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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 7.1891-1892

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Vacano, Emile Mario: Kollaboratoren: ein Apropos
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https://doi.org/10.11588/diglit.10735#0362

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Kollaboratoren, von L. !N. vacano

beobachtendes Gemüt gegen das männliche, trefflichere des
Dirk. Und das schöne Bild wird dadurch zuin Pasticcio.

Bei Jan van der Heyde (Gorkum 1637 — Am-
sterdam 1712), in dessen architektonisch so wahr, so
temperamentvoll, so athmosphärisch richtig gestimmte
Städte Adrian van der Velde (Amsterdam 1635, -s- daselbst
1672) die lebensvolle Staffage zu liefern pflegte, ist der
Unterschied zwischen der Malweise der beiden Mitarbeiter
noch merkwürdiger für den genauen Beobachter und
Kenner: Die Figuren stehen thatsächlich in einer ganz
anderen Luft wie die Gegenstände oder die Häuser, sie
ragen grell, ohne Luftton aus feingetönter Luft heraus.
Es fehlt die harmonisch machende Lazur.

Mehr geistiges Zusammenfließen von Malweise
und Stimmung bemerkt man schon bei C. van Poelenburg
(Utrecht 1586 — Utrecht 1667), welcher oft die Staffage
lieferte für die windbewegten, fcuchtluftigen, herrlichen
Wälder des viel zu wenig gewürdigten großen Stim-
mungsmalers Alexander Keirincx (1590 — 1646).
Cornelis v. Goelenburg verlieh seinen Figuren ebenfalls
das feuchtfröstelnde, eilige, windbewegte, so zu sagen. Sehr
glücklich arbeitete sich der große „Mitarbeiter" Adrian
van der Velde (dem dieses Genre der Produktion zuletzt
fast zum Gewerbe wurde) mit Joris van der Hagen
(Verhagen, gestorben in Haag 1699). Hagen liebte be-
sonders die Umgegenden von Arnhem, die Rheinhäfen um
Arnhem rc. zu malen, mit einem duftigen, etwas kalt-
sonnigen aber dafür zartluftigen Pinsel und einer ganz
eigenartigen silbrigen Farbe. Adrian van der Veldes
Pinsel nun, mit seiner feinziselierten Strichweise und mit
seiner Farbenstimmung, die stets etwas grauschimmerndes
hat, wo nicht sein unvermitteltes, dumpfes Rot der Kittel
hineinspielt, weiß diese Rheinlandschaften mit den stim-
mungsvollsten Figuren zu bevölkern, welche so zu sagen
auf dem Boden gewachsen zu sein scheinen, ans welchen
sie stehen.

Noch gemischter, ungenierter, fast gewerbsmäßig
zusammengestoppelt, findet man die künstlerische (fast ver-
liert hier dieser Ausdruck seine edlere Bedeutung) Mit-
arbeiterschaft bei dem Heiligenmaler Martin Jacobßen,
genannt Heemskerk van Veen (Heemskerk 1498 — Harlem
1574), auf dessen Altarbildern — z. B. „Maria Ver-
kündigung", das er für die Kirche St. Bavon in Harlem
„lieferte", Jacob Rauwaert den ganzen Talar des Erz-
engels Gabriel malte. Ja, die beiden Flügel dieser
„Verkündigung" wurden später an den „Bethlehemitischen
Kindermord" von Cornelius Cornelissen (dem damals
hochberühmten Oost - Zaandamer Kirchenbildmaler, von
dem man noch etwas hart und frostig, aber kräftig
gemalte altbiblische Bilder in vielen Sammlungen trifft)
angefügt. Blau fügte sogar der oberen Partie dieser Seiten-
flügel noch Eckstücke hinzu, welche ebenfalls Cornelis zu
Ende führte. Von wem war zuletzt ein solches „Gemälde"?
Von einer Einheit in der Malweise mußte dabei natürlich
ebenso abgesehen werden, wie bei einem Arlekinsgewande.

Von Jan Wynants (lebte im 17. Jahrhundert
in Harlem und in Amsterdam) hat man vor allem einen
„Weg in den Dünen", welcher uns mit der Mode der
Mitarbeiterschaft fast versöhnen könnte, so wundersam
in die dunstige, sonnige, feuchte Meerluft hineingesetzt
und von derselben gleichsam umglitzert sind die Figuren,
welche Jan Lingelbach, der Frankfurter (der 1674
in Amsterdam gestorben ist), in das Bild hineingemalt hat.

In der vlämischen Schule finden wir vor allem
Sammtbreughel (Jan Breughel) als Mitarbeiter „von
Profession". Bei ihm, diesem großen und eigenartigen
Künstler, war das Staffagieren (man erlaube mir das
Wort) fremder Bilder wirklich zu einer Art Gewerbe, zu
einer Spezialität geworden, in der er seinen Zeit-
genossen vielleicht ebenso bekannt war wie in seinen
eigenen, so feinempfundenen, flott durchgeführten, leicht
und zart aufgetragenen Solobildern. Jan Breughel,
Sammtbreughel genannt, hat eine so ausgesprochene
Eigenart in seiner Malweise, daß man glauben sollte,
eben er eigne sich weniger als jeder andere zur Mit-
arbeiterschaft, da er auf seinen eigenen Bildern eine
strikt ausgedrückte Manier (das Wort Manieriertheit
wäre bei ihm ungerecht) zeigt. Aber er besaß, wie kein
anderer, das seltene Talent, sich zu akkomodieren.
Nicht seine Manier veränderte er — das konnte er
nicht gut, denn die Manier eines Malers wird demselben
zur zweiten, unbewußten Natur — sondern seine Form
so zu sagen. Es ist hochinteressant, zu beobachten, wie
genau Sammtbreughel die Art der Umrisse seines
Kollaborators sich anzneignen weiß: er wird ängstlich,
gewissenhaft mit dem einen, leicht, dreist mit dem andern.

Da existiert von Hendrik van Baken junior (Ant-
werpen 1560—-1632) eine „Opfergabe der Cybele",
deren Früchte und Blumen von Sammtbreughel sind.
Man vergleiche nun die Früchte, welche sich auf den
eigenen Bildern Breughels sehen lassen: diese feisten,
drallen, pausbäckigen, etwas derbhäutigen und grellfarbigen
Früchte, mit denen dieses „Opfers", welche den vollen
Schmelz, den Fruchthauch der edlen Manier haben, eben
wie das ganze Bild im vornehmen, etwas kalten Tone
Balens gehalten ist. Zu einem andern Bilde Balens:
„Najaden, das Füllhorn füllend", hat Sammtbreughel
die Landschaft gemalt: stolz, zurückhaltend, etwas
theatralisch wie die Menschen Balens. Eine seiner
reichsten und schönsten Mitarbeiten war die bei „Adam
und Eva im Paradies" von Rubens. Rubens hat darin
nur das erste Menschenpaar und vielleicht das Pferd
gemalt. Dieses ganz stupende, wirklich überirdisch schöne
Paradies mit seinen lebenswahren Tieren ist von
Sammtbreughel.

Sein liebster, passendster, verwandtester Mitarbeiter
ist aber Hans Rottenhammer, der ehrliche gute Münchner
(1564), gestorben in Augsburg 1623. Dieser hochbegabte
deutsche Maler fand merkwürdigerweise in dem Hol-
länder seine beste Ergänzung. Seine und Sammtbreughels
Bilder sind die einzigen Kollaborateursbilder, welche wie
aus einem Guße entstanden scheinen, von einem Geiste
konzipiert, von einer Hand ausgemalt. Hier hat gleich-
sam Sammtbreughel das Hauptgewebe geliefert, in welches
der Bibelmaler (die Maler biblischer Szenen unterschieden
sich damals wesentlich von den Historienmalern —
die Historienmalerei war freigeworden von jeder Schab-
lone, die Heiligenmalerei hatte eine Tradition, Pietät,
einen Duft des Byzantinismus bewahrt, welcher
ihnen einen echt religiösen Anstrich gab und sie weit
unterschied von den biblischen Genrebildmalern
der altdeutschen Schule!) seine Staffage hinein-
wob. Man sehe nur die reizende, stimmungsvolle,
großartige Landschaft Sammtbreughels, in die Rotten-
hammer seine Begegnung Davids mit Abigael hinein-
malte, oder die brillante Fernsicht (für sich allein, auch
 
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