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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 9.1893-1894

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Heilbut, Emil: Eindrücke von den Pariser Salons, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11970#0394

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310

Eindrücke Kon den Pariser Aalon^.

von Dermal! Delferich.

er Salon der Champs Elysees unterscheidet sich von
dem Salon des Marsfeldes ungefähr ebenso wie
sich in München die Ausstellung im Glaspalast und die
Ausstellung der „Secession" unterscheiden. Die Unter-
schiede zwischen einer Malerei, die durch ihre Gegen-
stände interessieren will, und einer Malerei, die haupt-
sächlich nur für Künstler wirkt, treten zu Tage. Auch
äußert sich das Publikum ganz so, wie wir es aus-
sprachen; denn während der alte Salon, der Salon der
Champs Elysees, von Besuchern überfüllt ist, kann man
sie im Salon des Marsfeldes zählen. Nur eins ist

SrlbstporkrLk. von Seo Sam berge r.

Intern. Kunstausst. 1694 d. Vereins bild. Künstler (Secession) zu München.

in Paris anders: die enorme Wirkung auch auf Künstler,
die im Münchner Glaspalast der Separatsaal Lenbachs
übt — einer derartigen Enklave kann sich der Salon
der Champs Elysees nicht rühmen.

Von jenen immerhin zahlreichen Personen in
Deutschland, die noch nie einen Aufenthalt an der Seine
genommen haben, wird der jährliche Salon der Champs
Elysees gemeiniglich überschätzt. Gewiß ist Paris eine
Stadt von unvergleichlichem Interesse für jeden Kunst-
freund; daß der Kunstfreund aber das Höchste seiner
Ziele im Salon der Champs Elysees findet, ist ein
Mythus. Mehrere Umstände haben dazu beigetragen,
den alten Salon jetzt etwas zu entwerten. Abgesehen
von der im idealen Sinne erfolgreichen Konkurrenz
des Marsfeldes, die nicht allein im eigentlichen Gebiet
der Bilder, sondern auch in einer Neubescelung des
Kunstgewerbes ihre Triumphe feiert, ist die allgemeine
gegenwärtige Entwickelung dahin gekommen, daß die
großen Ausstellungen in Paris jetzt nur abschwächende

Wiederholungen von dem geben, was die kleineren Aus-
stellungen gewähren.

Der Salon des Marsfeldes hat sich besser als der
der Champs Elysees mit diesen veränderten Bedingungen
abgefunden. Er hat sich ihnen mit der Elastizität, die
die Jugend giebt, anbequemt. Im Marsfeld stellt jeder
Künstler für sich aus, seine Bilder bilden eine Einheit.
Und trotzdem schon hierdurch wir Beschauer vor allzu-
großer Ermüdung behütet werden, wird die Ermüdung
auch ferner so viel als möglich ausgeschlossen durch
die im Salon des Marsfeldes ganz erheblich kleinere
Zahl der Bilder. Endlich aber, damit man, wenn
die Ermüdung doch kommt, wenigstens in künstlerischer
Umgebung ausruhe, sind im Salon des Marsfeldes
die dekorativen Vorbereitungen, die Wände, die Teppiche
in der Eingangshalle, die zu den Skulpturen führt, in
einer eben so verfeinerten Sinnesart gewählt worden,
wie im Salon der Champs Elysees in einer banalen.

Wie gesagt, giebt das größere Publikum dennoch
noch immer dem Salon der Champs Elysees den Vorzug.
Die Bilder, die erzählender Natur sind, fesseln eben
so sehr viel stärker. Alle diese Militärbilder, dann die
Bilder aus der napoleonischen Zeit, dann Bilder aus der
Geschichte und spannende Gemälde aus der Gegenwart —
mit einem solchen Programm kann der Salon des Mars-
feldes nicht hervortreten.

Aber der künstlerische Wert dieser Bilder ist gering
anzuschlagen. Im Hauptsaal hängt Bild an Bild von
ebenso reichem stofflichen, wie geringem künstlerischen
Interesse. An sensationell Gedachtem fehlt es auch nicht;
da sieht man „Opfer der Pflicht", nämlich Feuerwehr-
männer, die bei einem Brande verunglückt sind, wie sie
durch die ehrfurchtsvoll das Haupt entblößende Menge
getragen werden. Das Publikum vor dem Bilde ist
fast ebenso zahlreich wie auf dem Bilde. Ein anderes
Sensationsbild zeigt der andächtig davor gruppierten Zu-
schauerschaft gar ein auch in sittlicher Beziehung unschön
wirkendes Bild: ein Ehemann, seine Frau und ihr Lieb-
haber sind in einer Weise komponiert, daß Wahnsinn,
Tod und Verzweiflung gemalt werden.

Aber ein sehr merkwürdiges Bild fesselt in der Mitte
des Hauptsaales. Hier hat Rochegrosse ein parsifal-
artiges Bild ausgestellt: den Ritter zwischen den Blumen.
Auf dem Rande des Bildes steht in gotischen Buchstaben:
rls preclestine, revetu cke ln s)-mb>oli<gue armure ck'arAent,
vn vero l'ickee, inscmcieux cles nppels cke In via.«*)
So sieht man ihn denn, den Ritter in silberner Rüstung,
auf dem Felde stehen, wo die Blumen sprießen. Die
Sonne lacht, die Blumen öffnen sich und unter jeder
aufgeblühtcn Blume blickt ein Mädchen gesicht hervor,
so zwar, daß unter den Blättern und dem Kraut weithin
auf dem Felde Gesichter von weiblichen Erscheinungen
hervorlugen. So hell glänzt die Sonne, in solchem
Widerschein der Sonne glänzt das Feld, daß des Ritters
Rüstung, die arrnure ck'arAent, in den excentrischsten

*) „Der Vorbestimmte, mit der symbolischen Rüstung von
Silber angethan, geht auf die Idee zu, unbekümmert um die
Lockungen des Lebens."
 
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