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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 10.1894-1895

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Theodor Horschelts Erlebnisse vor Straßburg (1870), [2]
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EHeodor HorscheltF Erlebnisse vor Htruszburrl (1870).

(Schluß aus dem vorigen Hefte.) Nachdruck verboten.

gange in dieselben ließen wir unsere Pferde zurück, leidlich
gedeckt durch ein paar Häuser; dann drückten wir uns,
— da der Feind stets den Eingang der Laufgräben im Auge
hat — durch einen halb zerstörten Garten und an Hecken,
Balken, Mauerwerk und anderem zerschossenem Zeug vor-
über, um durch einige siebartig durchlöcherte Eisenbahn-
Maschinenhäuser zu sehen, von wo aus sich dann der Boden
bald aufthut, und man in die Laufgräben eintritt. Straßburg
lag in Hellem Sonnenschein vor uns, unendlich nieder
und langgestreckt erscheinend im Verhältnis zu dem
riesigen aus dessen Mitte aufsteigenden Münster. Auf
demselben sitzt ein Beobachtungsposten, dem nichts ent?
geht, und der mit allen Batterien der Stadt in tele-
graphischer Verbindung steht. Wir waren auch noch
nicht bis zu den Maschinenhäusern gekommen, so hatte
er uns schon entdeckt (so sagte nämlich mein Begleiter)
und schickte uns zwei Shrapnels zu, die krachend aus-
einander platzten, ohne uns jedoch zu erreichen. In den
Laufgräben, es ist hier lauter Lehmboden — war es
furchtbar naß, schmutzig und plätscherig zu gehen, da es
viele Tage hinter einander geregnet hatte. Die Soldaten,
welche hier Tag und Nacht zum Schutze
der Batterien im Freien verbringen müssen,
hatten sich in die Seitenwände der Gräben
Löcher der verschiedensten Art und Form
gehauen, in welchen sie kauerten, um sich
vor dem Regen oder nassen Boden zu
schützen; lauter kleine Höhlen neben ein-
ander, so daß inzwischen immer eine Art
Säule stehen blieb — freilich Säulen des
primitivsten Stiles. — Da lagen sie
drinnen, gleich Gipsfiguren in Nischen,
oder auch wie Figuren eines Hautreliefs
in gerundeter Wölbung. Manche hatten
auch noch ein paar Stäbe oder Stangen in
die Mauer getrieben und irgend einen
Fetzen darüber gehangen, der sie die Nacht
über noch besser vor dem Regen bewahrte.
Die armen Leute selbst waren mit einer
Lehmkruste förmlich überzogen und freuten
sich jetzt der warmen Sonne. Viele schliefen
noch in den unbequemsten, abenteuerlichsten
Stellungen in ihren Löchern;*) andere
hatten dieselben verlassen und benutzten
nun diese Räume als Herd, um sich eine
Kleinigkeit zu kochen. Gestern soll da auch
so ein armer Kerl gebückt vor seinem
Herde gestanden sein und Kaffe gekocht
Haben, als eine Bombe in den Graben
fiel und ihm ein bedeutendes Stück eines
unaussprechlichen Teiles wegriß. „Siehst
Du", sagte sein Nachbar ganz ruhig, „det
kömmt von det ewige Kaffeekochen!" —
Die erste Batterie, an welche wir kamen,
war die der sogenannten Riesenmörser.
Eben wurde fleißig gefeuert und in un-

Szene darstellendes großes
Aquarell hat Horschelt alsbald nach seiner Rück-
kehr vollendet.

Den 23. September 1870.

2 Uhr morgens bin ich aus den Trancheen zurück-
gekehrt. Nach allem scheint es, kann sich Straß-
burg nicht länger als vierzehn Tage halten. Draußen
krachen inzwischen unsere Batterien in einem fort Tag
und Nacht. Der Liebenswürdigkeit des Majors von
Grolmann verdanke ich es allein, so viel Interessantes
sehen zu können; natürlich mußte er zuvor die Be-
willigung des höchstkommandierenden Generals von Werder
einholen. Bis zur Stunde wohne ich bei Grolmann,
schlafe niemals im Freien, sondern immer im Bette,
respektive auf einem Strohsack — wie alle Offiziere,
selbst der General, da die armen, dummen Menschen
hier alles ihr bestes Zeug, als Betten u. s. w. vor
Ankunft der Preußen nach Straßburg gebracht und dort
das Theater damit vollgestopft haben, welches indessen
durch unsere Bomben in Brand geschossen und mit seinem
ganzen Inhalte in Flammen aufgegangen ist.

Am 19. September, morgens 7 Uhr, ritt ich mit
Hauptmann v. Friedeburg nach den Trancheen oder
Laufgräben. Ein Paar hundert Schritte vor dem Ein-

Studien. von Julius Adam
 
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