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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 12.1896-1897

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Die Entwicklung der modernen Malerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.12050#0493

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395

Die Entwickelung der modernen Malerei.

nter diesem Titel hat der bekannte Kunstforscher und
Förderer moderner Kunst, Geh. Reg.-Rat Wolde-
mar von Seidlitz in Dresden, kürzlich zwei inhaltreiche
Vorträge veröffentlicht, die er im Sächsischen Kunstverein
gehalten hat.*) Der Verfasser betont zunächst, daß wir
zum Maßstab der Güte eines Bildes nicht mehr die

Antike oder die durch sie
beeinflußte Renaissance
nehmen, sondern nur die
technische Vollendung in
der Naturnachahmung und
die Tiefe und Kraft der
Anschauung, die sich in
der Behandlung des Gegen-
standes äußert. Neben der
Befolgung der einfachsten,
durch das Material beding-
ten Regeln kommt immer
die Individualität des
Künstlers, seine Schöpfer-
kraft als das Ausschlag-
gebende in Frage. Leider
geht schon hier die Spal-
tung unter den Geistern
an. Die einen sind zu-
frieden mit einem geschickt
vorgeführten, hübschen oder
interessanten Stoff, die andern verlangen immer in erster
Linie Originalität und übersehen darüber gern manche
technische Unvollkommenheit. Die Kunstgeschichte lehrt
aber, daß mit der geistlosen Kopie einer Individualität
durch eine Schule in der Kunst zu allen Perioden die
Langeweile beginnt, und diese Langeweile repräsentieren
in unserem Jahrhundert alle die auf die Neugier und
Wißbegier der Beschauer berechneten Bilder der Alt-
düsseldorfer, der Antwerper und der Piloty-Schule, deren
handwerksmäßige Rezepterzeugnisse in der sogenannten
Kunstvereinsware weiter leben. Alle diese Erzeugnisse
der Leopold Robert, Horace Vernet, Gallait,
Wappers, de Bisfve, Bouguereau, Alma Tadema,
u. s. w. sind totgeborene Kunst ohne Originalität, und die
ganze Richtung auf das Unnatürliche und Theatralische,
unter deren Zeichen wir noch stehen, wird eine künftige
Geschichte der Malerei, wie Seidlitz sagt, ebenso wie die
Verfallsperioden der früheren Jahrhunderte einfach mit
ein paar Worten abthun.

Das Wesen der modernen Kunst besteht nicht in der
Malerei im freien Licht, die in ihrer Art auch konven-
tionell ist, sondern die moderne Kunst geh), wie die alten
großen Meister es auch gethan haben, darauf aus, das
Leben und die Natur mit eigenen Augen anzuschauen
und so wiederzugeben, wie sie es geschaut hat; die bloße
Wiedergabe der Natur ist nur Vorbedingung und Durch-
gang ; was die moderne Malerei erstrebt, ist die Schaffung
geschlossener Bilder, also von Kunstwerken, die ihre Ein-
heitlichkeit nicht gewissen Kniffen und äußerlichen Rezepten, s
sondern der inneren eigenartigen Anschauung des Künstlers

*) Sammlung gemeinverständlicher wissenschaft-
licher Vorträge N, F. Heft 265 (Hamburg, Verlagsanstalt
und Druckerei, A.-G., 80 Pf.)

verdanken soll. Zeitlich läßt sich die moderne Malerei
genau umschreiben als die Kunst der letzten 25 Jahre,
von da an, als Manet das Grundgesetz des freien Lichtes
gefunden hatte. Die Vorläufer, diejenigen Künstler, mit
denen die eigentliche Kunstgeschichte des 19. Jahrhunderts
anfängt und die allein in der Zukunft fortleben werden,
lassen sich in drei Gruppen teilen: 1. die Maler, die
auf dem Komp ositions-
prinzip fußend, der Kunst
durch eine schärfere Natur-
beobachtung mehr Leben
und Farbe zuführten: De-
lacroix, die Schule von
Fontainebleau mit Millet
an der Spitze, dann Meisso-
nier und Menzel; weiter
die Schüler Coutures
Feuerbach, Henneberg und
Viktor Müller, dann Len-
bach und Gebhardt, die Engländer
Mason und Walker, die Holländer
Maris und Mauve. Bastien-Lepage
und Dagnan-Bouveret leiten diese ». 7. k-c.

Gattung dann in die neueste Malerei
über. Die zweite Gruppe bilden die Naturalisten,
die ohne Rücksicht auf gefällige bildmäßige Wirkung
vor allem auf die treue Wiedergabe der Natur sehen:
Courbet, Leibl, Trübner und Liebermann. Die dritte
Gruppe bilden die Gedankenmaler, die auf die
Erfindung ein besonderes Gewicht legen, die jedoch
nicht mit den Symbolisten, wie Blake und Scott oder
den modernen Rosenkreuzern zu vermischen sind, sondern
die Natur durchaus als Maler ins Auge faßten, dabei
der Farbe und Tönung wohl ein besonderes Gewicht bei-
legten, aber durch die scharfe Erfassung der Wirklichkeit
der modernen Freilichtmalerei am wirksamsten vorarbeiteten.
Hieher gehören die schwer kennen zu lernenden und daher
viel verkannten englischen Präraffaeliten Hunt, Millais
und Rossetti nebst den Vorläufern Watts und Madox,
Brown, auch Whistler, dann Böcklin, Marees, Thoma
und Steinhaufen, in Frankreich Gustave Moreau und
Puvis de Chavannes. Die Burne-Jones und Walter
Crane dagegen, die man jetzt gewöhnlich für die vollen
Vertreter des Präraffaelitismus hält, stellen nichts anderes
dar, als einen Aufguß auf die echten Leistungen, indem
sie die lebendigen und mannigfaltigen Bestrebungen der Be-
gründer in sche-
matischer Erstar-
rung zeigen. Alle
diese drei Rich-
tungen münden
von den siebziger
Jahren in die
moderne Malerei
aus; gemeinsam
haben deren
Vertreter den'

Abscheu vor dem
Gemachten, Un-
natürlichen und

Konventionellen. i--. l--:.
 
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