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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 12.1896-1897

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Reichenberg, Clemens: Halîm in München
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https://doi.org/10.11588/diglit.12050#0021

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6alnn in München.

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also durch die Stadt nach einem Hause, wo ich die Mal-
kunst erkennen und begreifen sollte. Halt' ich doch noch
nie ein rechtes Bild gesehen, denn der Prophet ver-
bietet uns, daß wir Gottes lebendige Geschöpfe auf
unsre unheilige Art nachschaffen; und was man so von
dem Buchhändler oder auf der Gasse an Bildchen dar-
geboten erhält, war meinen Augen nie eine Lust, son-
dern nur eine harte Pein — meine Augen freuen sich
nicht an so flüchtigem Machwerk des Tages, aber an
der unvergänglichen Farbenpracht kostbarer Teppiche,
seidener Gewänder und schöngemusterter Fliesen; dazu
an den sinnreichen verschlungenen Mustern, wie man sie
auch für Juwelen, Waffen und andere feine Arbeit er-
findet.

Wir traten in das Haus und mußten zunächst
einiges Geld bezahlen. In den Sälen des Hauses,
sagte Zadoch, hätten die Maler ihre fertigen Gemälde
aufgehängt, um sie zu verkaufen: bei uns nimmt man
den Käufern, auf die man wartet, das Geld nicht im
voraus ab, sondern ersucht sie mit höflichen Worten und
anmutigen Reden, sich auszusuchen, was ihnen gefällt;
auch bedient man sie alsbald mit Scherbet oder Kaweh.
Aber freilich, sagte Zadoch, kaufen hier die wenigsten
von den Gemälden (als ob nicht auch bei uns die meisten
weggingen, ohne etwas erhandelt zu haben!), und deshalb
müssen alle für Bildung und Kunstvergnügen zahlen.
Ich dachte: sollte nicht eine der Staatsgewalten, von
denen sie hier soviel Aufhebens machen, oder sollten nicht
wohlthätige, fromme Leute durch Stiftungen ihrem Volke
das Kunstvergnügen umsonst zugänglich sein lassen?

Indessen hütete ich meine Zunge und begab mich mit
Zadoch in einen Saal, der sich vor uns aufthat.

Da schlug mir das Herz sehr froh: denn zu allererst
fiel mein Auge auf schöne Vorhänge und Divanteppiche
aus meiner Heimat. Ich glaubte: wenn die Leute hier
schätzen, was wir schätzen, so werde ich bald ihre Bildung
verstehen. Wehe mirl Bald verstand ich ihre Bildung,
aber ich begriff sie nicht. — An den Wänden des Saales
hingen einige, wenige Bilder; einzelne davon waren so
groß, daß sie eine ganze Abteilung der Wand ausfüllten.
Als ich das erste beschaute, wurde mir weh und übel.
Wenn in Stambul ein Verbrecher den Tod erleiden soll,
so erdrosselt man ihn sachte im Gefängniß oder ertränkt
ihn, in den Sack gebunden, stillschweigend bei Serai Burnü
in dem Bosporus, oder soll seine Hinrichtung anderen
zur Abschreckung dienen, so henkt man ihn auf dem Platze
an der Brücke oder am Thor des Seraskiers, wo viel
Gesindel zusammenläuft, worauf das Exempel berechnet
ist: aber man wählt dazu die früheste Stunde des Tages
und entfernt den Leichnam, ehe er die guten Bürger
beleidigt, denn wir mögen nicht einmal ein Tier leiden
sehen und meiden den Anblick dessen, das nicht wohl-
gefällig ist. Hier jedoch war eine Richtstätte gemalt und
zum Kunstvergnügen in den Saal gehängt; und wie war
sie gemalt! Drei nackte Männer hingen an Kreuzen,
groß, und fürchterlich zu schauen mit wüstem Fleisch und
Hautwülsten, wie man sie wohl in unordentlichen Metzger-
läden erblickt, wo das Fleisch zu Haufen liegt. Zwei
dieser Männer waren mit Stricken ans Holz geschnürt,
so fest, daß ihre Leiber fast davon zerschnitten wurden;

Verlesung des Donationsbrirses durch den Podestä von Fiume, von Ander Dudits.
 
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