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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 7.1891-1892

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Springer, Jaro: Vier neue Entwürfe zum Kaiser Wilhelm-Denkmal
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https://doi.org/10.11588/diglit.10735#0014

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vier neue Entwürfe zum Kaiser Wilhelm-Denkmal

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Wenn man sich des ruhmreichen Anfanges der
Denkmalsangelegenheit erinnert und dann vor die neuen
Entwürfe tritt, so möchte man über das klägliche Ende
jammern. Vier, nur vier Entwürfe sind jetzt im Licht-
hof des Zeughauses ausgestellt. Und wiederum will
keiner allen Ansprüchen genügen.

Manches ist allen Entwürfen gemeinsam. Auf die
reichere Mitwirkung der Architektur verzichtet nur ein
Entwurf, der von Schilling in Dresden. Er ist der
einfachste und prunkloseste. Auf einer großen flachen
Terrasse, die von einer niedrigen Brüstung umschlossen
ist, steht das ruhige Reiterbild auf hohem Postament.
Der Kaiser sitzt in ernster Haltung auf dem Pferd, so
wie er jedem, der einmal unter seinen Augen in der
Parade gestanden hat, in Erinnerung steht. Der Kopf
des Pferdes ist zur Seite gewendet, wodurch ein freier
Anblick des Kaisers gewonnen wird. Das Pferd freilich
ist im Schillingschen Entwurf wenig geglückt. Am
Postament ist vorn ein Genius angebracht, der in etwas
gespreizter Stellung eine Kaiserkrone vorhält. Als
Gegenstück erscheint auf der Rückseite ein Engel mit
Füllhorn, der hier überrascht und den man nach einer
Legitimation fragen möchte, um sich von seiner Existenz-
berechtigung zu überzeugen. An den Seiten des Postament
sind allegorische Figuren angebracht, in denen man nach
einiger Überlegung Allegorien der Land- und Seemacht
erkennt. Zu beiden Seiten des Kaiserdenkmals, etwas
zurückgerückt, erscheinen auf besondern Postamenten zwei
sitzende Genien und zwei Löwen, vorn am Eingang der
Terrasse zwei Kandelaber. Diese Anordnung ist wenig
geschickt und wird unfern modernen Ansprüchen an
dekorative Ausgestaltung eines Denkmals wenig gerecht.
Die auseinander gerückten Postamente erscheinen als ein
Notbehelf, um das Denkmal reicher zu gestalten. Das
Wertvollste am Schillingschen Entwurf ist die Reiter-
statue des Kaisers, als Porträtbild von den ausgestellten
das würdigste und ähnlichste. Das unglückliche Pferd
kann an diesem Urteil nichts ändern, denn das ist ein-
mal nebensächlich und dann läßt es sich noch in der
Ausführung ohne sonderliche Mühe verbessern. Ob aber
der Schillingsche Entwurf zur Ausführung gelangt, muß
schon aus dem Grunde fraglich erscheinen, weil er- so
gar keine Rücksicht auf das Prunkbedürfnis der modernen
Großstadt nimmt."

Dem Entwurf von Hilgers neigt die Gunst des
Publikums am meisten zu, denn der großen Menge ge-

fällt durchschnittliche Tüchtigkeit immer am meisten, sie
findet in ihr zu viel geistesverwandte Züge. Die Reiter-
statue in der Mitte gibt das Bild des Kaisers schlecht
und recht wieder, sie ist nicht zu loben und nicht zu tadeln.
Die Jünglingsfigur vorn am Postament ist eine Allegorie
des Sieges, die weiblichen Figuren an der Seite be-
deuten Gerechtigkeit und Frömmigkeit, der Repräsentantin
der letzteren hat der Künstler die Züge der Königin
Luise gegeben. Im weitgezogenen Halbrund, das in
die Spree hineinragt, umgibt eine Säulenhalle das
Denkmal. Der nischenartige Bau in der Mitte, direkt
hinter dem" Kaiserdenkmal, ist mit einem Mosaikbild ge-
schlossen. Auf einen Durchblick ist also verzichtet. Ob
sich das bronzene Reiterbild von dem bunten Mosaik
vorteilhaft abheben wird, muß doch bezweifelt werden.
Träger des Gesimses der Säulenhalle sind Karyatiden,
die außerdem noch Tafeln mit den Namen siegreicher
Schlachten auf der Brust tragen. Das ist eine un-
glückliche und besonders dürftige Idee. Die Verwendung
der Karyatiden in doppelter Funktion zeigt außerdem,
wie uns das Verständnis für dieses edle und von
der Antike überkommene Bauglied völlig abhanden
gekommen ist. Man möchte fragen: wozu das antike
Gerümpel, wenn die Fähigkeit, es richtig anzu-
bringen, fehlt? Hoffentlich bewahrheitet sich das in
einigen Berliner Tagesblättern verzeichnete Gerücht, daß
der Hilgerssche Entwurf mit einigen Abänderungen zur
Ausführung bestimmt sei, nicht. Lieber eine monströse
Genialität, als eine gedankenarme Mittelmäßigkeit.

Die beiden andern Entwürfe sind in gemeinsamer
Arbeit von einem Bildhauer und einem Architekten ent-
standen. In dem Entwurf von Bruno Schmitz und
Geiger spricht das Bildhauerische am wenigsten an.
Der Kaiser sitzt in müder Haltung auf dem Pferd, als
beschwere und drücke ihn der unschöne Lorbeerkranz, der
den Helm umgibt. In dieser Figur des ermatteten
Kaisers lebt der Heldenkaiser in der Erinnerung seines
Volkes nicht nach. An der Vorderseite des sonst
schmucklosen Postamentes ist ein von einem Adler ge-
haltenes Wappenbild angebracht. Zur Seite des Wappen-
bildes hängen Löwenfelle herab, sie sehen aus, als ob
sie ein Kürschner ausgebeutelt hätte, um sie vor Motten-
fraß zu bewahren. Wenn Löwenfelle angebracht werden
sollten, dann waren sie natürlich nur in stilisierter Form
erlaubt, namentlich in nächster Nachbarschaft eines heral-
dischen Adlers.
 
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