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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 12.1896-1897

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Raphaels, Jul.: Die Photographie für Maler
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https://doi.org/10.11588/diglit.12050#0452

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Gewitlrrfiimmung. von Eduard Schleich sei,.

Die Photographie für Maler.

von llul.

bestehen merkwürdige Verhältnisse bezüglich der Be-
antwortung der Frage, ob der Maler die Photo-
graphie benützen darf oder nicht.

Der Laie wird ihm nicht nur dieses Recht zugestehen,
sondern es sogar thöricht finden, wenn er diese Arbeits-
erleichterung nicht ausnutzt. Aber derselbe Laie wird ein
Gemälde nicht so günstig beurteilen, wenn er weiß, daß
ihm eine Photographie zu Grunde liegt. Obgleich ich selber
immer die Benützung für erlaubt gehalten habe, konnte
ich mich doch bei der Betrachtung eines solchen Gemäldes
eines störenden Hintergedankens nicht erwehren: Man
schätzt die reine Handarbeit vorläufig noch höher als eine
solche, an der etwas Mechanisches geschah. Ein ganz
ähnliches Gefühl hatte ich auch beim Besehen einer
retouchierten Photographie. Beides erscheint mir als
Zwitterding. — Der Maler weiß das und trägt ihm
Rechnung.

Wenn Aussprüche von Malern über diesen Punkt
an die Öffentlichkeit kommen, lauten sie fast immer: Man
darf die Photographie nicht benützen!

So sprechen jene, welche die Gefahren der Photo-
graphiebenützung kennen gelernt haben und ihre Kollegen
davor warnen wollen. Das gleiche Urteil haben natürlich
solche, welche die Bedeutung der Photographie überhaupt
noch nicht verstanden haben, oder welche es mit ihrer
Ehrlichkeit nicht vereinen mögen. Zuweilen rührt dies
abfällige Urteil auch von solchen her, welche sich keinen
Apparat anschaffen konnten: Wie es ja überhaupt in der

Äapbaets. Nachdruck verboten.

Natur des Menschen liegt, daß er die Tugend heraus-
beißt, wenn er aus irgend einem Grunde solid leben muß.

Maler, welche die Photographie wirklich benützen,
glauben Grund genug zu haben, sich nicht darüber zu
äußern.

Zum Teil sind diese Einwände berechtigt.

Der Anfänger, der sich gleich mit einem photo-
graphischen Apparat ausrüstet, glaubt sich auf dessen Mit-
hilfe verlassen zu können und vernachlässigt deshalb das
Studium des Zeichnens. — Dann liegt noch ein anderer
moralischer Nachteil in der zu frühen Benützung der
Photographie, den ich ehemals an mir selber spürte:

Ich hatte mir in den Kopf gesetzt, Maler zu werden.
Man ließ mir Unterricht geben, und ich arbeitete tüchtig
nach der Natur. Dann bekam ich zu einer Reise eine
Camera geschenkt. Zuerst ließ ich sie unbenützt. Aber
weil es gar zu viele Motive gab, die ich mir nicht
entgehen lassen wollte, machte ich ein paar Aufnahmen.
Und dann immer mehr und mehr. Es schien mir Zeit-
vergeudung zu sein, das alles mühselig mit der Hand
auf Papier zu bringen, was mein Apparat doch viel
rascher und genauer liefern konnte. — Als ich mit der
Übermalung der Zeichnung anfing, die nach der photo-
graphischen Aufnahme hergestellt (gepaust) war, merkte
ich ein starkes Hindernis: Ich widmete derselben nicht
mehr die Aufmerksamkeit wie früher, weil der Anfang
der Arbeit nicht mehr mühselig mit der Hand gemacht
worden war. Auch für die Farbengebung wünschte ich mir

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Die Kunst für Alle XII.
 
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