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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 11.1895-1896

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Springer, Jaro: Die Internationale Jubiläums-Kunstausstellung in Berlin 1896, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.12003#0374

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2N9

Die Internationale Iubiläums-Kunstausstellung in Berlin 1896.

Ein Frühlingstag am Goldsischkrich in Berlin, von Rudolf Dammeier.

Internationale Berliner Jubiläums-Runstausstellung ^896.

Die Internationale Jubiläum^-Aunstau^stellung in Berlin 1896.

von Faro Springer.

II.

Einer der Lieblingssätze meines verstorbenen

Vaters war (es klingt banal): politische Geschichte ist
unwichtig und einflußlos, und ihre gefeiertsten Ereignisse
erscheinen erbärmlich klein neben der zwingenden Gewalt
kulturgeschichtlicher Entwicklung. Oft und eindringlich

hat er uns diese Idee vorgetragen und den nach 1870
erklärlichen Chauvinismus seiner Schüler wenigstens

insoweit einzudämmen versucht, daß durch ihn die histo-
rische Erkenntnis nicht beeinflußt wurde. So wurden
wir zu einer Zeit gemahnt, in der noch nicht, wie es
jetzt die jüngere historische Schule thut, etwa die Kreuz-
züge als bloß wirtschaftliche Bewegung geschildert

wurden. Ganz Unrecht hatte der alte Springer demnach
nicht. Geräuschvoll genug haben wir in dem jetzt
ablaufenden Jahr wiederum die Siege gefeiert, die wir
unter preußischer Führung vor 25 Jahren erfochten
haben. Ob wir in den 25 Jahren friedlicher Arbeit
sonst vorwärts gekommen sind, mag man mit Recht
fragen. In der bildenden Kunst, die immer den feinsten
Gradmesser für fortgeschrittene Zivilisation abgibt, haben
wir so arg viel nicht erreicht, zumal in unserer Reichs-
hauptstadt nicht. Kultureller Fortschritt läßt sich auf
dem Schlachtfeld nicht erringen und erzwingen. Und
wenn wir unsere deutsche Kunstgeschichte in den letzten
25 Jahren betrachten, möchte es scheinen, als ob die
alte Kleinstaaterei auf diesem Gebiete weiterlebte. Hier
bedeuten die kleineren Staaten zur Zeit allein etwas,
trotz Königgrätz und Sedan. Wirklich, der alte Springer
hatte so Unrecht nicht.

Mehr ließe sich diesmal zum Ruhm der andern
deutschen Kunstschulen (außer und im Gegensatz zu
Berlin) sagen, wenn die wichtigste, die Münchener,

besser und vollständiger vertreten wäre. Die Secessio-
nisten fehlen ganz, das übrige, gewiß auch noch aus-
stellungskräftige München ist längst nicht so gekommen,
weder so zahlreich noch so gut, als wir es erwartet
haben. Dazu ist das meiste von hiesigen und Münchener
Ausstellungen her schon bekannt. Allzu bekannt sicher
Trübners Gorgonenhaupt. Das Bild behält natürlich
seinen Wert auch als vielgesehenes Wanderstück, aber
für eine Berliner Ausstellung ist es gerade nicht glück-
lich gewählt. Lenbach hat zwei weibliche Porträts und
die Schlangenkönigin eingeschickt; das ist gut, daß wir
ihn, der uns zumeist nur durch die markigen Männer-
bildnisse bekannt ist, auch einmal von seinen zarteren
und feinen Seiten kennen lernen. Zwei von den
Münchnern haben mir besonders gefallen: Walter
Firle mit dem großen Bild „Genesung" und Charles
I. Palmie mit mehreren Landschaften, diesmal alle in
abendlicher Färbung. Ich wüßte über die weiteren
Münchener nicht viel und jedenfalls nichts Neues zu
sagen, ich erwähne die Kreuzabnahme von Louis
Corinth, fast zu derb aufgefaßt, dann die feingestimmten
Bilder von Raffael Schuster-Woldan, rote Felsen-
landschaften von Rabending, ferner gute Landschaften
von H- v. Berlepsch, R. v. Poschinger, Ander-
sen-Lundby, ein Ochsenbild von Franz Roubaud,
die Damenbildnisse von O. Peck und W- Schwill,
den zartfarbigen Simm, den hellgrünen, phantastischen
Judas Jscharioth von Kunz Meyer und die im Stil
des Poussin gehaltene Lz-inpbouia Pastorale von Emil
Lugo.

Merklicher als in München, selbst merklicher als in
Berlin, gibt sich in Dresden der Unterschied zwischen
alter und neuer Kunst zu erkennen. Die Dresdener
Secessionisten, die hier gesondert ausgestellt haben,

°) I. siehe in Heft 18.
 
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