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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 10.1894-1895

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Oettingen, Wolfgang von: Das Düsseldorfer Frühjahr
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https://doi.org/10.11588/diglit.11055#0252
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198

Daß Düsseldorfer Frühjahr.

von wolkgang

aß die kleine Düffel schon lange nicht mehr bei
einem Torfe in den Rhein mündet, wird von
keinem bestritten, der sich eines gesunden Urteils erfreut.
Wir Düsseldorfer sind also ohne Zweifel Großstädter;
wir fühlen uns auch als solche, und beneiden daher weder
die Residenzen um die Pracht ihrer Höfe, noch die kleinen
Universitätsstädte um ihre stillen Bildungsstätten. Doch
wie merkwürdig! Gerade das Element, das seit einem
Jahrhundert und länger den eigenilichen Ruhm Düssel-
dorfs in die Welt trägt, die hiesige Kunst, sie hat so
gar nichts spezifisch Großstädtisches an sich. Allerdings
ist sie auch nicht mehr kleinstädtisch. Was wäre sie aber
schließlich? Sie hat sich, zu ihrem unschätzbaren Vorteil,
die Kraft und die Frische einer glücklichen Ländlichkeit
bewahrt, oder ist, wo sie diese einbüßte, wieder im Be-
griff, sie zurückzugewinnen.

Eine „glückliche Ländlichkeit" bedeutet nun keines-
wegs etwa eine allgemeinere Neigung zu derber Bauern-
oder biederer Armeleutmalerei — sondern sie bedeutet
das Fehlen des nervösen Effekthaschens und das Vor-
handensein eines natürlichen Geschmackes und naturge-
mäßen Schaffens. Die Kunstberichte aus Städten, in
denen die Künstler sich abhasten, im Wettbewerbe um
die Aufmerksamkeit des Publikums tausend Kuriositäten
oder tausend Konkurrenten zu schlagen, machen viel

Aus Nnkon vvn Werners Skiz;enbuch.

von Gettingen.

Rühmens vom prickelnden Reize des Neuesten, vom Sen-
sationellen, und haben dann nur zu häufig hochmütige
oder mitleidige Worte für die Leistungen, die unter Ver-
zicht auf mühsame oder billige Extravaganzen die Lösung
schlicht und echt künstlerisch empfundener Probleme an-
strebdn. Bei uns dagegen treten die Modekrankheiten
nur vereinzelt auf und werden meist rechtzeitig über-
wunden; die Augenbildung der Künstler wie des Publi-
kums vollzieht sich normal in fortwährender, ruhiger
Weiterentwickelung, und Schlagworte behalten hier nie
lange ihre aufregenden Wirkungen. Sogar unsre Se-
cession, die sich vor einigen Jahren mit einem klingenden
Spiele von Schlagwörtern absonderte, hat Heuer eine An-
zahl „Junger" in die Halle der „Alten" entlassen —
wahrscheinlich, weil kein innerer prinzipieller Gegensatz
mehr die Betreffenden davon zurückhielt.

Diese teilweise Verschmelzung der Ausstellungen in
der Kunsthalle und bei Eduard Schulte verbietet einen
getrennten Bericht über das, was uns der März hier
und dort an Kunstwerken vorzeigt. Überhaupt wollen
diese Zeilen nicht sowohl die Aufgabe der Kataloge über-
nehmen, als vielmehr nur in kurzen Zügen charakterisieren,
welche Richtungen in den verschiedenen Fächern der
Malerei und der Bildhauerkunst im vergangenen Jahre
hier eingehalten wurden. Denn im Frühjahr pflegt sich
—- von der Dezember-Ausstellung des St. Lukas-Klubs
abgesehen — die üppigste Blüte unsrer Kunst vor aller
Augen zu entfalten, als das endlich gezeitigte Produkt
von Sommer, Herbst und Winter, nnd nach ihr muß
man den jeweiligen Standpunkt unsrer Künstlerschaft
beurteilen.

Wie das Landleben den Menschen gewöhnt, sein
Treiben dem Wechsel der Tages- und Jahreszeiten aufs
engste anzupassen, um in Ordnung zu leben und er-
sprießlich zu schaffen, so fahren unsre Landschafter fort,
aus einer harmonischen Unterordnung ihrer Persönlichkeit
unter die ihrem Geschmacke zusagende Natur den größten
künstlerischen Nutzen zu ziehen. Wir finden zwar leider
noch immer Bilder, die in ödester Herkömmlichkeit hin-
gepinselt sind, andre, bei denen ein Mangel an Talent
und Originalität keine klare Auffassung zu stände kommen
ließ, noch andre, die ein unnormaler, aber deswegen
nicht außerordentlicher Geschmack einseitig, etwa formlos
und lediglich auf Ton und Dunst hin, entwickelte; jedoch
weitaus die Mehrzahl der Landschaften zeugt von einer
freudigen, selbstbewußten und künstlerisch verklärten Nach-
empfindung des gewählten Motivs und von einer sicheren
Beherrschung der Darstellungsmittel. Wo diese beiden
Fähigkeiten vorhanden sind und durch ein weises Maß-
halten, wie die ehrliche Selbstzucht es zu allen Zeiten
gelehrt hat, ihre Ergänzung finden, da werden die Künstler
immer auf das zustimmende Verständnis des zurechnungs-
fähigen Publikums und, was noch wohlthuender ist, auf
die spezielle Schätzung, auf die bewundernde Anerkennung
der besonderen Eigenart eines jeden treffen. Neben einem
wunderbar fein gestimmten und durchgeführten „Fried-
hof" Georg Oeders z. B. hängt eine wuchtige, gleich-
sam struppige Landschaft „Nach dem Regen" von Olof
Jernberg: nur ein Pedant der Doktrin könnte das eine
 
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