Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 11.1895-1896

DOI Artikel:
Hann, Pauline: Zwei Porträtausstellungen in New York
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.12003#0155

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
von p. Hann.

mit Tauben", das jedoch in leuchtenden Farben Prangt,
der zweite mit einem Porträt Robert Fultons vertreten.

In der sehr reichhaltigen modernen Ausstellung
scheint mir, daß die Männerbildnisse das Hervorragendste
sind, wiewohl die große Menge sich voll Neugier und
Bewunderung vor dem virtuos gemalten, eine halbe
Wand füllenden Bilde der New Jorker Millionärstochter,
die soeben Herzogin von Marlborough geworden ist,
staut. Es ist eines der vier Damenbildnisse, die dieses Jahr
Carolus Duran zur Ausstellung beigesteuert hat und zeigt
eine Kreolenschönheit, die in weißen durchsichtigen Ge-
wändern, die Schleppe über den Arm geworfen, eine
Marmortreppe hinabsteigt; der landschaftliche Hinter-
grund und die Stoffe sind unübertrefflich, das Porträt selbst,
wie die meisten Werke Durans aus den letzten Jahren,
äußerlich kühl. Doch es ist sicher, daß dieses Bild weder
an der Wand der Academy noch in der Ahnengalerie
der Marlboroughs übersehen werden wird, so wenig wie
die drei andern in der Ausstellung, die den Namen
dieses Malers tragen; eines ist eine Gruppe, Frau und
Töchter: eines westlichen Senators, dann das Brustbild
der Frau Gould und endlich ein lebensgroßes Porträt
eines grundhäßlichen alten Weibes in rotem Sammt,
mit dunkelrotem Pelz, von Perlen und Diamanten
starrend, in bizarrer, förmlich byzantinischer Auffassung.
Bonnats Namen tragen drei Männerbildniffe, darunter
das des Gouverneurs von New Jork, L. P. Morton,
voll scharfer, kühner
Auffassung, männlich
und gediegen. Von
Chartran ist ein
großes Bild, Papst
Leo XIII., groß im
Format und in der
Ausführung, dann
bringt er ein glän-
zendes Wagnis in
^Farben, Madame
Calvs als Carmen,
ein entzückendes
Kinderbild und zwei
vortreffliche Knaben-
porträts. Als Kinder-
bild steht heute wie
vor etlichen Jahren,
da es den ausge-
wanderten Sargent
in seiner Heimat
wieder einbürgerte,
die kleine Beatrice
Goelet unübertroffen
da. Man muß bis
zu Velasquez zurück-
gehen, um dieser Fein-
heit in Farbe, Form
und Ausdruck wieder
zu begegnen. Gleich
hervorragend ist das
Bildnis der berühm-
ten Schauspielerin
Ada Rehan. Ein
Männerporträt be-
weist, daß dieser

Nd

moderne Frauenschilderer, dieser subtile Entzifferer der
nervösen, eleganten Dame, auch über Kraft und Energie
verfügt. Diese zwei Eigenschaften sind die Hauptkenn-
zeichen des Norwegers Anders Zorn; die Ausstellung
kann ihm besser Gerechtigkeit widerfahren lassen, als
voriges Jahr, da er ein junges Mädchen gemalt: zwei
Männerbilder tragen diesmal seine Unterschrift. Im
ersten Moment wirken die seltsamen roten Farbenreflexe
an den Händen und Augenlidern, der zum Greifen dicke
Farbenauftrag, dann die Lichtwirkung im Freien (über-
haupt ungewöhnlich an einem Porträt, das in der Regel
ein Atelierbild ist) befremdend; im zweiten packen die
Bilder den Beschauer und reißen ihn hin. Das ist
Leben, Kraft, Wahrheit! Eines der Gemälde ist ein
Greisenbildnis. Selten ist von einem Maler unserer
Zeit der Niedergang des Lebens so eindrucksvoll zum
Ausdruck gebracht; ich wüßte nur das letzte Bismarckbild
Lenbachs, das im Metropolitanmuseum hängt, damit zu
vergleichen.

Leider muß eingestanden werden, daß außer in den
zwei eben besprochenen Fortschrittlern, Sargent und
Zorn und außerdem noch in Chase, der auch diesmal
würdig vertreten ist, die moderne Richtung auf dieser
Ausstellung weder an Zahl noch an Qualität Triumphe
feiert. Alden Weir erscheint mit einem matten, schatten-
haften Doppelporträt, Whistler mit einer Porträtskizze,
Tarbell mit einem lebensgroßen Frauenbildnis. Das

ist so ziemlich alles.
Im altgewohnten Ge-
leise bewegen sich die
übrigen; doch haben
sie beim Porträt, wo
das Malerische
weniger berücksichtigt
werden muß, als das
Gedankliche, die Cha-
rakteristik, die Ähn-
lichkeit, die Mehrzahl
der Auftraggeber für
sich. Frank Holl, mit
zwei Männerbild-
nissen, Benjamin -
Coustant, Madrazo,
Müller-Ury, Harper
Pennington und B.
Curtis Porter sind
die hervorragendsten.

Die Ausstellung
historischer Bilder im
Metropolitanmuseum,
obschon zunächst zum
Patriotismus des
Amerikaners spre-
chend, ist doch durch-
aus nicht unergiebig
für den internatio-
nalen Kunstbeurteiler.
Erstaunlich ist die An-
zahl guter Porträts,
die von Künstlern ge-
malt wurden, bevor
sie eine nachweisbare
Anleitung erhielten.

Skndie aus drn Llbwäldrrn. von Max Schmidt.
 
Annotationen