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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 6.1890-1891

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Vincenti, Carl Ferdinand von: Die 1891er Jahres-Ausstellung im Wiener Künstlerhause
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Personal- und Ateliernachrichten - Denkmäler etc. - Ausstellungen, Sammlungen etc. - Vermischte Nachrichten - Kunstliteratur und vervielfältigende Kunst - Vom Kunstmarkt
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https://doi.org/10.11588/diglit.10736#0286

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220 Die 1891er Jaffres-Ausstellung im wiener Aünstlerhause. Von R. v. vincenti— Personal- und Ateliernachrichten

Frau Palmay als „Nitouche" gehört in eine ganz andre
Frauengalerie, für welche der Pausingersche Farbenteig-
stift übrigens auch den richtigen Chic besitzt. Reizend
eingeführte Miniaturbildnisse — ganz seltsam anmutend
in der Zeit der Großformatmalerei — werden uns von
Marie Müller und Bitterlich geboten.

Bild und Bildnis zugleich sind Temples Radier-
meister William Unger und Bildhauer Benk, beide in
ihrer Schaffensmitte, im Atelier dargestellt, was geistigen
Feingehalt und unmittelbare Wirkung anbelangt, zweifel-
los nicht allein zwei ausgezeichnete Porträtnummern,
sondern auch zwei Treffer der Ausstellung überhaupt.
Und der Neumalerei, könnte man hinzusetzen, welcher
wir eine andre Wiener Perle, nämlich das „Volkslied"
von Golz (mit Sommerabendstimmung am Neusiedler
See) verdanken. Das Bild hat alles: Reiz, Luft, Licht,
Linie, Stimmung, Geschmack. Unfern Glückwunsch!
Hirschls vornehm stilisiertem antiken „Hochzeitszug"
fehlt die Luft, aber die Linienführung ist von beinahe
griechischer Anmut. Elendbilder sind fast keine vorhanden,
einen Unglücksfall jedoch, „Mord im Hause", hat der
Prager Schikaneder leider trefflich gemalt; eine höchst
glückliche „Heimfahrt" haben wir dagegen von Sigmund
Ajdukiewicz. Die Münchener haben Sittenbilder ersten
Ranges: Grützner „Fasttag" und „Zufrieden",

Defregger „Unterstand bei Hagelwetter", Mathias
Schmid „Der Ruhestörer", ein Meisterstück gemalten
Mutwillens, Harburg er „Arm und Reich".

Das Düsseldorfer Genre ist durch einen voll-
wichtigen Vautier besten Humors, „Mitleidige
Seelen", vertreten, unter den italienischen Humoristen
kündigen sich Tito, Chierici und Quadrone etwas
laut an. Dem berühmten Holländer Israels wurde
ein Pavillon für sich, jener Raum angewiesen, der vor
kurzem die „Uhde-Kapelle" gewesen. Für den Kenner
sind hier weniger die Ölbilder, als chie Aquarelle des
Meisters, sowie die Steelinkschen Wiedergaben mit der Ra-
diernadel von Interesse. Die Aquarellskizze von den
„Scheveninger Netzflickerinnen" ziehen wir dem Ölbilde
vor; auch der „Rabbi" ist ein Stück Wassermalerei,
wie man sie selten findet. In der Landschaft haben
die beiden großen Düsseldorfer die alte Kraft be-
währt, die Karlsruher Seemaler unter Schönlebers
Führung bilden ein erlesenes Häuflein, und die Wiener
Landschafter streben dem Höhepunkt ihrer Kunst zu.
Man wird die Marinen Andreas Achenbachs und
die harmonisch abgestimmten tiefgesättigten Motive aus
dem Süden Oswald Achenbachs (Capri-Motiv, Ko-
losseum) niemals genug bewundern, die Strandbilder der
Karlsruher verdienen ihren hohen Ruf, und nicht oft
begegnen wir einer landschafterischen Künstlergrnppe, wie
Schindler,'Robert Ruß, Darnaut. Seit Böcklins
„Toteniusel" ist kein Friedhof- und Friedensbild von so
tiefer seelischer Stimmung gemalt worden, wie Schindlers
„Lax"; so malt ein gottbegnadeter Elegiker; kaum je hat
ein deutscher Pinsel den sonnigen Süden so warm und
reif wiedergegeben wie jener unsres Ruß und die Wald-
bilder Darnauts sind, kaum trocken, schon in festen Händen.
Unter den Landschafts-Aquarellisten sind Bartels und
Dettmann führend; es liegt ein eigner Reiz in dem
Kontrast ihrer Technik. Tierbild sowie Stillleben führen
beste Namen ins Feld: Bela Pallik, Krön er,
Hugo Chartem out, Kunz, Holberg. Unter den

Spezialitäten heben sich durch seltene Meisterschaft die
Tuschzeichnungen des Sigmund Ajdukiewicz zur
Geschichte Kosciuszkos heraus.

Personal- und Mlrliernachrichlen

l> V. Berlin. Max Liebermann arbeitet augenblicklich
an einem umfangreichen Bilde, auf welchem „Der Frühmarkt zu
Harlem" erscheint. Wir finden da ein Werk voll Lebenskraft und
Lcbensdrang. Unter hohen breitästigen Bäumen, auf dem weiten
Platze und vor einer Reihe niedriger roter Häuser, welche die
eigenartige niederländische Bauart aufweisen, entfaltet sich buntes
Treiben und rührige Bewegung. Landvolk und Städter schwirren
durcheinander. Die Bauern tragen ihre unentbehrliche Ware zum
Verkaufe; da gibt es üppige Gemüse und süße Frucht, derbes
Korn und duftende Blumen, Fleisch, Fisch und Käse. Zwischen
den Prellsteinen der Halle sind kleine hölzerne Kosen gebaut, in
denen Spanferkel sich lustig drängen. Zwischen den Marktweibern und
Damen entsteht ein Anpreisen und Feilschen; von den Straßen
der Stadt her kommen neue Scharen von Käufern, und Fuhr-
werke halten in der Nähe. Diesen einfachen Vorgang benutzte
der Künstler zur erneuten Lösung eines Beleuchtuugsproblems,
das er einst als der Erste mit den Mitteln der Wirklichkeits-
malerei für die moderne deutsche Kunst angestrebt hat. Es ist das
Spiel der Sonnenstrahlen und Sonnenflecke .Durch das grüne Geäst
bricht der volle warme Morgenschein sich leuchtend Bahn; er strahlt
zurück von der Erde, den Körpern und den Dingen in mannig-
facher, charakteristischer Färbung. Ein prächtiges Schaustück der
Natur bietet sich dar, das auch der höheren poetischen Wirkung
nicht entbehrt.

>V. O. Berlin. Der Bildhauer Prof. Fritz Schaper
Hierselbst arbeitet gegenwärtig an einer Pvrträtbüste des am
ß. August 1800 verstorbenen Musikers Karl Friedrich Christian
Fasch, des Begründers und ersten Direktors der hiesigen Sing-
akademie; diese feiert im Mai d. I. das Fest ihres hundert-
jährigen Bestehens und bringt zu Ehren ihres Begründers u. a.
dessen Porträtbüste im Vorgarten des Gebäudes am Kastanien-
wald zur Aufstellung. — Die Akademie der Künste wird sich an
dieser Jubelfeier des Schwesterinstituts dadurch beteiligen, daß
sie demselben eine von ihrem Mitgliede, dem Bildhauer Professor
Rudolf Siemering modellierte Votivtafel stiftet. Dieselbe wird
später in Bronze hergestellt und im großen Konzerlsaale an her-
vorragender Stelle eingemauert werden.

— Frankfurt a. M. Am 1. Oktober wird Vr. Henry
Th ode von der Leitung der Sammlungen des Städelschen In-
stituts zurücktreten.

— München. Im Atelier von Wilh. Diez sieht man
jetzt drei Gemälde der Vollendung entgegcngehen, welche die her-
vorragende Begabung dieses Künstlers für Kolorit wie Charakte-
ristik wiederum aufs deutlichste zeigen. Das erste derselben ver-
setzt uns auf den Hvs einer alten, schon etwas verfallenen
Burg, auf so ein rechtes Raubritternest. Ein Reitertroß kommt
am frühen Morgen von einem Beutezuge zurück, Ge-
fangene und Kostbarkeiten mit sich schleppend. Einem dieser
Gefangenen, augenscheinlich einem wohlsituierten Ratsherren, be-
leuchtet ein Reitersmann mit'der Laterne neugierig das Gesicht,
während oben eine aus dem Schlafe aufgeschreckte Köchin erscheint,
zu sehen, was es nuten schon wieder gibt. Das Ganze,
wunderbar einheitlich im Ton, zeigt Diez auf der Höhe seines
Könnens; das Gemälde wird der Neuen Pinakothek, für die es
der Prinzregent erworben, zur hohen Zierde gereichen. Die beiden
andern Gemälde sind von kleinerem Format: Ein Münchener
Bicrkellcr mit köstlichen Typen und ein Trupp Reitersmänner,
in deren Mitte der Tod die Fahne schwenkt, ein heiteres nnd
ein düsteres Sujet, beide in der Charakteristik gleich treffend!

* Dresden. Herrn Professor Ernst Julius Hiihnel
wurden an seinem 80. Geburtstage (9. März 1891) zahlreiche
ehrenvolle Auszeichnungen zu teil. Der akademische Gesangverein
brachte ihm ein Morgenständchen. Der akademische Rat stattete
ihm unter Vorantritt Sr. königl. Hoheit des Prinzen Georg
seine Glückwünsche ab, überreichte zugleich eine in grünen
Sammet gebundene Adresse mit den Unterschriften der Mitglieder
der Akademie und des akademischen Rates. Die Dresdener Kunst-
gcnossenschaft überreichte eine reich ausgestattete Glückwunsch-
adrcsse. Die Einbanddecke in Gold, Silber und cuivi-s xoli
zeigt in der Mitte ein rundes Medaillon mit den drei Genien
der Künste in Relief, umgeben von einem goldenen Eichenkranze.
 
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