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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 7.1891-1892

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Muyden, G. van: Die neuen Vervielfältigungsverfahren
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https://doi.org/10.11588/diglit.10735#0452

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von G. van INuyden

359

Gründe, denen die neueren Reproduktionsverfahren ihr
Dasein verdanken: Erstens das stets dringender werdende
Bedürfnis nach einer raschen Vervielfältigung von Vor-
lagen für die Buchdruckpresse; zweitens das Streben nach
Naturtreue; drittens endlich der Kostenpunkt. Der
Holzschneider arbeitet zu langsam, besonders sobald es
gilt, halbpolitische, illustrierte Blätter auszuschmücken; ist
er ein Meister, so erliegt er zu oft der Versuchung, die
Zeichnung zu verbessern, sein eigenes Ich zur Geltung
zu bringen, worüber natürlich der Künstler, bezw. Zeichner,
in Verzweiflung gerät; bei nur mittelmäßiger Begabung
aber verpfuscht er die Vorlage nur allzuleicht. Was end-
lich den Kostenpunkt anbelangt, so ist es nicht zu leugnen,
daß gewöhnliche Zinkätzungen und dergleichen sich wohl-
feiler stellen, als selbst mittelmäßige Holzschnitte; bei wirk-
lich guten mechanischen, sowie chemischen Reproduktionen
ist indessen der Unterschied nicht so groß als man meint,
und es besitzen diese Reproduktionen eigentlich nur den aller-
dings bedeutenden Vorzug der rascheren Herstellung und
der absoluten Naturtreue.

Wir kommen nun zur näheren Beschreibung der
hervorragenderen unter den neueren Reproduktionsverfahren.
Hier stoßen wir aber gleich auf einige Schwierigkeiten.
Die eine nicht zu unterschätzende, liegt in der ungemeinen
Sprödigkeit des Stoffes. Beschreiben wir die Ver-
fahren eingehender, so wird die Sache so langweilig, daß
unsre Leser wahrscheinlich sehr bald und mit Recht unser
Blatt unter herzhaftem Gähnen aus der Hand legen
würden; begnügen wir uns dagegen mit Andeutungen,
so ziehen wir uns leicht den Vorwurf der Oberflächlich-
keit zu, ein Vorwurf, der in deutschen Landen ebenso
tötet, wie in französischen die Lächerlichkeit. Es gilt also,
die goldene Mittelstraße einzuhalten. Ob es gelingt, wissen
die Götter. Zweite Schwierigkeit: die Herren Erfinder
von Vervielfältigungsverfahren haben sich bisher, ungleich
den Chemikern, über einheitlicheund gleichmäßige
Bezeichnungen für die Arten derselben nicht zu einigen
vermocht, und es herrscht auf diesem Gebiete die größte
Verwirrung. Der eine gibt deutschen Bezeichnungen den
Vorzug, der andere liebt das internationale Griechisch,
der dritte endlich vermischt Griechisch und Lateinisch, bezw.
Französisch in einer schauderhaften Weise (Beweis, das
Zwitterwort: Photogravure). Dazu kommt, daß manche
Erfinder, wie Albert, Gillot, Woodbury. ihre Verfahren,
die zum Teil anderen sehr ähneln, mit ihren Namen be-
zeichnten, wodurch die Verwirrung noch wächst. Die ein-
fachste und praktischste Einteilung, wenigstens für den
Laien, ist vielleicht noch diejenige der bekannten Anstalt
von Edm. Gaillard in Berlin. Derselbe unterscheidet
zwischen Phototypien, oder photographischen Re-
produktionen nach Vorlagen in Strichmanier, Autoty pien,
oder Platten nach Halbtonvorlagen, Chemigraphien
oder ohne Mitwirkung des Lichtes hergestellte Platten,
Platten zum Farbendruck oder Chro mo ty pien, endlich
Photolithographien oder Lichtdrucke, d. h. Über-
tragungen auf den Stein für die Steindruckpresse. Die
von ihm anscheinend nicht geübte, dafür aber in der
Reichsdruckerei sehr gepflegte Kunst der photomechanischen
Herstellung von Platten für die Kupferdruckpresse, möge
dem Vorgänge dieser Musteranstalt gemäß Heliographie
heißen.

Aus obigem ergiebt sich zunächst, daß die Ver-
wendungsweise der nach den neueren Verfahren her-

gestellten Platten sehr verschieden ist. Wir müssen
zwischen den Platten für die B nch druckp resse, den-
jenigen für die Steindruckpresse, und endlich den-
jenigen für die Kupferdruckpresse scharf unterscheiden.

Erstere Presse arbeitet, wie unsren Lesern sattsam
bekannt, nur mit Formen, bei denen die zum Abdrucke
auf das Papier kommenden Stellen (Buchstaben, Linien)
sich von der Umgebung abheben, also erhaben sind.
Die Ausgabe der Reproduktionskünstler besteht hier also
darin, die Stellen zwischen den Linien einer Zeichnung,
nach dem Vorbilde der Xylographen, so weit zu vertiefen,
daß sie keine Farbe annehmen können, eine sehr schwierige
Aufgabe, an der viele mechanische Vervielfältigungsver-
fahren gescheitert sind.

Die Steindruckpresse arbeitet hingegen mit ebenen
oder nahezu ebenen Flächen, die so behandelt sind, daß
nur die zur Zeichnung gehörigen Stellen Farbe annehmen,
die anderen nicht. Hier gilt es also das Original, meist
mit Hilfe der Photographie, auf Stein oder Zink zu
übertragen, und diese Materialien alsdann, wie eben an-
gedeutet, zu behandeln.

Die Kupf erdruckpr esse endlich erfordert eine
Fläche, in welche die Linien der Zeichnung vertieft
eingegraben sind. Die Farbe darf also nur in den ver-
tieften Stellen stehen bleiben, und es ist die Aufgabe des
Kupferdruckers, den Teil der Schwärze, der auf den
stachen Stellen haftet, vor dem Druck zu entfernen.

Wir haben also Platten mit erhabenen Zeichnungen,
solche mit flachen und endlich Platten mit vertieften Zeich-
nungen. Bei der überwiegenden und täglich zunehmen-
den Anwendung der Buchdruckpresse spielen jedoch erstere
die Hauptrolle.

Wir wollen nunmehr einige der Hauptverfahren zur
Herstellung solcher Platten klar zu machen suchen.

Das wohl älteste Verfahren, das der Chemi-
graphie oder Zinkhochätzung ist, wenn nicht in Frank-
reich erfunden, so doch in diesem Lande erst zur Einführung
in die Praxis gelangt, und zwar durch Gillot, weshalb das Ver-
fahren bei nnserm westlichen Nachbarn zumeist Guillotage
geheißen wird. Während die Bilder zu den meisten Zeit-
schriften humoristischen Inhalts seit 20—30 Jahren in
Paris mittelst Zinkätzung hergestellt werden, war das
Verfahren vor noch nicht allzu langer Zeit bei uns so
gut wie unbekannt, und es hatte der Verfasser
dieser Skizze, welcher damals dergleichen Bilder benötigte,
die größte Mühe, eine Anstalt so weit zu bringen, daß
sie den Versuch wagte; die Sache hat aber inzwischen
auch bei uns große Fortschritte gemacht, und wir begegnen
häufiger chemigraphischen Bildern. Die Bedeutung der
Chemigraphie liegt hauptsächlich in der Raschheit der Her-
stellung der Bilder, in der Einfachheit der dazu benötigten
Apparate, die jede Steindruckerei besitzt, und in der un-
gemeinen Wohlfeilheit. Sollten wir uns je, gleich den Eng-
ländern, zu einer täglich erscheinenden illustrierten Zeitung
aufschwingen, so dürfte die Chemigraphie in der Hauptsache
die Sache ermöglichen, falls die Zeitung darauf ausgeht,
die Vorkommnisse eines Tages ihren Lesern nach vierund-
zwanzig Stunden im Bilde vorzuführen.

Die Chemigraphien werden etwa wie folgt hergestellt:
Der Künstler zeichnet sein Bild mit lithographischer Tinte
entweder auf Umdruckpapier oder direkt auf Zink, in
welchem elfteren Falle die Vorlage nach dem bekannten
Verfahren der Steindrucker auf Zink umgedruckt werden
 
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