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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 6.1890-1891

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Seydlitz, Reinhard von: Wo die Sonne scheint, [4]: ziellose Reisebriefe des Malers
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https://doi.org/10.11588/diglit.10736#0442

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von R. v. Seydlitz

Z4r

alles dies zusammen gab freilich eine Weihe — aber was
mich packte, war der hoffnungsfrohe Gedanke, daß Athene
wieder in Athen wohnt, daß sie der langvertriebnen wieder
ein Heim gebaut haben.

Das versöhnte mich mit vielem, und freundlicher als
bisher betrachtete ich nun die Herren in Ballettröcken, die
vor dem aus der Münchner Lndwigstraße geschnittenen
'königlichen Palais Wache stehen; Albanesen, die dem
dänischen König eines slawischen Volkes in Athen dienen!
-Wer wundert sich noch über shakespcaresche mittel-
alterliche Herzöge von Athen? Über Lord Timon und
General Alkibiades?

Und wieder stürmte cs aus Westen, feucht und
Warm, das grünliche Gewoge im Hafen sah aus wie eine

griechische Kriegsfahrzeuge ein solches Salutschießen, daß
das Meer erzitterte und weißer Dampf im Nu die ganze
Bucht verhüllte.

Ein imposantes Schauspiel gilt nach meiner Ansicht
dem, der es sieht und würdigt: König Georg, dessen
Geburtsfest am 24. Dezember hierdurch gefeiert wurde,
hat in seinem Palais kaum etwas davon vernehmen
können, und so dankte ich einstweilen den Veranstaltern
dieser großartigen Kundgebung mit leutseligem Kopfnicken,
nicht ohne geheime Ahnung, daß Übermut angesichts der
Seefahrt in solchem Sturmwetter eine verzweifelte Ähn-
lichkeit mit Galgenhumor darbietet. — Der Humor war
bald verweht; der Galgen blieb!

Mögen „Landratten" im Gerüche der Ängstlichkeit

Dordrrchk. von Heinrich Hermanns

ungeheure Schale warmer Molke, und ein schaukelndes
Boot brachte mich langseits des ägyptischen Postdampfers
„Dakalieh", auf dessen Verdeck promenierend ich nun eine
Abschiedsrcde, an Europa im allgemeinen und Hellas im
besondern, hielt. Mein angestammter Erdteil, den ich
zum erstenmale verließ, schien sich unmäßig über meine
Abreise zn freuen; tausende von Flaggen aller Nationen,
straff im Winde ansgebreitet, allen voraus die griechische,
die mich durch ihr freundliches Blauweiß heimatlich an-
mutete, Prasselten und polterten an den Tauen aller
Schiffe, an den Stangen aller Dächer, von den Türmen
aller Kirchen, und mit den ersten Schraubenschlägen der
„Dakalieh" erhoben russische, französische, englische und

stehen und „Seebären" dagegen einen Wind, der einem
„die Nase schief an die Wange hin biegt," noch für
erfrischenden Zephyr erklären, — ich verstand in diesen
Tagen, warum die Trachinierinnen des Sophokles die
unendliche Mühsal in Herakles' Leben mit „Kretischen
Meeres Wallungen" vergleichen. Im Gymnasium denkt
man sich bei diesen einfachen Worten nichts. Wer aber
Kretas neblige, beschneite Höhen in einem Moment erblick!
hat, da alle Winde dort- eine solenne Meistersingerprügelei
abhalten, der preist sich wie der wohlbestallte Stadtschreiber
glücklich, wenn er mit dem Leben davonkommt. Ich habe
schon heiterere Weihnachten erlebt, selbst auf Feldwache
bei le Bourget.

(Der Schluß im nächsten Hefte)
 
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