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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 8.1892-1893

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Vincenti, Carl Ferdinand von: Die XXII. Jahres-Ausstellung im Wiener Künstlerhause, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11054#0299

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Die XXII. Iahresausstellung im Wiener Künstlerhause. Don Karl v. Dincenti.

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Stiminungserreger im Blute mitbriugt, den umwittert ein
tiefes Klingen und überkommt die Stimmung. Und dies ist
für ihn das Richtige, Einzige. Was er von der Kunst vor
allem und beinahe allein verlangt, ist Stimmung. Giebt sie
ihm dies, dann fragt er nicht viel nach dem „wie", mag
es auch gesucht gegeben sein, wie manches auf dem
Dettmann'schen Bilde. Die gemeine Deutlichkeit der Dinge
widerstrebt ihm, er wünscht, daß ihm etwas zu erraten
bleibe und freut sich, wenn er aus dem Beiläufigen das
Richtige herausempfunden hat. In dieser Befriedigung

Es fehlt der Ausstellung in Frommgemaltem nicht
an Gegenstücken. Der Marien-Cyklus des Krakauers
Stachiewicz, Stauffers durch liebevoll gemalte Bild-
nisköpfchen anmutende Flügel zu dem bekannten Canon'schen
Votivbilde aus gräflich Wilczek'schen Besitze, Veiths mit
sichtlicher Begeisterung und frohem Schönheitsgefühl ge-
maltes Cäcilienbild, das uns den Künstler in kräftigem
Aufstieg zeigt, die reizvolle, freilich etwas kokette Madonna
von Otto Seitz, das mit wahrer, schlichter Innerlichkeit
sich gebende Abendmahlbild Franz Zimmermanns,

Ccinova. von Marcius-Simoiis.

liegt ein guter Teil vom Erfolge dieser malenden
Stimmungskunst, welche einerseits auf die natürlichen und
berechtigten Hilfsmittel der Malerei verzichtet, um ander-
seits auf das Gebiet der Musik überzutreteu. Zweifels-
ohne gehört eine starke, künstlerisch-individuelle Veran-
lagung dazu, um mit solcher Kunst zum Beschauer zu
sprechen, aber nur wenige werden diese Sprache verstehen.
In anderer Weise hat sichs Dettmann auf einem zweiten
großen Bild „Rückkehr des verlorenen Sohnes" für die
Stimmung bequem gemacht. Der Heimgekehrte liegt über
dem Grabe der Seinen verzweislungsvoll hingeworfen;
sein Gesicht sieht man nicht, dafür erzählen die Hände
von Reue.

Benlliures hagere liegende von Rosen umkränzte Heiligen-
gestalt des Franz von Assisi (Tempera) — sie alle stehen der
Dettmannschen Vortrags- und Ausdrucksweise gegenüber.
Neu war mir Stachiewicz. Sein Werk, welches in zehn
Bildern (grau in grau) „Vokkssagen von der Mutter
Gottes" in ebenso poetisch-sinniger als malerisch-reizvoller
Weise zusammengefaßt, ist eine Zierde der Ausstellung,
in Forni wie Farbengebung — die mit feinster Empfindung
behandelten grauen Töne sind hie und da durch andere
Töne unterstützt — tadellos. Es ist deutsche Innigkeit
und französische Anmut in den Gestaltungen des polnischen
Künstlers, in welchem ein Stück von der schmerzlichen
Poesie Grottgers lebt. Mariagestalten wie die hier im
 
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