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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 13.1897-1898

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Neue Bücher - Personal- und Atelier-Nachrichten - Vom Kunstmarkt - Denkmäler - Ausstellungen und Sammlungen
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Ausstellungen und Sammlungen.

Uv

7. s. Berlin. Ein neuer Künstlerklub hat sich unter dem
Namen „Vereinigung 1897" gebildet. Die erste Ausstellung ist
jetzt bei Schulte zu sehen. Elf, gerade wieder elf Mitglieder hat die
Vereinigung. Sie sind aber zufällig zusammengekommen, nichts,
was sie gemein hätten und nichts, was sie zusammenhält, ist zu
entdecken. Zufällig und rasch, wie sie sich gefunden haben,
können sie auch wieder auseinandergehen. Kaum wird man
dann eine Lücke fühlen. Unter den elf der Vereinigung 1897
ist ein Künstler: Karl Ziegler. Seit zwei Jahren, wenn ich
richtig zähle, findet man ihn auf den Ausstellungen. Bei seinem
ersten Auftreten aufs freudigste begrüßt, wird er jetzt kühler
betrachtet. Nicht, weil er etwa Hoffnung und sichere Erwartung
getäuscht hätte. Aber so flugs, wie es nach den ersten Bildern
schien, ist Karl Ziegler nicht zur Höhe gekommen. Ein wenig
beeinträchtigt er selbst die Wirkung, weil er in seinen Bildern,
zumal in seinen Frauenbildnissen , etwas zu gleichmäßig in
Aeußerlichkeiten ist. Er liebt ein breites Format, das für die
auf dem Empirestuhl sitzende Frau bequem Platz bietet, er ist
in der Farbe einfach, aber Hintergrund und Kleidung sind immer
vortrefflich und überlegt abgestimmt, manchmal vielleicht zu über-
legt. In seinen Frauen — das ist nun einmal sein Bestes,
und ich bleibe bei diesen zur Schilderung — lodert nicht das Leben,
aber den leisen Pulsschlag sühlt man. Selten einmal ein nach
der Schablone gearbeiteter und darum leer gebliebener Kopf.
Immer gut sind die Hände. Solche Bildnisse sind jetzt auch
auf der Ausstellung. Bei so viel jämmerlicher Damenporträt-
kunst, wie gerade Berlin sie hervorbringt, endlich einmal einer,
der ernst an die Aufgabe herantritt und sie beinahe zur besten
Lösung bringt. Neben Karl Ziegler treten die übrigen weit
zurück. Auch Ludwig Fahrenkrog galt einmal als bevor-
zugter Schüler der Berliner akademischen Hochschule. Man sollte
meinen, er wäre Schüler geblieben. Zu seiner Riesenleinwand
„Lucifers Fall" wird eine schwülstige, gedruckte Erklärung verab-
reicht, die aber das Bild nicht verständlicher macht. Auch wer
sich an den mir übrigens ganz undeutlichen Vorgang klammert,
wirdüber die Zerfahrenheit in Farbe und Zeichnung nicht
hinwegkommen. Andere Mitglieder haben Landschaften von
der hier zu Lande durchschnittlichen Art gebracht. Unter anderen
Arbeiten bemerkte ich einen Studienkopf in Grün von Franz
Staßen, der vielleicht ganz ernsthaft zu nehmen ist. Von
den drei Bildhauern der Vereinigung ist Ferdinand Lepcke
in einigen Porträtbüsten nur unvollkommen vertreten. Die
Tiergruppen kleinsten Formates von August Gaul sagen
auch nicht viel. Fritz Klimsch zeigt in manchen seiner Ar-
beiten, so in einem Bronzegrabrelief, soliden Geschmack. In
einem der vorderen Säle hat gleichzeitig Walter Leistikow
Bilder und Studien ausgestellt. Lockend und verblüffend gut
ist ein herbstlicher Wald in gelb und rot, mit einem stillen Teich,
in dem sich der Mond spiegelt, mit einem Zug wilder Schwäne,
der durch die klare kalte Luft fliegt. — Bei Gurlitt hat der
Porträtmaler Fritz Lange eine größere Anzahl seiner Bilder
ausgestellt. Sehr kann man sich ihrer nicht freuen und wenn
es gewöhnliche Marktware wäre, könnte ich höflicher und bequemer
darüber schweigen. Es steckt aber was in den Bildern, mehr als es
erst den Anschein hat. Ich möchte sagen: Fritz Lange erfaßt seine
Modelle klug, zu weiterm aber kommt er nicht, zunächst nicht zu
einer künstlerischen Wiedergabe. Das Bildnis der jungen Dame mit
leicht geöffnetem Mund macht das, wie ich meine, am besten klar.

6r. Berlin. Vor der „Vereinigung 1897" war bei Schulte
die „November-Bereinigung" eingekehrt. Auch bei diesen
„Kollektivisten" suchte man eine gemeinsame Charaktereigenschaft,
das „geistige Band", vergebens; aber man vergaß diesen Mangel
gern aus Freude an so manchem Guten, an dem ernsten Streben,
das einem überall entgegentrat. WilhelmTrübner nimmt sich
fast seltsam aus in einer Gesellschaft, die mehr oder minder aufs
Hellmalen eingeschworen ist; seinen Bildern haftet zum teil wohl
infolge der Umgebung, in der sie erscheinen, etwas Schweres an,
wie übrigens meist, wenn dieser Künstler nicht in einem besondern
Raum ausstellt. Seine Werke aber, die letztgemalten vom vorigen
Jahr wie die älteren, die sogar noch aus dem Anfang der
siebziger Jahre datieren, haben alle etwas Kraftvoll-Männliches,
sowohl infolge der Motive, die der Künstler mit offenbarer Vor-
liebe wählt, wie durch seine Farbenskala. Alle seine Bilder sind
auf denselben ziemlich schwer wirkenden, stumpfgrünen Ton ge-
stimmt, der sie auf den ersten Blick vor allen andern Bildern

als Werke Trübners kennzeichnet, der, das Mannigfaltige in d-.
abgeschilderten Natur künstlerisch zusammenfassend, ihnen de
Eindruck des Geschlossenen und Einheitlichen verleiht; und gerat
dadurch werden sie — in meinen Augen wenigstens — zu wahr.
hasten Kunstwerken erhoben. Selbst wo die Landschaft in lachend
Sonnenlicht getaucht sein soll, scheint ein Nebelschleier es a»
zustumpsen. Die Motive, die der Künstler aussucht, einst w -
jetzt, sind durchgängig einfach und groß in den Linien: Wo.
lichtung mit einem grünlich-weiß schimmernden Hause, die gro:
geschwungene Linie eines Hügels mit einer Ortschaft daran
u. dergl. Daß der Künstler trotz aller Anfeindungen, die istr
reichlich zu teil geworden sind, so gar nichts von dem ihm eigne .
Stil aufgegeben hat, macht ihm alle Ehre und beweist zügle
daß er alle Zeit die Natur so gegeben hat, wie sie sich in st r
widerspiegelt. Bon Berliner Künstlern, die wir in dieser Ar -
stellung antreffen, scheint mir Curt Herrmann eine erfreust . -
Wandlung erfahren zu haben. Selbst die ausgesprochenen Freurst
seines Schaffens gestanden sich, daß seine Werke der letzten Jaste
ein wenig zu zart waren in der Empfindung, eine M-si.
etwas zu verschwommen, daß das Bestreben,"st > ..

einander zu stimmen, zu stark dominierte. Di: e e

er in diesem Sommer gemalt hat, Bauernköpfe st nm ii.vw
Größe, sind zwar noch nicht ganz frei davon, aber sie sind un-
gleich frischer, kraftvoller und — so scheint es mir wenigstens —
unbefangener; vorzüglich der Kopf einer alten Frau, breit 1.1 d
energisch hingesetzt, mit blauen strahlenden Augen, die das Gesicht
ungewöhnlich beleben. Philipp Franck hat uns in so man n
schönen Werken märkische Landschaft geschildert, stets mit eir m
frohen blauen Himmel, mit kräftigem Grün von Wiese und
Wald, mit dem blauen Wasser von Fluß und See. Jetzt h -llt
stets ein seiner Nebelschleier die Landschaft ein, der die entferntu en
Gegenstände nur noch ahnen läßt; aus dichten Wiesen sprießen
hoch heraus mannigfaltige Blumen; eine Baumreihe verliert sich
in leicht geschwungener Linie in die Ferne. So entsteht -ine
Jdeallandschast, der Wohnsitz unirdischer Wesen, die wie die
Landschaft selbst ein Traumleben zu führen scheinen. Max Ith
hat das Aquarell, in welchem er früher so Ausgezeichnete: ge-
leistet, gänzlich verlassen, ohne in seinen Oelbildern die fst qere
Höhe zu erreichen. Eine große Landschaft „Abend n b öem
Gewitter" läßt den Beschauer im Ungewissen darüber, - :enn

das Land, das der Künstler uns schildert, zu suchen sei: r . der-
deutsches Flachland mit Fachwerkhütten, die grell beleuchte! sind
von einem vereinzelten Sonnenstrahl; aber das Meer blau: als
wären wir mitten im Süden. Die Porträtmalerei veri.eten
Joses Block und das Ehepaar Reinhold und Seltne
Lepsius. Jener entwickelt sich mehr und mehr zum Mode aler
der guten Berliner Gesellschaft mit allen Eigenschaften; st ein
solcher haben muß; diese malen geschmackvoll abgestimmte S leer,
in denen jede kräftigere Note ängstlich vermieden wird. Auch ürrin
liegt eine Gefahr, die hoffentlich, wie so manche Modekras-.lücit,
überwunden wird. Einige auswärtige Künstler waren . >1.
an dieser Ausstellung teilzunehmen: von diesen sei V ,-ren
wegen einiger fein dekorativer Bronzen, Hans St. Lerck - gen
seiner höchst geschmackvollen Keramik genannt. Von Charp- r.ster
und Raffaelli sah ich nichts, das nicht schon durch anher- Aus-
stellungen genügsam bekannt wäre. Gleichzeitig wareme;stßere
Zahl von Bildern von Rene Billotte ausgestellt, eben'.- ab-
wechslungsreich durch Motive und durch die gewählte Bele- stnng,
wie ungleich in der Qualität. Am feinsten beobachtet : l die
Landschaften bei scheidendem Tageslicht oder beim Aufgam des
Mondes, jene Stimmung der Natur, wo das Einzelne e.'yirt,
ein Sonderleben zu führen und das Auge nur noch in ->oßen
Massen die Hauptzüge aufnimmt. Der eigentümlich kost Ton,
der dann alles umfängt, die Blässe, die auch die stärksten siokal-
farben zusammenbringt mit den schwächeren Nüancen, -nes
geheimnisvolle Frösteln der Natur, das sich an jedem stöend
wiederholt, das wird von diesem Künstler wundervoll 1 licht
festgehalten. Die Freude an derlei Werken wollen wir n nicht
trüben lassen durch eine Reihe von unleugbar schlechteren stst
st-s. Hannover. Gleichzeitig mit den hiesigen Künstler:
denen im letzten Hefte berichtet wurde, erschien der ,,A;-'-'^' ler-
Verband Münchener Künstler" zur Weihnachtsaus,i-Mng.
Auch unter ihnen gewahrt man keine aufdringliche Bevorzugung
des reklamehaft Modernen: ebenso kein Erstarren in der stoßen
Nachahmung älterer Schulen und Richtungen. Kaum ein ziges
der über hundert Oelgemälde, Aquarelle, Pastelle, sowie den iata-
log reiz- und wertvoll schmückenden Zeichnungen, das nu - ge-
sunde eigenartige Naturbeobachtung in fesselnder Gestaltu. und
Stimmung böte. Man beobachtet, wie der harte hitzige rmpf
 
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