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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 11.1895-1896

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Pecht, Friedrich: Max Schmidt
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https://doi.org/10.11588/diglit.12003#0149

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l IH Max Schmidt.

Deutschland zu einer Art Glaubensartikel, daß mau seine künstlerische Bildung nur in Italien vollenden könne.
Die als Folge zwanzigjähriger Kriege und der Fremdherrschaft in Deutschland eingerissene trostlose Barbarei
und Armut thaten dann das übrige, um diesen unheilvollen Irrtum zu stützen. Das galt besonders für Berlin,
wo durch Schinkels und Rauchs Einfluß die unverständigste Schwärmerei für die antike wie altitalienische
Knust herrschend geworden war. So mußte denn jeder Kunstjünger unweigerlich nach Italien, und, falls er
Landschafter, wo möglich auch noch in den Orient, um in der lybischen Wüste die Kameele nach der Natur
zu studieren. Daß jedes große Kulturvolk sich eine seinem innersten Wesen entsprechende Kunst erzeugen und
die von Anderen übernommenen Kunstformen seinem Charakter wie seinen äußeren sozialen Verhältnissen gemäß
umbilden müsse, wenn es etwas wahrhaft Lebendiges erzeugen wolle, das begriff man im gelehrten Deutschland
sonderbarerweise Wohl für die Poesie, aber ganz und gar nicht für die doch noch viel mehr an den Boden
und nationalen Charakter geknüpften bildenden Künste. Und doch hätten die Niederländer wie die Spanier,
die sich eine ganz selbständige klassische Kunst selber erzeugt hatten, einem das längst lehren müssen!

Ein sehr lehrreiches Beispiel, wie man, dank einer kerngesunden Natur, selbst auf dem Umweg über
Jerusalem und die Pyramiden doch zuletzt noch ein echt nationaler Künstler werden kann, giebt uns der Königs-
berger Professor der Landschaftsmalerei, Max Schmidt, mit dessen Werken wir es in dem vorliegenden Hefte
zu thun haben. In Berlin 1818 als Sohn eines Arztes geboren, besuchte er erst das Gymnasium, dann aber, bei
frühhervortretender Liebe zur Kunst, die Akademie, die damals noch unter Gottfried Schadows Leitung stund.
Hierauf frequentierte er noch das Atelier des ganz französisch gebildeten Karl Begas, ging dann aber bald zur
Landschaftsmalerei über, erst unter Karl Krügers, dann Wilhelm Schirmers Leitung. Bei diesem begabten
Idealisten 'machte er bald durch seine ersten Bilder aus der Mark und Thüringen entschiedenes Glück. Dann
aber ließ ihm die in Berlin von jeher, damals aber besonders stark grassierende Vorliebe für alles Fremde
keine Ruhe, bis er in Begleitung zweier Grafen Pourtales 1843—45 eine Reise in den Orient antrat, d. h.
über Konstantinopel, Kleinasien, Syrien, Palästina, den Sinai und das steinige Arabien nach Egypten ging,
überall zeichnend und malend, ohne doch jemals recht gründlich studieren zu können. Nach zweijährigem Aufenthalt
kehrte er sodann zurück, schwer beladen mit Studien, die ihm nun zehn Jahre lang den unmittelbaren Verkehr mit
der Natur selber ersetzen mußten. Denn vom Orient sah er, außer den jonischen Inseln, nichts mehr wieder,
dafür aber 1853 Rom rc. Natürlich muß eine solche Malerei bald einen stark idealisierenden Zug bekommen,
wenn nicht konventionell und manieriert oder doch „stilisierend" werden, wie man das selbst an den berühmtesten
deutschen Italien- und Orientmalern nur zu deutlich wahrnimmt, und wobei ihnen nur der Umstand zu gute
kommt, daß sie ihre Bilder gewöhnlich im gläubigen Deutschland verkaufen. Wie der Orient auf Schmidt
wirkte, sieht man am besten an einem Smyrna darstellenden Bilde der Schackschen Galerie in München, einer
Jugendarbeit, wo er ungefähr auf einer Linie mit Millers und Rottmann steht.

Fortan in Berlin lebend, hatte er dort bald viele Schüler und Schülerinnen, ja ward um 1855 sogar
zum Professor ernannt. Dennoch konnte ihn diese notwendig immer konventioneller werdende Orientmalerei
auf die Dauer nicht befriedigen, er setzte also nach etwa zehn Jahren da wieder ein, wo er die Kunst vor
seiner Orientreise gelassen — in der Heimat — und malte märkische Flachlandschaften mit Sumpf und Wasser,
dann allerhand Waldbilder, besonders Eichenwälder. Oder Strandszenen von der Ostsee und der Dünenweltt
Mit ihrer stil- und charaktervollen Darstellung errang er bald noch viel glänzendere Erfolge, als mit der mehr
oder weniger immer zur Manier verführenden Orientmalerei, da er hier im beständigen Kontakt mit der dar-
zustellenden Natur blieb, wo man sie dann bald ganz anders kennen lernt. — Schon im Jahr 1858 erhielt
er die kleine goldene INedaille der Berliner Akademie, zehn ^zahre später die große unter gleichzeitigem Ankauf
des gekrönten Bildes für die Nationalgalerie. Dasselbe stellt einen Wald mit Berg im Hintergrund dar,
während im Vordergrund am Rande eines schwarzen Teiches ein verendender Hirsch als einzige Staffage liegtt
Bei unleugbar großer -Naturwahrheit zeigt der Künstler doch in der Behandlung des Details, wie der ganzen
Komposition ein schönes Stilgefühl, man empfindet den ganzen, unwiderstehlichen Zauber der deutschen Wald-
natur. Ein halbes Jahr später wurde er zum Mitglied der Berliner Akademie der Künste gewählt. Um
diese Zeit, 1868, erhielt der Meister auch einen Ruf an die Weimarsche Kunstschule, wo er nun vier Jahre
lang als Lehrer wirkte, und sie zuletzt nur verließ, um einem neuen Ruf an die Königsberger Kunstakademie
zu folgen, wo er seither als Lehrer der Landschaftsmalerei, neuerdings auch als Leiter der Anstalt, thätig ist.
In diesen zweiundzwanzig Jahren hat der Künstler aber in der dortigen Isolierung erst die charaktervolle
Eigenart ganz ausgebildet, die ihm seine Bedeutung in der Kunst sichert. Hatte er von jeher einen Zug
für die „klassische" Landschaft, d. h. für die „Größe, Stille und Erhabenheit der Natur", so gelang es ihm erst
jetzt, diese Eigenschaften in seinen Kompositionen mit individuellem und lokalem Reiz zu paaren. Wir finden
beides zuerst in der so charaktervollen Landschaft „Am Müggelsee" ausgeprägt, die so echt norddeutsch ernst,
weit und großartig ist und doch tief gemütvoll durch das an den Waldrand angelehnte Bauernhaus wirkt.
Sodann in der vielfach kopierten Schneelandschaft, welche wiederum nach 10 Jahren von der National-Galerie
angekauft wurde. Noch großartiger mutet die isolierte Baumgruppe mit dem Ziehbrunnen im Vordergrund und dem
 
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