo er das Szepter
dann abtreten muß. — Hildebrand dürfen wir nicht mit einem Bild-
hauer vergleichen, der in der modernen Kunstwelt, etwa in Frankreich,
wo die Bildhauerkunst so blüht, erzogen wäre: er ist ein Treibhaus-
gewächs von Deutschland. Italien ist der Ausdruck seines Sehnens,
und von diesem Land spricht er begeisterungsvoll. Er ist von der Krugkrägrr. von A. hildcbrand

io'

Kuarlwrrfer. von A. hildebrand
 
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