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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 8.1892-1893

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Pecht, Friedrich: Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.11054#0235

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Rundschau. Vom Herausgeber.

Beamten dabei beteiligt sehen. Ist doch der etwas ver-
lebte Bräutigam selber, der beinahe am Ziele seiner
Bestrebungen, so unerwartet durch das Erscheinen des von
langer Reise zurückkehrenden wirklichen Geliebten um die
schöne Frucht derselben gebracht wird, offenbar ein altem
Adel angehöriger Diplomat, der mit leichtbegreiflichem
Ärger einen jugendlich frischen und mannhaften Bürger-
lichen sich vorgezogen sehen muß. Hier freilich beginnt
die Novelle starke Anforderungen an unfern Glauben zu
stellen, da das weibliche Geschlecht ganz entgegen allen
Romantraditionen in der Wirklichkeit den Offizier oder
Aristokraten fast regelmäßig dem nicht besternten und
nicht uniformierten Bürgerlichen vorzieht, soferne ihm
nur die Wahl bleibt. Es ist daher auch ganz charakte-
ristisch, daß das bei allen sonstigen Vorzügen an dieser
Unwahrscheinlichkeit krankende Bild in Deutschland trotz
seiner Vortrefflichkeit keinen, sondern erst in Nordamerika

die fürstlichen Hochzeiten in den Zeitungen nicht nur von
der „Frau Wurzel vom Viktualienmarkt" verfolgt werden!
Es entspricht das einem natürlichen Instinkt, der ja schon
jede Pflanze nach oben, nach dem Sonnenschein, nach
Licht und Freiheit streben läßt, genau wie die Menschen
auch. — Nur die Ochsen thun das nicht, aber selbst sie
ziehen wenigstens das bessere Futter dem schlechteren vor.
Allerdings haben die Erzähler unter den Künstlern, wie
z. B. Defregger oder Knaus seinerzeit großes Glück ge-
macht mit ihren Schilderungen des Bauernlebens. Die-
selben sind aber entweder rein humoristischer Art, was
unbedingt am zweckmäßigsten bleibt, oder sie geben uns
kleine Idyllen, wenn nicht Bilder des Aufstrebens zeigen,
wie sich Einer oder Eine durch natürliche Vorzüge
glücklich emporarbeitet. „Unglücksfälle" zu schildern, ist
immer gefährlich, so gut als durch rein geistige Über-
legenheit wirken wollen, da man sie selten begreiflich

^ V ..

Aus I. lDenglrins Skizzenbuch. (Überschwemmte Inn-Riederung.)

einen Käufer fand. Der Maler hatte offenbar sein, alle
künstlichen Schranken und Standesunterschiede nicht-
achtendes Liebespaar im Gegensatz zu der glänzenden
Welt rundum stellen und es bloß den Forderungen des
Herzens folgend zeigen wollen, aber gerade hier fangen
wir sofort an zu zweifeln.

Damit kämen wir nun auf die vielumstrittene Frage
der Zweckmäßigkeit des Geschichtenerzählens auf Bildern
überhaupt. Ist es doch ganz charakteristisch, daß unsre
angeblich so demokratisch gesinnte Zeit in Litteratur wie
Kunst eine ganz merkwürdige Vorliebe für die Aristo-
kratie der Geburt und selbst noch, obwohl sehr viel
weniger, für die des Geldes, jedenfalls aber für den
Luxus aller Art entwickelt und die Freuden des Prole-
tariats nicht einmal gemalt genießen mag. Man sehe
nur auf unfern Ausstellungen, welchem Widerwillen die
Schilderungen desselben durch unsre neueste Malerschule
beim Publikum begegnen, mit welchem Anteil dagegen

machen kann, wie denn der Christus des Tizian im Zins-
groschen ziemlich allein steht, und der kluge Maler ihn
nicht nur geistvoller sondern auch sehr viel schöner ge-
macht hat, als seinen arglistigen Gegner. Denn wenn
irgendwo, so glaubt man auf Bildern nur das, was man
sieht.

Hat nun auf unserm der Maler mit vollkommen
richtigem Gefühl wohl einen jungen und frischen Mann
über einen älteren und verlebten siegen lassen, so wird
das einem doch nicht so augenblicklich deutlich, als wenn
er ihn z. B. als jungen tapfern Offizier aus dem Feld-
zug hätte zurückkehren und dem alten Diplomaten die
schöne Beute entreißen lassen, wo er denn sofort alle
Frauenherzen im Vorneherein für sich gewonnen haben
würde, die jetzt zwischen glänzender Uniform und schlichtem
Zivilrock unentschlossen hin- und herschwanken. Denn
nirgends mehr als in der Liebe gilt das „Gleich und
gleich gesellt sich gern!"
 
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