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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 8.1892-1893

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Tovote, Heinz: Erika, [1]: Novelette
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https://doi.org/10.11588/diglit.11054#0159

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Feuilleton

120

Aus Eugen Klinisch« SlÜMnbuch

gut, es würde Wohl das einzige bleiben, dafür sei sie
aber auch ihr ganzer Stolz — einen schönen Gruß nach
Haus — danke, er werde es bestellen, man würde sich
sehr freuen ....

Dann hatte Erich mich wieder eingeholt, und war
eine ganze Weile still, lächelte mir eigentümlich vor
sich hin.

Als wir um die nächste Ecke bogen, sah er noch einmal
zurück, und da er merkte, wie ich einen fragenden Blick
auf ihn richtete, nickte er ein klein wenig verlegen mit
dem Kopfe und sagte dann aus vollster Überzeugung:

— Weißt du, das ist ein ganzer Kerl — alle
Achtung, mein Lieber. Vor solchen Leuten Hut ab!

Als ich ihn, nicht eben klüger, fragend ansah, be-
gnügte er sich mit einem vor sich hingemurmelten: Ja, ja!
und ließ es auch ferner dabei bewenden.

Ich forschte nicht weiter nach; eines Tages würde
er mir schon die Aufklärung geben, wenn er in der
rechten Stimmung war.

So redeten wir denn von anderen gleichgiltigen
Dingen bis wir die fünf Treppen der Kleiststraße hinauf-
zuklettern hatten, Erich indem er immer zwei Stufen
auf einmal nahm, während ich ihm gemütlicher folgte.

Droben, nachdem er erst einen Brief, der im Kasten
lag, flüchtig durchgesehen hatte, mußte ich nun meine
Meinung über seine Arbeit abgeben, obgleich aus den
vielen Skizzen und der Kohlestrichelei noch nichts rechtes
ersichtlich war. Ich that es, so gut es eben ging.

Als ich dann gehen wollte, hielt er mich fest.

— Du, bitte, bleib'! Du weißt, ich kann das
Warten nicht leiden, es macht mich nervös, und ich warte
auf mein Modell. Sie muß jeden Augenblick kommen.
Schau mal her, da habe ich neulich eine alte Studien-
mappe gefunden, so von vor fünf, sechs Jahren. Da
sind nette Sachen drin.

Er machte auf dem Tische Platz und schleppte eine
umfangreiche Mappe herbei, in der große und kleine
Kartons in wildester Unordnung sich befanden.

— Blättere die Sachen mal durch, ich bin selbst
noch nicht dazu gekommen, habe nur so hineingesehen.
Wenn ich Muße habe . . .

Er beschäftigte sich mit seinen Farbentuben, und
ließ mich eine Weile allein.

Unter den Studienköpfen, von denen sich eine große
Anzahl oorfanden, fiel mir ein Gesicht auf, das mir be-
kannt vorkam, und das sich oft wiederholte.

Ich wollte ihn, der gerade zurückkam, fragen, als
mir einfiel, woher ich die Züge kannte.

Das war ohne Frage das Modell zu seinem „Mädchen
im Schilf".

Ich verglich die Skizzen, und sagte dann, obgleich
es seiner Versicherung nicht noch bedurfte:

-— Das sind doch Vorarbeiten zu dem Mädchen
im Schilf?

— Zeig mal her. Wahrhaftig. Und die habe ich
vor ein paar Wochen trotz allen Suchens nicht finden
können. Gewiß, das ist mein Modell gewesen.

— Eigentlich ein hübsches Gesicht.

— Wie man's nehmen will. Wenn ein jeder es
so angesehen hätte, wie ich. Das Gesicht war übrigens
das wenigste. Und dann die Haupsache: ein gutes
Mädchen. — Darauf gebe ich nun einmal viel. Ein
bischen Interesse muß bei mir schon vorhanden sein,
sonst kann mir das beste Modell nichts helfen.

— Erfährst du eigentlich je, was aus solchen Mädchen
später wird.

— Selten, aber von der weiß ich's zufällig. Ich
habe sie eben gut gekannt.

Ich lachte ....

— Du lachst, und wenn du damit ausdrücken willst,
daß dieses Kennen einen ziemlich weiten Begriff umfaßt,
so irrst du dich diesesmal nicht.

— Also doch einmal.

— Ja, siehst du, eigentlich erst seit der Zeit ist es
mir znm Prinzip geworden, mich mit einem Modell nie
einzulassen; vor allem nie mit einem Mädchen, das nichts
hat. Denn dann hat man sie heute oder morgen sicher
auf dem Halse.

—- Das ist vorzüglich.

—- Bloß wahr. Nur sich selbst nichts vormachen.
Du weißt ja, wie ich jetzt mit der Gesellschaft um-
springe, möglichst grob. Das sind sie gewöhnt, sie bilden
sich dann nichts ein, und finden bald heraus, daß ich
im Grunde ein guter Kerl bin, zu allem möglichen Un-
fug aufgelegt; aber daß ich es keiner gestatte, mir irgend-
wie zu nahe zu kommen. Na gut, das war von Anfang
an mein Prinzip, nur ist es in der ersten Zeit nicht
immer so ganz eingehalten. Na ja, wenn man jung ist.

Es sind etwa sechs Jahre her, da brauchte ich einen
hübschen Mädchenkopf, ich suchte lange, als eines
Tages so ein siebzehnjähriges Ding kam, das mir gefiel.

Mary hieß sie, wohnte draußen im Wedding, wo
der Vater eine kleine Gärtnerei hatte. Weil im Winter
nicht viel zu thun war, — sie lieferten nur die
Blumen für ein großes Geschäft — und es ihnen der-
zeit herzhaft schlecht ging, wollte sie was verdienen, die
Schwester war seit Jahren Akademiemodell, und die
brachte sie mir eines Tages.

Der hatte ich einmal meine Grundsätze mit aller
Verve proklamiert, und deshalb kam sie mit der Mary
zu mir.
 
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