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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 10.1894-1895

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Crane, Walter: Kunst und Volkstum, [1]
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Personal- u. Atelier-Nachrichten - Ausstellungen und Sammlungen - Preis-Ausschreiben - Vermischte Nachrichten - Kunstlitteratur u. verviel. Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.11055#0376

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Kunst und Volkstum, von Walter Trane. — Personal- und Ateliernachrichten.

Witz Lonflanrr und Hrlenr de T. von I. Baxtist Scherer.

Intern. Aunstaussi. 1(895 des Vereins bild. Rünstler (Secession) zu München.

durchaus fremdartig anmutenden Stilarten chnd
endlich, als Krone des Ganzen, schlafmützige,
tödlich langweilige Büsten von Feldherren, Ad-
miralen und Politikern, reine Idole aus ruß-
geschwärzter Bronze, versteinte Volksredner, die
ein ewiges Bedürfnis zeigen, ihre vorsint-
flutliche Weisheit immer von neuem wieder dem
doch völlig indifferenten Publikum aufzuhalfen
und die sich, dem diesbezüglichen Polizeiverbot
gerade zum Trotz, darauf kaprizierten, just auf
dem Trafalgarplatz unter dem Ehrenpräsidium
des hochverehrten Herrn Nelson eine jener öden
Volksversammlungen unter freiem Himmel ab-
zuhalten.

Anstatt seine Freude in der Schöpfung
selbst zu finden und sich mit der Allgemeinheit
dessen zu erfreuen, was doch schließlich auch
allen gehört, scheint man heute ein Kunstwerk
fast nur noch vom rein geschäftlichen Standpunkt
aus zu betrachten. — Besitzt es Seltenheit,
Kuriosität, schön, dann hat es auch seinen fabel-
haften Wert, wenn nicht, na, dann ist's eben ein
unverkäuflicher Artikel. Die Kunst ward zur
Geldsache, zum kursfähigen Börsenpapier, mit
einem Wort, man betrachtet sie unter der
Perspektive eines lohnenden Erwerbes.

Zugegeben, wir besitzen unsere Nationalmuseen —
reine Warenmagazine, vollgepfropft mit den köstlichen
Reliquien und Fragmenten jener Tage, da die Kunst noch
etwas frisches Leben Atmendes, täglich sich aus sich selber
neu Gebärendes war. Heute gleichen — wenn man von
den Paar Studierenden absieht — diese Museen nebst
all ihrem unschätzbaren Inhalt reinen Todesthälern voller
fossiler Knochen. Gewiß sind sie Eigentum des Volks,
nur hat dieses Volk in unserm nach Verdienst hasten-
den Jahrhundert keine Zeit, sie zu besuchen, sie zu be-
wundern, denn am einzigen Tage, an welchem ihm dies
möglich wäre, am Sonntag nämlich, sind sie eben ge-
schlossen. Da sind ferner auch die Kirchen, ganz recht,
aber wer geht jetzt noch zur Kirche? — wenigstens der
Kunst halber sicher niemand, und unsre modernen Gottes-
häuser sind schließlich längst nicht mehr die Sammel-
stätten gerade der besten Kunstleistungen unserer Zeit.
Einige unter ihnen besitzen überhaupt nichts dergleichen,
und was die mittelalterlichen anbetrifft, nun so scheint's
beinahe, daß wir uns die redlichste Mühe geben, ihre
einfache Schöne möglichst rasch von der Bildfläche fort
zu verbessern.

Ferner hat unter dem Einfluß des nur den Profit
berücksichtigenden Betriebssystems des Groß- und Klein-
gewerbes eine scharfe Trennung zwischen rein mechanischer
und künstlerischer Thätigkeit Platz gegriffen, und dies
führte zum fast völligen Aussterben des sogenannten
Kunsthandwerkers. Heute kennen wir nur noch Arbeiter
und Künstler.

Kunstgegenstände mögen wohl noch für das Volk
hergestellt werden (um sie ihm nämlich zu verkaufen),
aber sie werden nicht mehr durch das Volk verfertigt.
Jetzt hat jeder seine eigene Tretmühle zu treten —
darauf angewiesen, ein ganz bestimmtes, höchst einförmiges
Pensum fertigzustellen, fehlt es ihm völlig an Gelegen-
heit, künstlerischen Anregungen zu begegnen, künstlerischen
Erwägungen sich hinzugeben oder auch, wenn ihm gerade

einmal Ideen abgehen, einer unfreiwilligen Muße nach-
zuhängen. An Stelle alles dessen trat eine so sensitive
handelsindustrielle Organisation, daß sie auch auf die
geringfügigste Strömung des Weltmarktes sofort reagiert;
eine Organisation, in der jedes Gewerbe von dem andern
abhängig ist, ja in der selbst innerhalb der verschiedenen
Einzelbetriebe jeder Arbeiter seinem Mitarbeiter immer
in die Hände arbeitet. Dergestalt steht das heutige
Prinzip der Produktionsgenossenschaften mit seiner Ar-
beitsteilung im schärfsten Gegensatz zu einem kunstfreund-
licheren System, welches mit dem einzelnen Individuum
als solchem rechnet — wir wollen hier ganz dahingestellt
sein lassen, ob letzteres vielleicht nicht auch das einzig
richtige sei, welches allein die Möglichkeit bietet zu einer
harmonischen Gestaltung unsers menschlichen Daseins.

(Die Fortsetzung im nächsten Hefte.)

X

N. 8. Düren i. Rh. Zur Ausschmückung der in der Nähe
gelegenen Karlsburg hat Professor Edmund Kanoldt eine
Anzahl von Landschaften gemalt, welche sämtlich deutsche Burgen
und Schlösser schildern. Trotz der undankbaren Ausgabe, bei
der die meisten dabei stehen geblieben wären, Ansichten zu geben,
hat es Kanoldt verstanden, hochpoetische Landschaftsbilder zu
schaffen, von denen einige sogar zu dem Schönsten gehören,
lvas in dem Lebenswerk Kanoldts zu finden ist. Man hat bei
dem Betrachten dieser Bilder den stillen Wunsch, das; der Künstler
noch recht oft seinen Studienplatz in das deutsche Gebirgsland
verlegen möge, das er so versteht, wie wenige, ohne aber bis
jetzt ganz den Schatz gehoben zu haben, der dort für ihn ver-
graben liegt. I42i4s

— München. An der Akademie der bildenden Künste
sind für das Sommersemester 1895 303 Studierende inskribiert
und zwar l09 Bayern, 90 Nichtbayern und 104 Ausländer.

— Berlin. Die für den 25. Mai angesetzt gewesene
Versteigerung des Nachlasses Bokelmann hat nicht stattgefun-
den, weil ein Freund des Verstorbenen, Herr Gustav
Küpper in Düsseldorf, die ganze, aus 150 Nummern bestehende
Sammlung für 30 000 M. angekauft hat. I^o»!
 
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