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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 9.1893-1894

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Schulze, Otto: Die Kunst im Hause
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https://doi.org/10.11588/diglit.11970#0425

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Die Kunst im Hause.

235

die Anschau-
ungen andrege-
worden, und
wenn wir an der
einen Stelle
Freilicht-
malerei haben,
so ist an der
andern die
schönste Pan-
scherei in unbe-
schreibbaren
moderiqenFar-
ben. In
Deutschland
gährt es schon
lange behufs
Durchführung
einer einheit-
lichen Nutzbar-
machung der
Natursormen
für stilistische
Zwecke. Ja-
kobsthal, Böt-
ticher, Herdtle,
Fischbach,Flin-
zer, Maseru, a.

Tapetenindustrie hat keinen Segen davon
gehabt, ihr war in der Pflanze zu wenig
geboten — das Ausland hat dagegen mit
allen Fingern danach gegriffen.

Möge die nunmehrige Reife des Meurer-
schen Planes deutschem Kunstgewerbefleiß
zu Nutz und Frommen gereichen, bevor
eine schlauere, kaufmännisch böher veranlagte
Nation wieder das Fett abschöpft. Ich führe
die jetzige englische Stilbewegung nicht auf
ein ähnliches Vorgehen wie in Deutschland
zurück, sondern auf eine erneute originelle
Ausbeute der bereits früher gehobenen Schätze
italienischer Webekunst des 14. bis 16. Jahr-
hunderts und süddeutschen und Tiroler spät-
gotischen Ornaments. Das bekannte Leder-
tapetenmuster der Albrecht Dürerschen Schule
um 1520 (s. Jll.) ist ganz in demselben Geist
durchgesührt als die heutigen Arbeiten eines
Engländers Walter Crane. — Der wieder-
holte orientalische Einfluß in der englischen
Flachmusterei geht aus das indisch-persische
Ornament zurück; die indischen Fleischtöpfe
laden immer wieder zum Schlecken ein. Daß
wieder alle erdenklichen Tiere, Fabelwesen
und Menschen in den Tapeten der englischen
Musterzeichner herumkrabbeln, deutet auf
die oben erwähnte Anleihe. Der Deutsche

Lanze dafür
gebrochen,
und Gerlach
und Schenks
großes Werk:
Die Pflanze
in Kunst
und

— eine der ein
schneidendsten
Publikationen
der letzten 10
Jahre — hat
uns mit den
stilistischen An-
schauungen

Brosamen zu leben, die von der Herren i Prof. Anton Seders bekannt gemacht. Beson-

haben manche hätte zu solchen gewagten Dingen gar keinen

islilisirrle Blüte der LairrpLirialL irisclls. Von Ul. Ul eurer.

Tische fallen.

ders ist es aber Prof. M. Meurers Riesen-

Als ich 1888 die Kopenhagener Aus-. arbeitsplan, der die Gemüter bewegt aller
stellung besuchte, brillierte Frankreich ledig- Nationen, und mit geteilten Empfindungen
lich mit den Erzeugnissen seiner Staats- ^ verfolgt man dessen reformatorische Be-
manufakturen Sövres und Beauvais, und strebungen für eine dogmatische Grundlage
zwar mit Stücken die teils 5, 6, sogar 10 zur planmäßigen Stilisierung der Natur-
und 12 Jahre auf dem Rücken hatten! ich formen. Tausenden hat das schöne Werk:

i Mut — und schön ist es auch sicher nicht,
einige Dutzend Pfauenhähne oder ebensoviel
Engel — männliche und weibliche — als
Tapetenmuster täglich um sich zu haben.

Es muß ja doch schließlich etwas in den
Zimmern auf Ruhe abzielen, und diese er-
warte ich bei allem sonstigen Farbenreichtum
Gewerbe I doch mindestens in der Wand. Da lasse
ich mir doch noch mit gutem Gewissen unsre
heutige deutsche „blumige" Richtung ge-
fallen, aus der die lebendige Tapete ver-
bannt ist. Wenn ich schon tadeln soll, dann
mache ich unsrer Tapetenindustrie den Vor-
wurf, daß sie zu oft vergißt: Papier als
Grundmaterial vor sich zu haben; sie imi-
tiert mehr Stoffe, als daß sie Tapeten
fertigt. Und hierdurch geraten die Papier-
tapeten in Muster, Farbe und aufgewendeten
Mitteln viel zu üppig. Die Preise schwanken
heute zwischen 11 Pfennig und 26 M. für
die Rolle.

Die Tapete, im engeren Sinne die
Papiertapete, ist für die Wohnungs-
ausstattung von grundlegender, einschnei-
dender Wichtigkeit. Die Wand soll den

war sprachlos — die Sache hatte entschieden j „Die Pflanze" Anregung und Förderung
Witz, werwill, kann dafür „Selbstüberhebung" gegeben, nur die deutsche Gewebe- und! Hintergrund, die Folie abgeben für die
setzen — das kleine Dänemark hat nachdem vie l
französisiert, obgleich ihm die Kunstleistungen ^

Rußlands, Norwegens und Schwedens
„nationaler" gediehen wären. Deutschland ^
war leider zu „schlapp" vertreten, München
mit seiner Deulsch-Nationalen Ausstellung
mußte bedient werden, und als ich die sah,
war ich in etwas versöhnt. Seitdem ist aber
auch Stillstand.

Sonderbar — alle Augenblick bekommen
wir einen zarten Wink; bald ist es Amerika,
bald England oder auch Frankreich, uni für
unsre Wohnungsausstattung als Muster zu
gelten — nach unserm eigenen Kopf geht
es selten. Und wenn wir uns die ganze
Sache bei Licht besehen, so ist doch schließ-
lich „alles schon mal dagewesen". Deutsch
ging es über den Ozean, und als echt
amerikanisch kam es zu uns zurück. Jede neue
Generation lauscht der Natur neue Eigen-
tümlichkeiten ab, erfaßt die Erscheinungen ganz
anders als wie sie von den Menschen frühe-
rer Zeiten hingenommen wurden. Seitdem
sich Kunst und Kunstgewerbe schieden, sind auch

Horixontalr Teilbordürr (Lreppenhauskaxekr). von Otto Schulze.
 
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