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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 6.1890-1891

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Springer, Jaro: Die internationale Kunstausstellung zu Berlin, [1]
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Reiter, Ernst: Ein steirischer Bildner: Skizze
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https://doi.org/10.11588/diglit.10736#0338

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262 Die Internationale Aunstausstellung zu Berlin. Don I. Springer — Lin steirischer Bildner, von L. Reiter

Religiöse Gegenstände werden heute wohl allenthalben wenig gemalt. In der skizzenhaften dunkel-
gemalten Kreuzigung von W. Trübner ist einzelnes gut, sie bekundet ein sehr kühnes, geschicktes Compo-
sitionstalent. Ähnliche Lichteffekte, wie gelegentlich Höcker, scheint G. Büchners „Maria" anzustreben. Im
Abendschatten sitzt die h. Jungfrau mit dem Kind auf dem Schoße im Freien. Neugierige Dorfkinder sind
herzugetreten und staunen das Christkind an, von dem ein visionäres hellviolettes Licht ausgeht. Durchaus
nicht dem Gegenstände, wohl aber wegen einer gleichen seltsamen Lichtwirknng gehört F. Stucks unheimlicher
„Lncifer" hierher. (Der Schluß im nächsten Hefte)

Ein steirischer Bildner

Skizze von Ernst Reiter (Regensburg)

77^» aß dem Landvolke überhaupt und speziell dem Volke
der österreichischen Berge große schöpferische Kraft,
reiche Gestaltuugsgabe inuewohnt, ist ja in zahlreichen ein-
zelnen Fällen schon auf das glänzendste bewiesen worden.
In den kernhaften bäuerlichen Menschen, die der erhabenen
Natur tiefer ins Auge schauen, die ihrem Wesen und Walten
innigst vertraut sind, spiegelt sich ja diese freie und gewaltige
Natur in hohem Maße wider. Vielleicht dürste man sogar
die Behauptung wagen, daß in jedem Landbewohner, noch
mehr aber in jedem Älpler, eine Art künstlerische Indi-
vidualität stecke, die freilich nur dem scharf beobachtenden
Menschenkenner sichbar werden mag. Zuweilen aber — und
just nicht allzuselten — bricht sich diese schöpferische Kraft,
diese mächtig ausgeprägte Gestaltuugsgabe auf irgend einem
Gebiete des künstlerischen Schaffens und Bildens Bahn,
und führt dann das nngekannte ländliche Genie empor in
die Welt der hehren Knust ... So ist es auch mit dem
jungen steirischen Bildhauer Hans Brandstetter ergangen
der vor zwei Jahren mit einem Staatsstipendium in Rom
weilte, um dort im Studium der klassischen Werke die letzten
künstlerischen Weihen zu erringen. Brandstetters Jugend
und Entwicklungsgang, an interessanten Momenten ungemein
reich, gleicht in mehr als einer Beziehung der Jugend und
dem Entwicklungsgang seines Landsmannes Rosegger, und
wie dieser in seinen unvergleichlichen Schilderungen eine von
poetischem Hauche umwehte Realistik vorführt, so neigt auch
Brandstetter zur romantischen und idealen Richtung seiner
Kunst, und auch seine Gestaltungen, ideal aufgefaßt, zeigen
einen poesieverklärten Realismus.

Etliche Wegstunden von der steirischen Hauptstadt entfernt, in dem Dörfchen Michelberg, erblickte unser
Künstler am 25. Jänner 1854 das Licht der Welt. Die Zimmermannstochter Jnliana Thurner hatte dem
Knüblein das Leben geschenkt, und erst im nächsten Fasching heiratete die Mutter den Vater des kleinen Hans,
den Nagelschmicd Peter Brandstetter. Schon im siebenten Lebensjahre verriet sich das Talent des Bürschchens,
und seine freie Zeichenkunft brachte ihm das Prädikat „der Zeichner" ein. Der Vater Brandstetters zog am
liebsten mit der Fiedel in die nahen Dörfer, um in den Wirtsstuben seine heiteren „Steirischen" anfzuspielen,
und der kleine Knirps zog gerne mit. Aber der Peter war auch ein gewandter Holzschnitzer; er zeichnete und
malte, wie ihn just die Lust zu diesem oder jenem anwandelte. Bald schnitzelte der Hansl selber flink drauf
los, wenn er draußen auf der Weide saß, wie einst Rosegger als „Halterbub" sich auf der Weide die schönsten
Geschichten ausdachte. Doch auch musizieren konnte er bald, wie der Vater, und die Guitarre, Geige und
Baßgeige meisterte er auf dem Tanzboden, bei Kirmes und Taufschmaus. Aber endlich mußte doch an die
Zukunft des flotten Bürschchens gedacht werden, und so kam dasselbe denn 1866 zu einem Nagelschmied nach
Friesach in Kärnthen in die Lehre. Das war ein hartes Brot, strenge Arbeit, und mit dem Schnitzeln, mit
Musik und Gesang war's aus. Und doch beginnt gerade in dieser Zeit eine neue Ära für unsren Nagelschmied-
lehrjungen. Er durfte später an Sonntagen wieder Christusse und Heilige schnitzen, Guitarre und Zither spielen
 
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