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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 11.1895-1896

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Berlepsch-Valendas, Hans E. von: Walter Crane
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https://doi.org/10.11588/diglit.12003#0248

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Walker (Lrane. Nach einem Velbilde von George F. Watts.

Walter Lrane.

von L. L. von Berlepsch.


c^lin England macht sich seit etwa drei Decennien eine künstlerische Bewegung geltend, die ihres Eindringens
in alle Volksschichten halber im Gegensätze zur Kunst des Kontinents steht und für ein wahres, allge-
meines Verständnis nach dieser Seite entschieden weit stärker spricht als die Resultate all unserer Kunst-
ausstellungen zusammengenommen es thnn. In Frankreich wie auch in Deutschland existiert Kunst und Kunst-
gewerbck für die oberen Zehntausend, vielleicht sogar noch für eine weit geringere Zahl, in England dringt
beides bis in das Haus des Arbeiters. Die Ursache liegt darin, daß man jenseits des Kanals die Grenze
zwischen „hoher" und „dienender" Kunst nicht fortwährend so prononciert vorgeführt bekommt, als dies aus
dem Kontinente der Fall ist, wo sehr Viele, die künstlerisch Mittelmäßiges produzieren, mit einer nichts weniger
als berechtigten Geringschätzung auf etwas herabsehen, was ihrer Meinung nach „handwerklich" ist. Und wie
viele thäten nicht außerordentlich wohl daran, wenn sie, statt mittelmäßige Maler zu sein, gute Handwerker
wären, die in ihrem Stoffgebiete Herr und Meister sind! Die englische Kunstbewegung hat kein einziges Ge-
biet unberührt, sie hat selbst den geringfügigsten Gebrauchsgegenstand nicht außer Acht gelassen, sondern
alles, alles in die Sphäre ihres Einflusses gezogen. Sie ist Kultur-Ausdruck, nicht Znnfteigentum. Das giebt
ihr wahren Wert. Nur wo die Anforderungen des Gebrauches mit der künstlerischen Gestaltung Hand in Hand
gehen, ist die Arbeit auf diesem Gebiete gesund, lebensfähig. Wo aber ihre Produkte für den, der sie sich
kauft, etwas Exceptionelles sind, wo sie etwa das bedeuten, was ein Festtagsschmuck neben der umfangreichen
Werktagsgarderobe, da ist das Leben nicht in seinem ganzen Umfange von künstlerischem Bedürfnisse durchdrungen.

Zu den Männern, denen Britannien diesen Aufschwung dankt, zählt als einer der hervorragendsten
Walter Crane, der als Maler, als volkstümlicher, allen Kreisen und Altersstufen bekannter, man kann sagen
befreundeter Illustrator, als Hersteller köstlicher kunstgewerblicher Entwürfe, als Schriftsteller und als praktisch
thätiger, freiwilliger Lehrer ein Arbeitsfeld beherrscht, wie es Wenigen beschieden ist. Durchaus Autodidakt,
Sohn eines Künstlers, hat er im Leben und Entwickelungsgang anderer das zur Richtschnur zu machen gesucht,
was in erster Linie ihn selbst gebildet hat: die praktische, die angeweudete Kunst, die Kunst, die es in erster
Linie mit dem handwerklichen Können zu thun hat und von derart festbegründeter Basis aus sich den Problemen
des Gedankens zuwendet. Solchermaßen gebildete Kräfte haben Anderen, die fliegen wollen, ehe ihnen die
Flügel gewachsen sind, den künstlerischen Wunderkindern der Akademien und ähnlichen Erscheinungen gegenüber
immer einen Riesenvorsprung. Sie werden nicht zur Einseitigkeit erzogen, haben dieselbe, was übrigens ja

Die Kunst für Alle XI, 13. 1. April 18Y6.

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