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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 13.1897-1898

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Gronau, Georg: Die Neugestaltung der National-Galerie in Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.12047#0177

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von Georg Gronau.

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schuld unserer öffentlichen Sammlung abgetragen. Was
Courbet in Frankreich, ist Leibl in Deutschland, der Vor-
kämpfer eines kerngesunden Naturalismus. Sein längst
bekanntes Bild „Dachauer Bäuerinnen in der Schenke" (Abb.
a. S. 137) kann selbst denen, die es nicht wahr haben wollen,
beweisen, daß ein großer Künstler Naturalist sein muß.
Die zwei Frauen haben sich auf der Bank niedergelassen
und sprechen zu einander hingewendet; grobe, starkknochige
Gesichter. Aeußerlich tritt nichts hinzu, was dem Blick
schmeicheln könnte; dem nur Gefälligen ist nicht die
leiseste Konzession gemacht. Aber wie einfach, wie mensch-
lich wahr und wie durchaus großartig! Und indem wir
hinzufügen, daß die Kunst Leibls nicht besser repräsentiert
werden konnte, wie durch dieses Bild, können wir zugleich
den Wunsch nicht unterdrücken, daß einmal auch ein
Werk aus jener Zeit seines Schaffens, da er emailleglatt
wie ein Holbein malte, neben den „Dachauer Bäuerinneu"
eine Stelle finden möge. Daß auch Deutschland in
neuerer Zeit treffliche Landschafter hervorgebracht hat,
zeigen uns die Bilder von W. Feldmann (Abb. a. S. 138)
und G. Schönleber. Jener giebt mit feinem Verständnis
den leis melancholischen Reiz unserer engeren märkischen
Heimat wieder, dieser in seinem „Herbststurm an der
Riviera" (Abb. s. Bilderbeilage) mit packender Kraft das
wilde Schäumen des vom Regen geschwellten Hochwassers:
zu dem schmutziggelbeu Grau des Flusses steht ein rotes
Haus in wirkungsvollstem Kontrast.

Auch die Skulptur ist nicht unberücksichtigt geblieben,
wenn schon wir hier noch sehr in den Anfängen stecken,
zumal im Vergleich mit dem Albertinum in Dresden.
Nebenbei bemerkt, wäre es sehr wünschenswert, daß auch
unsererseits nach dem Muster der genannten Sammlung
Abgüsse der bedeutendsten modernen, besonders franzö-
sischen und belgischen Bildwerke erworben würden, und
in den Sälen, in welchen dieselben ihre Aufstellung
fänden, Photographien vorzüglicher Denkmäler dem Publi-
kum zugänglich gemacht werden möchten. Unter den bis
jetzt erworbenen Skulpturen sind die Catilina-Büste von
Vin^otte, die Büste des Bildhauers Dalou von
Rodin, (Abb. a. S. 134), ein reizvolles, dekoratives
Figürchen von Vallgren und die wunderbar schlichte
Gruppe des „Verlornen Sohnes" von Meunier (Abb.
XII. I., S. 188) zu nennen. Draußen aber, im Freien,
auf dem Platz zwischen dem neuen Museum und der
National-Galerie steht auf einfachem Sockel L. Tuai llons
Amazone (Abb. a. S. 141), dies Werk, das so durchaus
modern in der Formengebuug, doch etwas von antikem
Geiste in sich birgt, und von dem man dereinst mit
Freude, in die sich wohl etwas Erstaunen mischt, er-
zählen wird, daß es von der Hand eines Berliner Kindes ist.

Seit längerer Zeit waren viele sich darüber klar
geworden, daß nur eine gänzliche Umwandlung in der
Aufstellung der Sammlung imstande wäre, dieser einen
etwas mehr harmonischen und künstlerischen Charakter zu
geben. Allzu vieles hing da herum, was längst für die
Depoträume reif war, und benahm besseren Werken die
Luft. Die große Zahl von Neuerwerbungen, die nun
mit einem Schlage gemacht wurden, beanspruchte mehrere
Räume und wurde die unmittelbare Ursache jener Neu-
aufstellung, welche nunmehr vollendet ist. Zunächst war
es notwendig, sämtliche Räume geschmackvoll zu deko-
rieren, und sowohl einen ruhigen, wie wirkungsvollen
Hintergrund für die Bilder zu schaffen; dabei mußte

National-Galerie, Berlin. Bildnis.

von H. Fantin-Latour.

berücksichtigt werden, daß nur durch eine leichte Ab-
wechslung der gewählten Farben das Auge vor der
Müdigkeit, die es so leicht beim Besuche einer Samm-
lung befällt, bewahrt werden konnte. So wurden die
kleinen, fächerförmig sich anordnenden Kabinette des Erd-
geschosses abwechselnd mit warm-rotem und grau-grünem
Tuch bespannt, das durch breite Streifen leicht belebt ist.
Im ersten Stock herrscht größerer Wechsel in den Zimmern,
die bis jetzt dekoriert sind. Der Raum, welcher vorzüglich
die modernen französischen Bilder aufnimmt, ist mit einem
Stoff bekleidet, der sich aus leicht gelblichen und oliv-
farbenen Streifen zusammensetzt. Ein kleines Kabinett,
für die ältere Berliner Malerschule bestimmt, ist mit
einem warm-gelben, in sich gemusterten Stoff bezogen;
für einen weiteren Raum wurde ein feines Grün mit
leichtem Empiremuster gewählt u. s. w.

In diesen neuhergerichteten Räumen sind nun die
Bilder, soweit thunlich, in systematischer Weise an-
geordnet, d. h. soweit die Meister in Schulzusammenhang
stehen, hängen auch ihre Werke beieinander. Auf diese
Weise haben wir nun Säle der Berliner, der Düssel-
dorfer, der Münchener Künstler, die Oesterreicher hängen
zusammen, die ausländischen Werke haben ihre besonderen
Räume. Die Schlachtenbilder, sowie die Porträts der
Generäle, welche bis dahin die besten Säle des Erd-
geschosses einnahmen, sind in das erste Stockwerk gebracht
und bilden da eine abgeschlossene historische Abteilung.
Sehr vieles durchaus Veraltete ist ausgeschieden worden.

Ich muß es mir leider versagen, in der Form eines
Rundganges die Vorzüge der Neuaufstellung im einzelnen
zu erörtern; um aber wenigstens einen Begriff davon zu
geben, will ich in einigen Räumen einen Augenblick ver-
weilen. Wer den Böcklin-Saal betritt, dem leuchten
zunächst die „Gefilde der Seligen" entgegen; zur Rechten
 
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