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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 6.1890-1891

DOI Artikel:
Barth, Hans: Römische Kunst
DOI Artikel:
Seydlitz, Reinhard von: Wo die Sonne scheint, [5]
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https://doi.org/10.11588/diglit.10736#0461

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262

Römische Kunst, von vr. ksans Barth — lvo die Sonne scheint, von R. v. Seydlitz

im Chorstuhl eingeuickte Kanonikus. Über Otto Brandts
Gouache-Bildchen im Geist der guten alten Zeit und der
Weise der alten Schule verbreiten wir uns hier nicht
weiter; denn die kleinen Brandt'schen Meisterwerke sind
eigentlich außerhalb Roms bekannter und geschätzter als
in der ewigen Stadt selbst, wo der Künstler nun schon
seit den vierziger Jahren thätig ist. Die beiden von
ihm ausgestellten Bildchen „Ein Glas Wein" und „Scherz
in der Schmiede" sind ganz in Brandt's herziger Minia-
tur-Malerei gehalten, mit dem bekannten rührenden Fleiße
ausgeführt und von der Poesie des guten alten Römer-
tums der dreißiger und vierziger Jahre übergossen. —
Uns noch der Jahres - Ausstellung der ,,,/Vmatoii e

Oultori" zuzuwenden, erlasse uns der freundliche Leser
in diesem Jahre. Das vereinzelte Gute, das sich gewiß
auch hier findet, wird eben durch den Wust des boden-
los Ünfähigen, Unkünstlerischen, stümperhaft Gemeinen
buchstäblich erdrückt. Vielleicht wird aber unsre Hoff-
nung nicht zu Schanden, und findet sich im nächsten Jahr
— im nächsten Jahrzehnt — vielleicht auch erst im neuen
Jahrhundert eine Jury, die den Geschmack, den Mut
und den natürlichen Anstand besitzt, eine „Jahres-
Ausstellung von Freunden und Pflegern der Kunst" (!)
durch sorglichere Kontrole der eingesandten Machwerke
nicht unter ein wanderndes Jahrmarkts-Museum herab-
zuwürdigen.

Wo die Sonne scheint

Ziellose Reisebriefe eines Malers. Von R. v. Seydlih

(Schluß aus dem vorigem Hefte)

ie „Dakalieh" knarrte und ächzte in allen Fugen, die
schwersten „Seen" fuhren donnernd über Deck und
putzten glatt weg, was nicht von Hephaistos selbst an-
geschmiedet war; oben durfte kein menschliches Wesen sich
aufhalten, und unten herrschte ein Gejammer, daß man
unter den Verdammten des Tartarus zu sein wähnte.
Aber der alte Kasten hielt aus, und so auch wir.

Am dritten Tage wurde das Meer tiefblau, und die
Sonne schien freundlich hernieder; das Gewölk erhob sich
allmählich von den Wogen, verlor seine düstere Färbung
und verzog sich endlich flockenweise nach Norden; es blieb
ein schöner, reiner Himmel zurück, dessen friedliche Bläue
mich nun für Monate nicht mehr verlassen sollte. Wohl
bohrte das Schiff noch manche Welle an, deren Gischt
flammenförmig im Winde zerstob, wohl knarrte und krachte
es noch im Gefüge, und der Wind pfiff lustig in den
Tauen; aber das Bewußtsein, zu mittag schon ägyptisches
Land unter den Füßen zu haben, stärkte die bleichen
Leidensgenossen und vermochte auch den Arzt des Schiffes,
der, wie billig, am meisten gelitten, aufs Verdeck zu
kommen. Zufrieden nickte der Kapitän seiner Kommando-
brücke zu, auf der sich auch das Kartenhaus befand, und
die auf armseligen dünnen Eisenträgern ruhte; er hatte
ernstlich Sorge um sie gehabt. Zur vollsten Heiterkeit
erhob sich die Stimmung, als Bedienstete in großen Kisten
und Körben die Scherben fast des ganzen in der Küche
vorhandenen Geschirrs in wehmütigem Trauerzuge herauf-
brachten und das Resultat poseidonischer Zerstörungswut
den Wogen opferten.

Plötzlich entfuhr mir ein Jauchzer: am Horizont
waren rechts weiße Kuppeln, links Masten und ein Leucht-
turm aufgetaucht: Alexandrien!

Bald auch erschienen weithin nach rechts und links
die scheinbar in der Luft schwebenden, hausgroß an-
schwellenden und wieder verschwindenden Schneeballen der
Brandung, weichender gewaltige Bau des Molo nur schwer
widersteht. Bald auch erhob sich links das flache weiß-
graue Dachwerk des Palastes Ras-el-Tin und dahinter
Dach nm Dach, Mauer um Mauer, die Stadt selbst. Da
ich in meiner Begeisterung einige Fabrikschlote für Minarets
ansah, bedurfte es der Belehrung eines Mitreisenden, daß
Alexandrien zwar keine Kirchtürme, aber auch keine Minarets
habe, was im ganzen der Wahrheit entspricht.

Nun bog das Schiff weit nach rechts aus, fast auf
der Höhe, des prächtigen Schlosses Meks gewann es die
Einfahrt in den kolossalen Hafen und glitt langsam bis
in dessen letzten Winkel, wo der Anker fiel.

Im Nu war das Schiff überlaufen von den tollsten
braunen und schwarzen Gestalten, und unter gewaltigem
Geschrei und Gezerr wurden Gepäck, Reisende und Ladung
ans Ufer geschafft. Mit Freude konstatierte ich dabei,
daß es doch noch weit ruhiger zuging als etwa in Neapel
bei ähnlicher Gelegenheit, und vor allem: malerischer und
origineller.

Im wirbelnden Rausche umtanztcn mich nun die
Elemente des Kaleidoskops, aus dem der Orient besteht:
Pracht und Elend, Luxus und Verfall, Paläste und Lehm-
hütten, Esel und Kameele, Turban und Schleier, blaue
Baumwolle und braune Haut, Kaffee und Zigaretten,
Feigen und Bananen, Palmen und Akazien, Sonnenglanz,
Fliegen und Staub.

Und gleich auch umfängt den Reisenden jene bei-
spiellos verzwickte Mischung von ärgster Verwöhnung und
erstaunlichstem Mangel, die, gleich der zum Erreichen des
Orients glücklicherweise unumgänglichen Seereise, der Fahrt
ins Neue und Uralte ihren bestrickenden Zauber verleiht.

Auf der Fahrt zum Hotel hatte ich die Stadt
Alexanders des Großen eigentlich bereits ihrer Physio-
gnomie nach gesehen; ein gänzlich europäisiertes Gewirr
von zum Teil prächtigen Bauten — durch die Engländer
zerstörte Häuser entstehen wieder prächtiger als vorher,
alles „selbstredend" in Renaissance und Barock, — eine
bunte Menge, für die das orientalische Kostüm nicht mehr
modern dünkt, — Cafes, griechische Firmenschilder und
polyglotte Fremdenindustrie; alles in allem ein Mischmasch,
der seinen Ursprung nicht verleugnet: der große Alexander
baute diesen Brückenkopf zum Schutz der seitdem ununter-
brochenen europäischen Einwanderung. Dieses strategischen
Friedenswerkes freuen sich heute noch seine Landsleute;
das griechische Element dominiert. Aber bezeichnend genug,
griechisches Geld ist nicht einmal beim Wechsler anzubringen.

Von der stupenden Pracht, in der einst zu Zeiten
der Ptolemäer und der Cäsaren die Weltstadt erstrahlte,
sind eine armselige Säule — dem Andenken eines Präfekten
Pompejus geweiht — und einige Substruktivnen am
Pharus erhalten; für alles weitere haben die Stürme der
 
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