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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 8.1892-1893

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Adelung, Sophie von: Eine Plauderei über Modelle
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https://doi.org/10.11588/diglit.11054#0077

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von s. v. Adeluna

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sie etwas ungemein Würdevolles, Bewußtes und
berichtete oft und gerne, daß sie bei den Herren
Künstlern als Königin gemalt werde. Aus
ihrem Leben mußte sie allerhand wunderbare
Geschichten zu erzählen, bei welchen es ihr auf
ein paar kleine Anachronismen nicht ankam und
freute sich wie ein Kind, wenn ihre Erzählungen
ungläubiges Staunen bei den Zuhörern hervor-
riefen. In ihrer Jugend war sie Kunstreiterin
in Wien gewesen und hatte einstmals das Un-
glück, vom Pferde zu stürzen. Statt aber wie
andre Pechvögel bei ähnlicher Gelegenheit zur
Erde zu fallen und sich Arm und Bein zu
brechen, flog sie geradenwegs in die Loge des
guten Kaisers Franz I. und dem ahnungslosen
Monarchen in die Arme, was ihn zu dem Aus-
ruf veranlaßte: „HätÜ auch nicht gedacht, daß
ein so hübsches Mädel so leicht sein könnte!"
worauf er die Unbeschädigte sehr gnädig mit
einem Goldstück beschenkte. Später wurde sie
Kammerjungfer in einem vornehmen Hause, fiel
aber einmal aus dem Fenster des dritten Stockes,
und obschon sie sich auch da nicht verletzte, so
beendete sie doch nun ihr Dasein im Spital in
stiller Zurückgezogenheit, lebte ihren Erinne-
rungen und trug zuweilen zur Abwechslung den
Königinnenhermelin mit vieler Würde in irgend
einem Atelier.

Am schwersten ist es immer, ein gutes
Kindermodell zu bekommen. Die Mütter haben
ein großes, oft unbegründetes, manchmal aber
nur zu berechtigtes Vorurteil, ihre Kleinen „ab-
malen" zu lassen. Vor der Taufe geht es schon
gar nicht — ganz unmöglich — nicht etwa,
weil es im Atelier zu heiß oder kalt für so
einen jungen Erdenbürger wäre, oder weil es
dort zieht — bewahre! sondern weil ihm dann
ein Unglück zustoßen könnte. Nachher ist das
Kind zu groß geworden und „fremdet", d. h.
schreit und brüllt aus Leibeskräften, sobald man
es nur von Ferne anzuschauen wagt; dann,
wenn es gehen gelernt hat, ist es um keinen
Preis der Welt zu bewegen, ohne die Mutter
allein bei Fremden zu bleiben; die Mutter
aber ist anderweitig beschäftigt; noch späterhin
würde es eitel werden, wenn man es malte,
und dann — kommt die Schule. In größeren Künstler-
städten giebt es aber auch abgerichtete, auf das Mo-
dellsitzen förmlich dressierte Kinder, welche halbe-
stundenlang geduldig in einer Stellung verharren, die
aber dabei nicht selten schon frühe alle kindliche Natür-
lichkeit einbüßen und einen altklugen, ernsten Ausdruck
haben. Das rothaarige Minele, das so ziemlich mein
erstes Kindermodell war, wußte von dem allem nichts.
Es schaute sehr vergnüglich mit seinen blauen Augen
drein, indem es unaufhörlich schwatzte. Es war keine
Möglichkeit ihm beizubringen, daß es ruhig sitzen müsse
und während der ganzen Zeit rutschte es ungeduldig hin
und her. Dem kaum dreijährigen lebhaften Kinde wurde
es unsäglich schwer, auch nur einen Moment stille zu
halten, aber ernstlich böse konnte man dem kleinen Rot-
köpfchen doch nie werden, dazu waren seine Einfälle zu
drollig. „Minele", sagte ich eines Tages sehr ernst nach

„Lriersalamandrr." von lv. Simmler

unzähligen fruchtlosen Bemühungen, meine Studie einiger-
maßen vorwärts zu bringen, „Minele, du mußt jetzt
ruhig bleiben — hörst du?" Minele warf mir einen
prüfenden Blick aus seinen veilchenblauen Augen zu:
schon traten ihm die dicken Thränen in dieselben. Dann
plötzlich zuckte es schelmisch in dem kleinen Gesicht: „Wenn
i amol gschtorbe bin", sagte es triumphierend mit seinem
hohen Sümmchen, „nachher bin i an Engele und guck
vom Himmel runter, dann kannst du mi gar net mehr
male." Und da sollte man dem Kinde böse sein! Ein
andermal zerfloß Minele in bittere Thränen. Die Sitzung
wurde selbstverständlich aufgehoben, Minele geliebkost,
getröstet und beruhigt und nach der Ursache ihres Kummers
gefragt. „I Han amol a kleins Schweschterle g'habt und
dees is g'schtorbe", war die unter Schluchzen hervorge-
brachte Antwort. Natürlich war ich tief gerührt, gab
Minele reichlich Zeit sich zu beruhigen und suchte sie
 
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