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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 13.1897-1898

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Herbert, Wilhelm: Hinterm Berge: eine Malergeschichte
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https://doi.org/10.11588/diglit.12047#0042

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Eine Malergeschichte van Wilhelm lserbert.

Brunnen-Modell. Viktor Tilgner lec.

Eifrig schrieb er weiter. Da Plötzlich horchte er wieder.

War das nicht wieder wie ein Kuß gewesen?

Gab es eine Phantasie, die „Bußeln" vorlog, wo
sie gar nicht hingehörten?

Er lauschte. Horch — noch einmal!

Ein Besinnen — ein Rückkehren von der Berghalde
in sein Poetenstübl überkam ihn.

Er machte große, große Augen und schlug sich leise
mit der Faust vor den Kops.

Dann zog er die Beine vorsichtig herauf, bis er
auf dem Stuhle stand.

Von da stieg er geräuschlos auf die Tischplatte —
mitten in die Liebesscene hinein.

Nun reckte er sich und sah über die Leinwand hinüber.

Na, das war ja recht nett, was er da „hinterm Berge"
erblickte. ^ :

Olgas Köpfchen lehnte so innig, als ob sie Loni
hieße, an der Brust des jungen Malers, der sich da
drunten so sicher und glückselig in seinem Besitze zu
fühlen schien, wie noch einmal ein Försterssohn.

„Sternbombenhagelelement!" rief Müller. „Was
war' denn das?"

Die Leutchen fuhren auseinander.

„Ach, Herr Doktor", stammelte Ries, „ich wollte
ja vorhin — "

Jetzt sah Müller seinen feierlichen Anzug.

„Aber Sie selbst haben mich hinter den Berg ge-
schickt und hier traf ich —"

„Ja", sagte Olga eifrig, „hier traf August mich

— du hast mich ja auch selbst hinter den Berg ge-
schickt —"

„Na, natürlich!" rief Müller, dem das Glück aus
den vier Augen da unten immer wärmer ins biedere
Herz schien, mit erheucheltem Zorn. „Nun bin ich wohl
noch an allem schuld! Ihr hättet allein wohl gar nie
aneinander gedacht!"

„O doch!" sagte Ries. „Immer — täglich —
stündlich! O bitte, bitte, Herr Doktor, sagen Sie nicht
nein!"

„Nein, sag' nicht nein, Papa!" flehte Olga.

„Als ob ich da überhaupt noch was zu sagen hätte!
In Gottes Namen denn —"

Mit einem Juhschrei sprang Ries mitten durch den
Berg und an Müllers Hals, der rasch vom Tisch ge-
stiegen war.

Olga kroch hinterdrein.

„Was?" zürnte der Dichter, als er sich wieder
etwas Luft gemacht hatte. „Nun habt ihr mir auch
noch meinen Gletscher zerstört!

„Ich male dir einen neuen!" lachte Ries und
eilte der Mutter entgegen, die lächelnd eintrat.

„Na", sagte Müller, „ich merke wohl! Da war
ich verloren: Du stecktest also auch schon mit hinterm
Berge?!"


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