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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 7.1891-1892

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Adelung, Sophie von: Maria Stuart, [4]: eine Atelier-Studie
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Maria Stuart. Line Atelierstudie von S. v Adelung



schmiegsamen Körpers, jetzt war es von selber da... .
ihre Augen suchten Rizzios Blick, sie sah so traumverloren
vor sich hin, wie es die schöne Königin einst gethan haben
mochte, und Leo.... ich sah nicht viel von seinem Ge-
sicht, aber der ganze Ausdruck in Haltung und beredter
Wendung des Kopfes ließ nichts, auch gar nichts zu
wünschen übrig.

Ich war glücklich in jenen Tagen, fast vollständig
glücklich. Ich vergaß, daß ich mich um meine
Freiheit gebracht hatte. Wenn ich nicht so viel im
Richterschen Hause verkehrte, wie man es von einem glück-
lichen, sehnsüchtigen Bräutigam erwartet, so suchte ich es
dadurch zu entschuldigen, daß ich in den Tagen, wo mir
Stephanie nicht saß, am Kostümlichen des Bildes weiter
arbeiten mußte. Denn die Zeit war nicht stehen geblieben,
wir befanden uns bereits im März und im Sommer
mußte mein Bild fertig sein, da Richters alsdann ins
Seebad reisten, wohin ich sie begleiten sollte. Und im
Winter — im Winter sollte unsre Hochzeit sein.

Zu meiner Freude äußerte sich Stephanie mit meinem
Eifer zufrieden, ja sie legte sogar plötzlich einiges Interesse
für Malerei an den Tag, schlug selber mehrere vorteil-
hafte kleine Änderungen an ihrem Kostüm vor und kam
fleißiger zu den Sitzungen als bisher.

Ich war entzückt über so viel Liebenswürdigkeit und
fühlte zum crstenmale etwas wie ein wärmeres Gefühl
für meine schöne Braut aufkeimen. Und was Leo an-
betraf, so gab es eben nur einen Freund in der Welt,
der mir ein solches Opfer an Zeit und Geduld bringen
konnte. Einmal erwachte aber doch das Gewissen in mir.
„Leo," sagte ich zu ihm, „du verlierst meinetwegen
schrecklich viel Zeit, wie steht es denn mit deinem Bilde?"

„Mit meinem Bilde? o, vortrefflich; ich habe neu-
lich die Figur rechts, weißt du, die mit dem Schleier,
beendigt."

„Wie? dieselbe, die schon vor vierzehn Tagen fast
vollendet war?"

Wülkow schien verlegen, beinahe ärgerlich. „Ich
werde schon noch zur Zeit fertig," sagte er, „übrigens,
wenn es dir nicht recht ist — ich brauche ja nicht mehr
zu den Sitzungen zu kommen."

„Nicht recht? Du weißt, wie unendlich dankbar ich
dir bin — deine Hilfe wäre mir unersetzlich. Ich bitte
dich um aller Musen willen, lasse mich jetzt nicht im
Stich."

Leo brummte im Hinausgehen vor sich hin: „Gut
denn, aber vergiß nicht, daß du es warst, der mich zu-
erst darum bat."

Die Wochen verstrichen und mit ihnen kam der
Sommer ins Land. Än einem schönen, Hellen Morgen
setzte ich meinen Namen unter das Bild — es war fertig,
und mich erfüllte eine stille Zuversicht bei dessen Anblick.
„Ich bin doch ein Maler," sagte ich zu mir selbst, „das
Bild ist gut, wenn es auch hätte besser sein können.
Hans, du wärest ein Sonntagskind, wenn — wenn —
nun du weißt schon, wenn — Was nicht wäre."

Mit einem leisen Seufzer schloß ich mein Atelier
ab, übergab den Schlüssel dem Professor und fing an,
mich für die Badereise zu rüsten, welche schon am nächsten
Morgen angctreten werden sollte.

Wolkoiv traf ich an der Arbeit, als ich zu ihm
kam, um Abschied zu nehmen. Er schien blaß und auf-
geregt, hatte hier und dort wieder an seinem Werke ge-

kratzt und verbessert, war aber im Ganzen noch nicht
viel weiter gekommen.

„Tn sollst sehen, wie rasch mein Bild jetzt gedeihen
wird," sagte er, „allmälig fliegt alles aus, die Stadt
wird leer, da läßt sichs gut arbeiten. Und bis zur Er-
öffnung sind noch drei Monate."

„Der Einsendungstermin ist früher."

„Wohl, aber ich werde trotzdem noch fertig."

„Leo, sieh zu, daß du es bist, der den Preis erringt."

„Den Preis?—" er fuhr auf und sah mir mit weit
aufgerissenen Augen ins Gesicht.

„Junge, was ist mit dir? Hast du die goldene
Medaille vergessen?"

Leo lachte gezwungen. „Ich werde fertig," wieder-
holte er. „Du Glücklicher hast nur ein weibliches Wesen
auf deinem Bilde, man glaubt nicht, was einem mehrere
zu schaffen machen, und mir fehlt es jetzt auch an
Modellen."

„Ich wollte, ich könnte dir ebenfalls gefällig sein. Aber
für eine Nymphe kann ich dir nicht gut sitzen; ich reise
morgen mit Richters."

„Adieu Kamerad, und Glück zu!"

So schieden wir. Allein es kam anders, als ich ge-
dacht: noch am selben Abend erhielt ich ein Telegramm,
daß der Onkel sehr krank sei und die Mutter meine Gegen-
wart wünsche. Gott verzeih' mirs, ich hatte den alten
Mann lieb, aber meine erste Empfindung war die einer
gewissen Erleichterung. Zu Richters eilen, ihnen den
Grund sagen, weshalb ich sie nicht begleiten könne, das
Nötigste einpackcn und auf den Nachtzug stürmen, es war
das Werk von wenig Stunden.

Und nun begann am Krankenlager des Onkels ein
Traumleben für mich, in welchem ich kaum mehr wußte,
ob die Ereignisse der letzten Monate Wirklichkeit waren
oder nicht und das nur durch die seltenen Briefe Stephanies
unterbrochen wurde. Meine Verlobung, die Ausstellung,
mein Bild, alles erschien wie Schatten am Horizont
meines Denkens, während ich am Bette des alten Mannes
saß und ihm die Kissen znrechtschob oder Arznei bereitete.
Die mir aus meiner Kindcrzcit lieb gewordenen Räume
umgaben mich so traulich, die alte Uhr tickte, leise ging
Mutter ab und zu und strich mir manchmal zärtlich über
das Haar. Es wollte mir scheinen, als sei ich noch das
ahnungsselige, glückliche Kind von ehedem, das von einem
Augenblick zum andern eilte und nichts von Welt- und
Menschentrug wußte.

(Der Schluß im nächste» Heste)

Distichiui

von Arthur Lltger

Schmückt ein Raphael nicht, ein achter, dein bürgerlich
lsäuschen,

Ziert auch ein mäßiges Bild immer dir freundlich die
Wand;

Aber ins Feuer das schlechte Gedicht, das schlechte Musikstück!

Mozart und Goethe hast du acht, wie der König sie hat.

Leicht ists, Freund, die Fehler zu seh'n in der Schale des
Kunstwerks;

Schwierig, die Schönheit des Kerns dankbar genießend
einpsahn.

Jenes erfordert ein bißchen verstand, und das ist nicht selten;

Dieses gebildeten Geist, ach, und wo findest du den?
 
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