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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 10.1894-1895

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Gurlitt, Cornelius: Max Klinger, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11055#0090

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Mar Klinger. von Lornelius Gurlitt.

Ich ging weiter. Ein Atelier, dachte ich, ist ja ziemlich leicht als solches zu erkennen; er muß sich
also wohl finden lassen. Aber endlich blieb ich stehen: Ich war wohl eine Viertelstunde weit über das Depot
hinausgegangen, ohne etwas Passendes zu finden. Plagwitz hörte aufl

Ich frug bei einem der Fabriks-Pförtner.

„Klingerl Klingerl — Den giebt's hier nicht!"

Ich frug zurückwanderud beim nächsten. — „Ist mir unbekannt I"

Hans für Haus forschte ich weiter. Endlich ein Trost — das XXII. Polizeiamt der guten Stadt
Leipzig meldete sich durch ein Wappenschild.

Ich trat ein und frug wieder. Der Beamte sah mich fest an:

„Nach dem Klinger haben schon mehrere feine Herren hier angefragt. Uns ist er nicht gemeldet!"

Und aus dem Nebenzimmer klang die gebieterische Stimme des Vorstehers:

„Gehen Sie sofort mit dem Herrn- Es muß einmal recherchiert werden, was mit dem Klinger
eigentlich los ist!"

Der Polizist stülpte den Helm auf den Kopf und ging mit mir.

„Was ist der Klinger!" frug-er mich.

„Maler!"

„Hat er viel Leute?"

„Ich glaube nicht!"

„Braucht er denn eine Konzession für seinen Gewerbebetrieb!

r-iudir zur Viztürrmig „Tote Mutter und Kind", von IN. Klinger.

Griginalzeichnung im Lesitzc des rvupferstichknbinctts zu Dresden.

„Nein — unkonzessionierter Maler!"

„Ist er schon lang hier ansässig?"

„Nein, erst vor kurzem aus Rom
übersiedelt I"

„Aus Rom? . . . Aber doch Leip-
ziger?"

„Ja!"

Sein finster gewordenes Gesicht
klärte sich etwas auf.

„Zahlt, er Steuern?"

„Das weiß ich nicht!"

„Hm — hm!" Der Polizist
schüttelte bedenklich den Kopf und ent-
warf den Schlachtplan. Er ging links die
Straße, ich auf seine Anordnung rechts
von Haus zu Haus: Nirgends Bescheid!

„Herauskriegen müssen wir ihn!"
sagte der Mann des Gesetzes. „Es ist
doch unangenehm, wenn man immer
nach einem Mann gefragt wird, der im
Bezirk wohnt, und kann nicht Antwort
geben — letzthin war sogar ein Ober-
Regierungsrat da!"

Wir hielten nochmals Kriegsrat,
laut genug, daß ein vorübergehender
Arbeiter uns hörte.

„Klingern suchen Sie, den Maler
Klinger? Der arbeitet da drüben in
der Eisengießerei!"

„Das kann er nicht sein", warf ich
wieder ein, „er betreibt sein Maler-
geschäft selbständig —"

Aber der Polizist triumphierte.
Wir gingen in die Fabrik: Die Trans-
missionen schnurrten, die Hämmer rassel-
ten, der Dampf fauchte seinen schweren
Atem aus, schwarze Gesellen gingen eilig
hin und her.
 
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