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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 9.1893-1894

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Der Amateur-Photograph
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https://doi.org/10.11588/diglit.11970#0466

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Die Ästhetik der photographischen
Aufnahme.

von Or 2l. Miethe (Rathenow).

/^in beliebtes Gebiet des Amateurphoto-
graphen ist die Aufnahme von Gruppen
und Genrebildern im Freien. Hier häufen!
sich die Schwierigkeiten schon in erheblich j
größerem Maße. Wem sind nicht jene ent- i
schlichen Amateurbilder bekannt, auf denen!
eine Anzahl von Personen in möglichst un-
malerischem Nebeneinander dargestelll ist?
Will man eine Gruppe aufnehmen, so muß ^
man vor allen Dingen dafür Sorge tragen,
daß das Bild abwechslungsreich wird. Das
Aufstellen der Personen in einem schön ge-
schwungenen Bogen, so daß alle gleich groß
und alle in gleicher Stellung dargestellt
werden, hat vielleicht im Atelier eine gewisse
Berechtigung, im Freien wirkt etwas der-
artiges geradezu abstoßend. Die freie Natur
ist der Platz der freien Bewegung und da-
her sollte man eine Gruppe im Freien nie-
mals in jener stilisierenden Art und Weise
darstellen. Wenn man eine Gruppe auf-
stellen will, so suche man im Bilde vor
allen Dingen den Eindruck zu erzeugen,
daß sich während der Aufnahme irgend ein
Vorgang unter den Ausgenommenen ab-
spielte. Es muß eine Thätigkeit der Per-
sonen zum Ausdruck kommen, denn die
Gruppe im Freien soll etwas anderes sein
als eine bloße Anhäufung von einzelnen
Bildern. Man fingiere, falls man nicht!
ein Momentbild der wirklich bewegten Fi-
guren aufnehmen will, irgend eine Situation.
Man nehme die Personen bei irgend einer
Thätigkeit auf. Es ist hier der Phantasie j
viel Spielraum gelassen, ein Lagern am
Wege oder am Waldcsrande, ein Kafsee-
tisch, ein Herabschreiten von einer Treppe,
gruppenweise Unterhaltung, Ball- oder!
andere Spiele bieten Motive aller Art, um
interessante und hübsch arrangierte Gruppen
zu stellen. Am besten ist es, überhaupt
nicht zu stellen, sondern die Gruppe in
voller Bewegung mit Hilfe des Moment-
verschlusses bei gutem Licht aufznnehmen.
Das Gleiche gilt von Genrebildern. Es
giebt zwar Amateure, welche meisterhafte
Genrebilder zu stellen wissen, aber sie sind
gezählt. Der Anfänger wird auf diese Auf-

Maschfchiss am Mainzer Rheinuser.

nahmen unbedingt verzichten müssen, er
wird gut thun, seine Genrebilder der Wirk-
lichkeit zu entnehmen und niemals eine
derartige Aufnahme mit dem Stativapparat
zu machen, sondern stets mit der Hand-
camera. Die Handcamera bietet ein un-
schätzbares Mittel, Material dieser Art zu
sammeln. Die Möglichkeit, ohne Wissen der
Aufgenommenen eine Aufnahme zu erzeugen,
erleichtert diese Arbeit auf das allererheb-
lichste, und gerade das Gebiet der Genre-
aufnahmen ist speziell das Feld für die
Handcamera. Natürlicherweise kann man
nicht mit der Absicht ansgehen, dieses oder
jenes Bild zu suchen. Man muß nehmen,
was man findet, und zwar muß man nicht
alles nehmen. Man muß sich nicht be-
mühen, möglichst viele Bilder zu machen,
sondern man muß mit weiser Auswahl
weniges zu erlangen suchen, denn das End-
ziel der Photographie ist ja bekanntlich nicht
das Verbrauchen von so und so viel Platten
in wenigen Stunden, sondern das Erzielen
sehr guter Bilder, welches auch auf die
Dauer Freude macht. In Bezug auf die
Genrcaufnahmen mit der Handcamera ist
noch zu bemerken, daß man nicht leicht die
Schärfe an die Stelle bekommt, an welcher
man sie haben will; hier macht erst lange
Übung den Meister. Im Anfänge thnt
man gut, das Objektiv auf eine bestimmte
Entfernung einzustellen und dann zu warten,
bis sich die zu photographierenden Gegen-
stände in dieser Entfernung gerade befinden.
Die besten Resultate wird man bei geringer
Übung stets dann erhalten, wenn man die
bewegten Objekte auf sich zukommen läßt
und im passenden Moment die Aufnahme
bewerkstelligt. Viel schwerer ist es, sich selbst
solchen Objekten zu nähern und dann im
richtigen Moment durch plötzliches Still-
stehen eine scharfe Aufnahme zu erzielen.

Bei Gruppenaufnahmen ist auch noch
auf etwas Rücksicht zu nehmen, nämlich auf
die sogenannte perspektivische Verzeichnung
der photographischen Objektive. Wenn man
mit einer Linse von verhältnismäßig kleiner
Brennweite, z. B. mit einem Weitwinkel
eine Gruppenaufnahme macht, so wird man
stets finden, daß nur die in der Mitte
des Bildes befindlichen Personen natur-
wahr dargestellt sind. Gegen den Rand
hin macht sich eine eigentümliche Erscheinung
geltend, welche davon hcrrührt, daß die
photographische Platte eine Ebene ist. Die
Figuren gegen den Rand hin werden stets
in die Breite gezogen erscheinen. Es gilt
dies natürlich nicht nur von Personen,
sondern von allen körperlichen Gegenständen.
Die Regel ist daher, daß man, falls man
auf eine korrekte Zeichnung Gewicht legt,
Objektive von verhältnismäßig langer Brenn-
weite anwendet, mindestens einer Brenn-
weite, die gleich der Diagonale der ange-
wandten PDte ist, und daß man vermeidet,
Gegenstände, welche einer genauen Zeich-
nung bedürfen, an den Rand des Bildfeldes
zu bringen.

Ringelrrihe.

Büchcrschsu.

vr. A. Miethe. „Grundzüge der Photo-
gravhie". Eleg. kart. 1 M. (Halle, W. Knapp ) Auf
83 Oktavseiten giebt der als Redakteur dieser Abtei-
lung unseren Lesern seit Jahren bekannte vr. Miethe
eine kurzgefaßte Anleitung zur Amateurphotographie.
In 13 Kapiteln: 1. Apparate. 2 Linsen. 3. Aufnahme,
-1/7. Entwickelung, 8. Positive, 9. Momentaufnahme,
10. Vergrößerung, 11. Farbenempfindliche Aufnahmen.
12. Ästhetische Bemerkungen, 13. Blitzlichtaufnahmen
wird geschickt und prägnant geschildert, was ein
Amateur wissen muß. Besonders wertvoll erscheinen
uns die in der 12. Abteilung gegebenen ästhetischen
Anleitungen, die wir allen Dilettanten zur aufmerk-
j samen Lektüre anempfehlen können. Nebenstehend
bringen wir einen Abschnitt aus dem Kapitel 12 des
Büchleins zum Abdruck.

Verantwortlicher Redakteur dieser Abteilung:

SÜK MS

L. v. LLSLL

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vtdaktioastchlllß 9. AuanS — Ausgabe 23. AuauK 1894.

Inhalt des dreiundzwanzigsten Beites:

Tert: Herman Helferich. Tie Londoner
Sommerausstellungen' — N. I. N. Zu Rudolf
Geißlers Bildercyklus: „Bon dem Fischer und syner
Fru". — Arthur Fitger. Distichen. — Paul
Schumann. Die akademische Kunstausstellung
in Dresden. — Personal- und Ateliernachrichten rc.
Der Dmatenr-Z'lioLograpk: vr. A Miethe.
Die Ästhetik der photographischen Aufnahmen. —
Bücherschau. Vikderbeifagen: Julius Adam.
Beim Photographen. -- Fritz v Uhde. Kinder-
prozession. — Karl Boebme. Ausblick. —
Adolf Hering. Ein süßes Geheimnis.

Verantwortlicher Redakteur: Fritz Schwär tz. — Druck der Bruckmann'schen Buchdruckerei in München.
 
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