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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 7.1891-1892

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Margitay, Desider: Die Auferstehung des Lazarus, [3]: Erzählung
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https://doi.org/10.11588/diglit.10735#0423

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Die Auferstehung des Lazarus, von Desider Nlargitay

ZZS


statten, als sonst, weil ... der Himmel weiß, es steckte
in diesem Mädchen etwas, was er so gern wiedergegeben
hätte, allein so sehr er sich auch bemühte, es gelang
hm nicht.

In seinen Stuhl zurückgelehnt, betrachtete er das
Bild und das Original minutenlang, dann legte er den
Pinsel beiseite, was als Zeichen galt, daß er heute
nicht malen werde.

— Geht es nicht? — fruq neugierig Madelaine.

— Es geht nicht.

— Weil Sie an mich nicht glauben?

— Weil in Ihrem Angesichte etwas ist, was ich
nicht erfassen kann — oder vielleicht, weil Sie sich noch
nicht in jener Bewegung offenbarten, in welcher es einzig
möglich ist, Sie getreu wiederzugeben.

Madelaine schwieg einen Moment still, dann sprach
sie lächelnd:

— Ich mache Ihnen einen Vorschlag. Der morgige
Tag ist ein Freitag, daher ominös. Halten wir also
zwei Tage hindurch keine Sitzung und versuchen wir es
am Tage der Auferstehung, am Sonntag. Vielleicht
gelingt es dann. Sie entrinnen auf diese Weise der
Unlust, in welche Sie das eine ganze Woche andauernde
nutzlose Problem versetzt hat, und ich . . . vielleicht
treffe ich dann eher jene Stellung, und Bewegung, in
welcher, Ihrer Ansicht nach, es einzig und allein möglich
ist, mich getreu wiederzugeben. Nehmen Sie meinen Vor-
schlag an?

— Ich nehme ihn an.

Während der zweitägigen Pause sahen sie sich nur
während des Essens im Speisesaal. Am dritten Tag,
dem der Auferstehung, unterblieb sogar diese Begegnung,
denn Madelaine kam zum Frühstück nicht herab. Sie war
mit ihrer Toilette noch nicht fertig und ließ sagen, daß
sie zur Sitzung unmittelbar in das Atelier gehen würde.

Aladär empfand eine seltsame Aufregung, als das
Stubenmädchen dem „Onkel Lenczi" diese Botschaft
brachte. Er wünschte, daß das Frühstück je eher zu Ende
sein möge, damit er um so schneller das Atelier auf-
suchen könnte. Eine lange, ihm endlos scheinende Viertel-
stunde dauerte es noch, dann saß er im Atelier und
blickte voll Spannung auf die Thür, durch welche Madelaine
eintreten mußte.

Wie wird sie erscheinen? Denn daß nicht die ge-
wohnte Alltäglichkeit ihre Begleiterin sein würde, stand
in ihm fest.

. . . Sie erschien noch einfacher, als bei den früheren
Gelegenheiten. Ihr reiches. Prachtvoll schönes aschblondes
Haar umschloß in einem einfachen Knoten gewickelt ihren
schönen Kopf. Um die Schultern hing ein gewöhnlicher
Staubmantel. Lächelnd begrüßte sie den Maler, dessen
Angesicht die Enttäuschung verriet. Dann ging sie wort-
los auf ihren gewohnten Sitz zu und blieb daselbst mit
dem Rücken gegen Aladär gewendet einen Moment stehen.

Der junge Mann trat verdrossen hinter die Staffelei,
um Palette und Pinsel hervorzusuchen, dann wendete er
sich Madelaine zu, um ihr die gebräuchlichen Anweisungen
zu geben, blieb jedoch wie vom Blitz getroffen stehen,
denn was er sah, übertraf all seine Erwartungen und
versetzte ihn in bewunderungsvolles Staunen.

In himmelblaue, wallende Tracht gehüllt, wie sie
die biblischen Frauen trugen, das lange Haar über die
Schultern gebreitet, die Hände gefaltet, so stand Madelaine
da. Man hätte glauben mögen, irgend eine klassische
antike Figur vor sich zu sehen, wenn nicht der lebens-
warme Blick, die unnachahmliche zarte Färbung des
Teintes und das leise Heben und Senken des Busens
verraten hätten, daß dieses Bild herrlicher sei, als jede
künstlerische Schöpfung, weil es lebt und atmet.

Aladär ließ Palette und Pinsel fallen, eilte auf
das Mädchen zu, kniete vor ihm nieder und rief mit
halberstickter Stimme:

— Magdalene! Magdalene!

— Was thun Sie? . . . Um Himmelswillen stehen
Sie doch auf!

— Nein! Nein! . . . Gestatten Sie, daß ich Sie
als meinen Erlöser preise und anbete.

— Als Ihren Erlöser?!

-— Sie haben mich in ein und demselben Moment
erniedrigt und erhöht . . .

— Ich, Sie erniedrigt?

— Mich, den Gottesläugner! Gäbe es keinen'Gott,
wer hätte noch so herrliches und vollendetes schaffen
können!

— Bedenken Sie doch, was Sie sprechen . .

— Sie haben mich erhoben, denn Sie geben meinem
Herzen den Glauben, den Mut und die Fähigkeit der
Begeisterung wieder. Sie geben mir die Liebe wieder,
denn Sie lehrten mich, daß wir andre noch mehr lieben
können, als uns selbst. Sie bewiesen mir, daß es eine
Auferstehung gibt, denn ich fühle, daß ich auferstanden
bin, daß in meiner Seele künstlerisches Können sich wieder
regt und daß ich begeistert Großes und Schönes schaffen
werde. All dies haben Sie, hat ihre jungfräuliche
Schönheit bewirkt.

— Aladär!

— Werfen Sie mich nicht von sich, ich flehe Sie
an, ich beschwöre Sie! Wenn Sie Lazarus von seinen
Toten auferstehen hießen, werfen Sie mich nicht wieder
in das Nichts zurück.

Madelaine blickte einen Moment unentschlossen und
zögernd, dann reichte sie ihm beide Hände und sprach:

— Nein, ich könnte Sie nicht zurückstoßen, selbst
wenn ich wollte; denn wenn auch mein Kopf kein richtiges
Modell für die echte Magdalene ist, so bin ich doch
Magdalene, die wahre, von jeder Lüge freie Magdalene,
welche sich bekehrte, weil sie liebte.

. . . Einige Minuten später trat Onkel Lenczi in
den Saal und war sehr überrascht, als er die bekehrte
Magdalene in den Armen des auferstandenen Lazarus
fand, allein Onkel Lenczi hatte kein Talent zum tyran-
nischen Vater und meinte daher lachend:

— Wie ich sehe, Kinder, feiert Ihr nicht bloß aus
Gewohnheit, sondern ganz im Ernst, den Tag der Auf-
erstehung! . . . Schämet Euch nicht, an der wahren
Liebe ist nichts, wofür man zu erröten brauchte. Sie
verbessert das Herz, welches sich bereits dem Verderben
zuneigt; sie macht das Leben wieder begehrenswert und
bringt uns Gott näher . . . Kommt also an mein Herz,
und küsset einander.

(Schluß)
 
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