Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 10.1894-1895

DOI Artikel:
Personal- u. Atelier-Nachrichten - Ausstellungen und Sammlungen - Vermischte Nachrichten - Kunstliteratur u. vervielf. Kunst - Vom Kunstmarkt
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.11055#0244

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Kunstlitteratur und vervielf. Kunst. — vom Kunstmarkt.

bedingt den größten Raum der zwei Bände ein. Sicherlich nicht
mit Unrecht, denn Pietsch ist ein vortrefflicher Zeichner, der weder
allzuviel schmeichelt und noch weniger karikiert, sondern uns in
der Regel eine lebhafte Vorstellung von der Individualität des
Betreffenden giebt. Als Probe der Schärfe seiner Charakteristik
setzen wir hier die Lassalles her (Bd. I., Seite 286—287):

„Noch vor seinem Schluß bereicherte dies Jahr 18S7 den Kreis
meiner Bekanntschaften um eine besonders merkwürdige, um die eines
der geistig bedeutendsten und in jeder Hinsicht hervorragendsten jüngeren
Männer unter allen, denen ich bis dahin näher getreten war. An einem
SPätherbstnachmittage besuchte ich Frau Lina Lunker. Ich sand sie in
dem schmalen einfenstrigen Kabinett neben dem großen Mittelsaal, wo
sie gewöhnlich ihren Besuch empfing. Sie saß, aufmerksam und gefesselt
der Borlesung zuhörend, welche ihr ein junger Mann von etwa M—32
Jahren aus der Griesschen Uebersctzung des „Rasenden
Roland" hielt.

Des Vorlesers Scheitel wurde von kurzem, krausem,
dichtem, bürstenartig aufftehendem, dunkelblondem Haar
bedeckt. Unter der hohen. Prachtvoll gemeißelten, buckel-
reichen Stirn blickten ein paar große, hellgraublaue
Augen mit kaltem, faszinierendem Glanz hervor. Tie
unverkennbar auf semitischen Rassenursprung deutende
Nase war dennoch nicht übertrieben gebogen, ihr Rücken
sein geschnitten, die geblähten Nüstern schienen immer
wie von schnaufendem Atmen bewegt. Ein dünnes,
blondes Schnurrbärtchen beschattete die Oberlippe des
schön gezeichneten Mundes. Ein wie die Wangen glatt
rasiertes mächtiges Kinn schloß dies sarblosblasse Antlitz
nach unten hin ab, aus dem unverkennbar hohe Intelli-
genz und gewaltige trotzige Energie, Willens- und
Thatkrast sprachen. Der so gestaltete Kopi saß aus
langem Halse — gleich jenem, auf den Bansen von
Egmont hinweist — über den ziemlich schmalen Schultern
der schlanken Gestalt. Tie Haushcrrin stellte uns ein-
ander vor: Herr Maler P. — Or. Ferdinand Laisalle . .

Sympathisch zu machen vermag Pietsch freilich
diese Figur nicht, wie eingehend er sich auch mit
ihr beschäftigt. Was Pietsch aber neben solchen
Silhouetten über sein eigenes Leben mitteilt, das
bildet im Anfang eine liebliche Idylle und ge-
winnt unsre ganze Teilnahme, die er mit einem
Heldenmut und einer fraglosen Pflichttreue, die ihm
wahrlich wenige nachmachen würden, in jahrelanger
Bedrängnis und Not entwickelt. Dabei ist er aber
so sehr Berliner, daß er iin ganzen ersten Bande
gar nie von der Spree und ihren Anwohnern weg-
kömmt. Überhaupt ist seine Stärke die..Detail-
malerei, während er einem allgemeinen Überblick
möglichst aus dem Wege geht. Berlin ist seine
Welt, an der er mit allen Fasern seines Herzens
hängt, obwohl er dabei wiederum einen echt ber-
linischen Kosmopolitismus entwickelt und mit der
gleichen, ja noch größeren Begeisterung Turgenjeff
oder die Viardot-Garcia wie Rauch oder Menzel
schildert. Natürlich wird man bei seinen zahlreichen
Künstlerporträts oft ein wenig anderer Meinung
sein über die Bedeutung des Betreffenden, das
macht aber gar nichts — ja ich wüßte niemand, der
bei scharfer Charakterisierung doch zugleich so
harmlos liebenswürdig wäre. Dies erklärt uns zu-
gleich den merkwürdigen Lebenslauf, in welchem
wir anfangs einen blutarmen und keineswegs über-
legen talentvollen jungen Menschen mit unüber-
windlicher Tapferkeit sich Schritt für Schritt em-
porarbeiten, zuletzt die Kunst ganz mit der Schrift-
stellerei vertauschen und nach und nach einen Hoch-
angesehenen allgemein beliebten Mann werden sehen.

Dergleichen mitzumachen, wie man es in diesem
Buch thut, ist aber immer interessant. So kommt er schon als
Vierziger und Familienvater noch nach Paris, um sich unter
Gleyre in der Malerei auszubilden, und lernt wenigstens das
künstlerische Paris genau kennen. Dann gerät er, zurückgekehrt,
in nähere Verbindung mit Julian Schmidt und Fritz Reuter,
was ihn endlich aus Berlin heraus und nach Eisenach führt,
von wo er dann auch Baden besucht und die Schweiz durchstiegt,
wie denn der zweite Band in dieser Beziehung viel mehr Ab-
wechslung bietet als der erste; schildert er doch bald in seinen
Feuilletons nicht nur Kunstwerke und Künstler, sondern auch
„Lpernbälle" und macht damit besonders Glück! Weit fesselnder
als die Schilderung des künstlerischen Berlins ist indessen doch
die des Jahres 1866. Hier freut man sich an der kerngesunden
patriotischen Empfindung des Mannes, den selbst der berlinerische
oft so widerwärtige Kosmopolitismus, d. h. die gewisse Vorliebe
für alles Fremde, nicht zu schwächen vermocht hatte. Mit 1866
schließt Pietschs Buch, dem offenbar noch ein dritter 1870 ent-
haltender Teil folgen wird. iWSSs

— Köln. I. M. Heberle (H. Lempertz Söhne) versteigert
vom 11. bis 14. März die VI. Abteilung der Kunstsammlungen
des Museums Christian Hammer, enthaltend Arbeiten in Thon,
Fayencen, Porzellane, Arbeiten in Glas, Elfenbein und Email,
Gold, Silber, Bronze, Eisen rc., Textil-Arbeiten, Möbel und Arbeiten
in Holz. Der Katalog weist rund 1000 Nummern auf. l^ios
— Berlin. Auf der vor einiger Zeit bei Rudolf Lepke
stattgehabten Auktion der ersten Abteilung der Sammlung

Aus der kleinen Skadk. von Lmil Schwabe.

von Originalzeichnungen, Aquarellen und Oelstudien des Herrn
F. Otto zu Halle a. S. wurden zum Teil sehr ansprechende
Preise erzielt; wir erwähnen davon nur die folgenden: Achen-
bach, Andr. (zwei Aquarelle je 265 M.), Achenbach, Oswald
(zwei Aquarelle 280 und 465 M.), v. Bartels, Hans (Aquarell
155 M.), Böcklin, Arnold (zwei Zeichnungen 50 und 70 M.
und eine Oelstudie 65 M.), Camphausen, Wilhelm (zwei
Zeichnungen 81 und 355 M.), Chodowiecky (zwei Zeichnungen
56 und 60 M.), Defregger, Franz (Zeichnung 105 M.),
Diez, Wilhelm (zwei Federzeichnungen 110 und 135 M.),
Feuerbach, Anselm (Rotstiftzeichnung 145 M), Harburger,
Edm. (Zeichnung 66 M.), Hilde br an dt, Eduard (vier Aquarelle
195, 265, 105 und 195 M.), Keller, Ferd. (Federzeichnung
105M.), Klinger, Max (zwei Federzeichnungen 175 und 1I5M.),
v. Lenbach, Franz (drei Oelstudien 40, 62 und 59 M.). Das
Gesamtergebnis belief sich auf 16348 M.
 
Annotationen