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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 8.1892-1893

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Feldmann, Siegmund: Die Pariser Salons, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11054#0371

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Oon Siegln. Feld mann.

2YZ

Zweck mag man ihm seine summarische Ana-
tomie verzeihen. Jedoch mit der Kompo-
sition kann man nicht so nachsichtig sein.

Die Anordnung der Gruppen in der fries-
artigen Form war freilich nicht leicht, aber
mit einem Funken Phantasie hätte sich das
Ganze doch beleben lassen. Nicht eine
einzige interessante Figur tritt in dem Ge-
wühle als mildernder Umstand auf, und
selbst die Farbe ist schwächlich. Dieser Mun-
kacsy ist ein Brozik zweiter Güte. Ich will
damit nur die Arbeit kennzeichnen und keines-
wegs Herrn Brozik nahetreten. Seitdem
er seine historischen Hermelinmäntel und
Königskronen in der Garderobe abgegeben
und sich der Natur zugewendet hat, ist dieser
Künstler erheblich gewachsen. Seine hübsche
„Heimkehr vom Felde" ist ein neues Zeugnis
dafür. Sie erinnert an Jules Breton,
dem es, nebenbei bemerkt, sehr zum Vor-
teil gereichen würde, wenn er sich wieder
entschlöße, auch die Farbe au Ort und Stelle,
anstatt im Atelier zu studieren. Seine beiden
Bilder leiden darunter. Ich bin nicht blind
für die großen Vorzüge Bretons, nachgerade
wird er mir aber doch etwas zu sentimental.

Zu der bunten „Weihnachtspute" könnte
Ottilie Wildermuth den Text schreiben, und
im „Bittgang" — noch ein Bittgang! —
zeigt er uns fromme Dorfleute, die mir
frommen Gesichtern zu einem frommen Gna-
denorte wallen. Die Seele schwingt sich
zu Gott und der Leib hüllt sich in die reiche Volkstracht
der Bretagne. Das ist rührend und voller Knöpfe.

Die Nummer Eins im Jndustriepalast beansprucht,
schon wegen des Umfangs, „Karl der Kühne in Nesles"
von Ferdinand Roybet, der sich, allen Warnungen
zum Trotz, diesesmal durch unvorsichtiges Malen richtig
die Ehrenmedaille zugezogen hat. Sie sei ihm vergönnt.
Karl der Kühne reitet zwar, vermutlich um am Militär-
etat zu sparen, nur auf einem halben Pferd, aber in
dem Bilde steckt nichtsdestoweniger ein gewaltiges Stück
Arbeit, die wenigstens in Einzelheiten fruchtbar wurde.
Das Ganze ist zu wüst, um einen Eindruck hervorzu-
rufcn, der im Verhältnisse zu der großen Mühe stünde.
Der Burgunderherzog, dessen Grausamkeit gefürchtet ist,
sprengt nach Einnahme der Stadt in die Kirche von
Nesles, in der alle Frauen, Kinder und Greise Schutz
gesucht haben, und läßt erbarmungslos alles niedermetzeln.
Andere, die sich auf die Empore des Chores geflüchtet
haben, werden über die Brüstung auf die Leichenhaufen
gestürzt, die sich bereits unten aufzuschichten beginnen.
Diese durch die Luft fliegenden Figuren scheinen den
Künstler besonders gelockt zu haben. Das Beste an dem
Bilde, die Farbe, ist leider eingeschlagen. Ein zweites
Gemälde Roybets: „Galante Reden" ist viel vergnüglicher.
Der Trompeter in der Schänkstube ist ein Prachtkerl
und die ein Huhn rupfende Magd, der er so verführerische
Dinge vorschwatzt, hat sich direkt aus einem Jordaens
hierher verirrt. Seien wir milde. Jordaens kann die
eine Figur verschmerzen und Roybet leistet sie vortreffliche
Dienste.

Auch sonst herrscht kein Mangel an großen historischen

Ein Telegramm, von L. Mar-Lbrler.

Große Berliner Kunstausstellung 1895.

Photographie-Verlag der Photographischen Union in München.

„Maschinen", wie man hier sagt. Eine solche Maschine
ist die Leinewand von Louis Chalon, auf der ein
chinesischer Mandarin, mit einer Rose spielend, spazieren
geht. Dieser Mandarin ist die schöne Helena, der
Jammer rings um sie herum bedeutet die Zerstörung
Trojas und das Ganze stellt die schonungslose, sieghafte,
vernichtende, souveräne Liebe dar. Wer das erraten
könnte! Aber Chalon ist nicht der Einzige, der uns mit
Rätseln plagt. Immer stärker setzt sich in den Köpfen
der französischen Maler der Größenwahn fest, daß sie
uns „Gedanken" schuldig wären, und mit jenem Wage-
mute, der die Unbildung kennzeichnet, ergreifen sie die
Palette, um uns Dinge zu sagen, die alle Philosophen
der Welt zu ergründen, alle Dichter auszudrücken nicht
stark genug sind. Das hängt mit dem Neo-Mysticismus
unserer Zeit zusammen, der in die Malerei unter aller-
hand dunklen Symbolen eine unverstandene Wissenschaft-
lichkeit oder einen unverstandenen Glauben einzuschmuggeln
trachtet. Für beide Gruppen dieser geistigen Entartung
bietet der Salon diesesmal so zahlreiche Beispiele, daß
Max Nordau seine Freude daran haben muß. Die
Einen stellen in wahnsinnigen Rebussen schöpfungs-
geschichtliche Ergebnisse dar, die andern, die Mehrzahl,
schöpft in den apokryphsten Schriften der christlichen
Lehre oder sinnt selber apokalyptische Hirngespinste aus.
Unter den erstem thut sich H. E. Delacroix mit
seinem „Kampf unis Dasein" nach Darwin hervor. Er
setzt, um ja keine Zweifel über den Gegenstand seines
Werkes aufkommen zu lassen, Darwins Satz von der
Vernichtung der Schwächer» durch die Stärkern auf den
Rahmen und drüber hin, auf die Leincwand, eine
 
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