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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 10.1894-1895

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Die I. Ausstellung der Deutschen Gesellschaft für christliche Kunst zu München 1895
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Rolfs, Wilhelm: Kunst und Kunsthandwerk
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https://doi.org/10.11588/diglit.11055#0471

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37H Die I. Ausstellung der Deutsche» Gesellschaft für christliche Kunst zu Miuchcu ^8>jZ. — Kunst und Kuustbaudwerk.

sänger", von Gg. Busch, Prof. Syrius Eberles
bekannten „St. Georg", einen ebensolchen von Fremiet,
einen „Crucifixns" von Ga mp, eine innig empfundene
„Immaculata" und „Madonna" von Anton Heß,
mehrere schöne Werke von Balth. Schmitt, Waderes
wunderliebliche »Kosa m^sticu« u. a. Schöne Entwürfe
zu Glasgemälden stellen die bekannten Anstalten von
Bouche, Mayer und Zettl er aus, die kunstgewerb-
lichen Arbeiten halten sich in den hergebrachten Formen.
Wundervolle, bedeutende Arbeiten sind die Architekturen
von Hauberrisser und Romeis' „Hochaltar der
St. Bennokirche in München".

Ein annähernd vollständiges Bild der christlichen
Kunst unsrer Tage giebt die Ausstellung keineswegs, für
das recht fortschrittlich lautende Programm der Ver-
einigung ist das Gesamtbild der Ausstellung viel zu
konservativ, ganz abgesehen davon, daß die Jury be-
deutend zu milde war, und fast noch ein Dutzend süß-
licher Madonnen in beängstigend blau-roten Gewändern
altdüsseldorfer Angedenkens und dergleichen die Wände
ziert. Fast alle Bilder vertreten nicht einen allgemein

christlichen Standpunkt, sondern sind speziell kirchlich-
katholisch gedacht, d i e Künstler, die den Weg zur wirk-
lichen Weiterentwicklung der religiösen Malerei in
unsrer Zeit zeigten und individuelle Kunstwerke schufen,
fehlen fast ganz. Welchen Reichtum seelischen Em-
pfindens offenbaren uns z. B. die Bilder von Uhde,
die grandiosen Schöpfungen eines Böcklin, Gebhardt,
die Arbeiten von Klinger, Albert Keller; wie
wuchtig und eindrucksvoll war die „Kreuzigung" von Stuck,
wie schön die „Hl. Cäcilie" und „Hl. Elisabeth" von
Wilhelm Bolz, die „Madonna" von Dürr!
Menzel, Piglhein, Ludw. Herterich, Hugo
König, Exter, Corinth haben religiöse Stoffe be-
handelt und unzweifelhaft Werke von großer Innerlich-
keit und größter Künstler schüft geschaffen. Es
ist Wohl kein Zufall, daß fast nichts derartiges vor-
handen ist, und cs bleibt abzuwarten, ob die Deutsche Ge-
sellschaft für christliche Kunst gemäß ihrem Programm
bei der nächsten Ausstellung in größerem Maßstab den An-
schauungen der Gegenwart Rechnung trägt. Hohes Lob ver-
dient die gediegene Jahrespublikation des Vereins. L.-v.

llunst und Aunsthandvierk.

von 1v. Rolfs.

o hört die Kunst auf, und wo beginnt das Kunst-
Handwerk?

Der moderne Ästhetiker ist mit der Antwort schnell
fertig.

Das Kunstwerk ist sich selber genug; der Gegenstand
des Kunsthandwerkes hat einen bestimmten Gebrauchs-
zweck. Die Kunst folgt den innern Gesetzen der Schön-
heit oder der Charakteristik, ganz neu der „Individuali-
tät" ; das Kunsthandwerk bekleidet einen Gebrauchsgegen-

Hirtenjunge. von Francois Pieter ter lNeulen.

^abrcsausstcllung 1s895 des Vereins bildender Aünstler (Secession) zu München.

stand mit schönen Formen, schmückt ihn und verziert sein
Gerippe, das stets für den Gebrauch bestimmt ist, mit
allerlei gefälligen Ornamenten.

Hiernach würden zur Kunst Malerei, Skulptur,
Dichtung und Musik gehören, zum Kunsthandwerk in erster
Linie Architektur und dann alles, was man mit dem
Begriffe der „Kleinkunst" zusammenfaßt. Die „reine"
Kunst würde sich in „hohe" — die „eigentliche", und in
„niedere" teilen, zu welch letzterer Gattung die Bücher-
illustration, auch Menzel, die „dekorative" Kunst, Klein-
kunst wie die Tanagrafiguren gehören — eine Grenz-
linie ist freilich schwer zu ziehen. Immerhin soll als
Charakteristikum bleiben: Der „Kunstzweck ist Selbst-
zweck"; das Kunsthandwerk schafft nur „schöne" Gegen-
stände des Gebrauches.

Und die Dome? Die Palazzi der italienischen
Renaissance? Die Festungstürme in Nürnberg?

Und die Fresken der sixtinischen Kapelle? Die
Stanzen? Das Grabmal der Mediceer?

Es ergiebt sich sehr bald, daß — wenigstens früher —
Malerei und Skulptur sich gewissermaßen in den Dienst
der Architektur stellten; also die Kunst im Dienste des
Kunsthandwerks! Freilich nennt man das heute etwas
verächtlich: dekorative Kunst. Aber würden wir nicht
froh sein, wenn wir heute nur annähernd noch eine
solche „dekorative Kunst" hätten?

Es ist eben nicht anders: die Begriffe der „Kunst"
und des „Kunsthandwerkes" sind ganz irrtümliche Er-
zeugnisse eines nach falschen Gesichtspunkten urteilenden
„Kunstverständnisses". Auch die Madonnenbilder Raffaels
dienten einem Zweck, wie ein Tafelaufsatz Jamnitzers oder
ein Glasfenster im Kölner Dom. Daß sich unsere Kunst
heute zum „Selbstzweck" losgelöst hat, ist zwar eine
Thatsache, aber eine höchst bedauerliche. Und diese Los-
lösung hat sie nicht zu einer „höheren" Kunst erhoben;
denn eine höhere wie die Altarbilder der Renaissance,
 
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