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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 7.1891-1892

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Pecht, Friedrich: Die Münchener internationale Ausstellung von 1892, [8]
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https://doi.org/10.11588/diglit.10735#0466

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Die Münchener internationale Ausstellung von 4392

Seligkeit des Glaubens in dem Kopf der sterbenden Heiligen wiederzugeben, wie ihren nackten Körper. Das
Bild ist trotz des deutschen Namens seines Autors urengliich und jedenfalls ein Meisterstück ersten Ranges. —
Sehr hübsch, schlicht und fromm mutet dann eine „Verkündigung" von Marianne Stokes an, wo die Maria
allerliebst mägdehast und demütig aussieht. Einige hübsche Kinderbilder sind auch zu rühmen, so Margaretha
Dicksees, „Blumengabe" und „Am Lebensabend", wo die Großmutter ihre köstlich gegebenen kleinen Enkel
liebkost. Mehr an Rembrandt erinnern dann Hardys „Volksversammlung" bei echt englischem Regenwetter
und Statt of Oldhams „Großvaters Werkstatt", beide mit trefflich gelungenem Helldunkel, während des
letzteren „badende Jungen" (siehe S. 27ö) viel gesunde Naturbeobachtung zeigen. Das thun auch die Land-
schaften, allen voran Clara Montalbas köstlich sonnige Bilder von Venedig und vom Themse-Ufer, wie Neids
vier prächtig kühne Landschaftskizzen, welche die kecke englische Eigenart recht eigentlich auf die Spitze treiben.

Über die japanische Kunst zu schreiben, deren Kabinet neuerdings auch eröffnet worden, mag man mir
erlassen, da von Kunst doch da überhaupt nicht die Rede sein kann, wo man bloß angeborenes Talent ohne
Schulung oder ganz in konventionellen Formen erstarrt zu sehen bekommt. Die Kunst der Japaner steckt in
ihrer oft ganz wunderbaren Kunstindustrie, wo sie die bezauberndsten Farbensymphonien, die reizendsten Gegen-
sätze der malerischen Behandlung geben, aber sicherlich nicht in ihrer Naturnachahmnng durch die Malerei.

Dagegen hat noch eine ziemliche Anzahl französischer Bilder von der Pariser Ausstellung die bisher
ziemlich leeren Säle gefüllt. Freilich nicht zu deren Vorteil, da diese Nachzügler nichts so deutlich offenbaren,
als das Bestreben, um jeden Preis anfzufallen im Gedränge des Salons. Das gelingt nun diesmal Jean
Beraub am besten, der eine Kreuzabnahme, etwa auf dem Montmartre vorführt, wo man den nackten Christus
ganz wie herkömmlich auf der Leinwand herabgleiten, denselben aber von durchaus modernen Proletariern, die
Rache schwören, umgeben sieht, und wo die unter ihnen zusammensinkende Maria genau ein Hütchen, wie die
Weiber der unteren Pariser Klassen trägt und, wie alle andern, sehr häßlich aussieht. Zum Überfluß ist dann
noch ein Kerl in blauer Blouse an den Rand des Hügels getreten und ballt drohend die Faust gegen das zu
seinen Füßen liegende Fabrikviertel von Paris. Daß aber Christus hier etwa mit Ravachol auf eine Linie
gestellt wird, das ist so herausfordernder Unsinn, daß man darüber selbst die ganz der Rembrandtschen Kreuz-
abnahme nachgeahmte, düster unheimliche Stimmung vergißt. Denn von der Naivetät, wie sie die Rembrandtsche
Auffassung so hochinteressant und harmonisch macht, ist hier so wenig eine Spur zu finden, als von dessen
berauschend glänzendem Sinn für alles Malerische, der uns immer mitreißt, während man hier fortwährend nur
die nüchterne Berechnung sieht und kein einzelner uns das mindeste Interesse einslößt. — Das beste der Bilder
und nahezu klassisch ist ein bretagnischer Bauernbursche als Wallfahrer, den das Sonnenlicht ans einer Seite
streift, höchst meisterhaft, aber ziemlich phantasielos der Natur nachgemalt von Dagnan-Bouveret, der auch
ein direkt an Holbein erinnerndes Porträt hat. Aber sein Bauernlümmel ist so wunderbar wahr von Ansdruck,
daß man die Sonnenreflexspielerei durchaus als ungehörig empfindet. Auch von Bastien-Lepage ist ein
trefflich gemaltes Frauenzimmer in roter Jacke und mit recht gemeinen Zügen da, ein Bild, das aber durch
die Feinheit des Studiums ebenfalls einen unbestreitbar großen Wert erhält. Zorn zeigt uns dann das Innere
eines Pariser Omnibus bei Regenwetter, wo die ganz gleichgültigen Passagiere auch wieder zu allerhand höchst
auffallenden Beleuchtungsexperimenten herhalten müssen. Sonst hat es weiter keinen Zweck. Fl ameng giebt dann
nüchtern und leblos eine Taufe im Elsaß, Frau Virginie Demont-Breton eine Badefrau, die ein Mädchen
in der See badet, L. Ximenes eine Hofszene, wo ein sehr verlebter Serenissimus an einer ganzen Reihe von
Bittstellern verdrießlich vorbeihumpelt, nicht ohne Satyre, aber ohne Humor, Agache eine „Fantaisie" getaufte
Dame in Rot, die alles mögliche, nur keine Phantasie verrät, Besnard einen wie immer dem Rubens nach-
geahmten aber gründlich manierierten Frauenkopf, B. Constant eine „Basilissa" getaufte Mulattin, die splitter-
nackt auf einem Thron sitzt und als einziges Kleidungsstück eine Art von Diadem trägt. Courtois bringt
einen sich sehr interessant machenden jungen Maler und Albert Lynch ein junges Mädchen mit Schwertlilien,
das einzige unter den vielen Porträts, das halbwegs unbefangen und natürlich aussieht, da selbst Boldini
diesmal zwei solche brachte, die sich ordentlich in Krämpfen auf ihren Sitzen winden. — Nur der Norweger
Thaulow schildert t>en Winter seiner Heimat in zwei Bildern ganz natürlich und bringt damit eine bessere
Wirkung hervor, als alle diese Produkte einer überfeinerten Kultur.

Aquarelle, Pastelle, Zeichnungen rtr.

Die Arbeiten dieser Art sind in, der Ausstellung leider so verzettelt und untereinandergemischt, daß
es schwer ist, auch nur einen Überblick über dieselben zu bekommen, da sie bald den Ölbildern der einzelnen
Nationen angehäugt, bald in einigen Kabinetten durcheinander mit den deutschen Produkten dieser Art gegeben
werden. Bei diesen letzteren wäre zunächst des Cyklus von Wandgemälden ans Luthers Leben, für das Erfurter
Rathaus von Kämpfer gemalt, zu gedenken. Es sind sehr achtungswerte Leistungen, wenn mau auch die
Jugend des großen Reformators hier, wo wohl nur ein Teil des Ganzen vorliegt, zu auffallend betont und
ihn selber selten recht ähnlich, d. h. so findet, wie ihn Lukas Kranach in unser Gedächtnis eingegraben. Dennoch
 
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