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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 13.1897-1898

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Ruhemann, Alfred: Das Relief "Die menschlichen Leidenschaften" von Jes Lambeaur
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Gronau, Georg: Ford Madox Browns Bild "Cromwell auf seinem Landsitz"
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https://doi.org/10.11588/diglit.12047#0310

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244 Das Relief „Die menlcklichen Leidcnlchaften" von Ief Lambcaur.

unseres Lebens in kecken und schwungvollen Linien vor
uns auf. Seine große Kunst bestand darin, sich das
Auge ohne Ermüdung satt trinken zu lassen an der Wucht
des Gesamtbildes, um unmittelbar darauf auch die Har-
monie jeder einzelnen Gruppe zu erkennen. Losgelöst
vom Ganzen, dessen integrierender Teil sie zu sein scheint,
würde sie noch immer ein Bild, ein Meisterwerk für sich
bilden, so die Mutterliebe, die Verführung, die Ver-
gewaltigung, so das Bild des Gekreuzigten. Während
wir aber vor der Wucht Michelangelos, dem man so gern
Jef Lambeaux an die Seite stellt, nur das Uebermensch-
liche dieses Meisters empfinden, macht uns das rein
Menschliche, rein Künstlerische an Lambeaux diesem sofort
vertraut. Aus seinen „Menschlichen Leidenschaften" spricht
kein Dogma und keine Philosophie. Hier hat ausschließ-
lich das warmblütige Leben, die Freude des Künstlers
an der erhabensten Schöpfung Gottes, dem Menschen,
sein Auge und seine Hand geführt.

Alfred Ruhcmann (Brüssel).

Ford Madox Vrowns Mid

„Lrmnwell auf seinem Landsitz".

an nennt den Namen Ford Madox Browns ge-
wöhnlich, wenn von den englischen Präraphaelitcn
die Rede ist. Mit Unrecht: denn er hat niemals der
»drotllsr boock - angehört; mit Recht: denn in der großen
Bewegung, welche eine Revolution bedeutet gegen die
herrschenden Kunstrichtungen — zufällig fallen ihre Anfänge
in das große Revolutionsjahr 1848 — darf sein Name
nicht vergessen werden. Hat er doch nach England die
Kunde gebracht von jenen Deutschen, die in Rom lebten
und sich begeisterten an den Meistern des fünfzehnten
Jahrhunderts, und die er in Rom kennen gelernt hatte,
und ist er doch der Lehrer gewesen von Dante Gabriel
Rossetti, dessen Kunst uns als die Quintessenz der mo-
dernen englischen Malerei erscheint. Und dann, sein ganzes
Schaffen verkündet laut, was jene jugendlichen Heiß-
sporne glühend erstrebten: Wahrheit. Auf dem enger
begrenzten Gebiet historischer Darstellung ist er der
Wahrheit allezeit nachgegangen. Er sucht die alten
Stoffe, die ihm die Bibel, Shakespeare oder die Geschichte
seines Vaterlandes darboten, zu durchdringen mit tiefer
Intuition, sie zu erfüllen mit neuem, eigenem Leben; er
studiert treulich die Reste der Vergangenheit, ohne sich
in Detailforschung zu verlieren. Nicht Schemen, mit
antiken Lappen drapiert, stellte er vor uns hin, sondern
Charaktere, von denen wir glauben, so könnten jene
Helden wohl ausgesehen haben. Der Ernst seiner Be-
strebungen zwingt den Widerspruch nieder.

Cromwells Leben mußte diesen ernsten Künstler mit
Notwendigkeit anziehen. Er hat zwei größere Bilder
gemalt, die ihn zum Helden haben: 1874 „Cromwell
auf seinem Landsitz", drei Jahre später das machtvolle
Werk „Cromwell als Schützer der Waldenser", wo der
Protektor dem Dichter des verlorenen Paradieses den
Brief an den französischen König zum Schutz der unter-
drückten Glaubensgenossen entwirft. Mehrere andere
Bilder, die Cromwells Leben behandelten, hat er geplant,
doch nicht ausgeführt.*)

*) Wir entnehmen diese Details der Monographie von
Ford Madox Huefer über F. M. Br., London 1896.

Mit der Jugend des großen Mannes beschäftigt sich
das erste Werk. Wir befinden uns auf dem Lande, in
Huntingdonshire; keine schöne Landschaft, aber der Nähr-
boden für prächtige Herden, die den Hintergrund füllen. Weit
schweift das Auge in die Ferne, bis hin zu dem Turm
der Nachbarstadt. Cromwell kommt heimgeritten. Während
des Ritts hat er in der Bibel gelesen, die er halb ge-
öffnet in der linken Hand hält; den Zeigefinger hat er
ins halboffene Buch geschoben. Die Tracht ist einfach:
dunkelbraunes Kleid, stumpfgrüner Mantel; der Schlapp-
hut sitzt tief im Nacken. In Gedanken versunken ist
er angelangt, wo seine Arbeiter an den Hecken Unkraut
ausjäten; das Feuer, das sie damit entzündet, fesselt
seinen Blick. Er hat Halt gemacht, die Zügel sinken
lassen und gestattet dem Pferd am Rain, gemeinsam mit
dem Lämmchen, zu grasen. So hält er an der Hecke
seines Hofes, starrt in die Flamme und achtet nicht auf
die Tierstimmen rings um ihn, noch auf das Rufen der
Magd, die ihm meldet, die Gattin mit den Kindern er-
warte den Herrn auf der Terrasse seines stattlichen Hauses.

Warum ist es eine historische Darstellung und kein
Genrebild, das Ford Madox Brown hier gemalt? Dicht
nebeneinander laufen die Grenzen; und doch würde man
immer die elftere Bezeichnung wählen. Trotz alles Bei-
werks beherrscht ein Charakter die Komposition; wir
wohnen bei dem Ringen tiefer Gedanken in der Brust
eines Mannes, dem geistige Bedeutung auf die Stirne
geschrieben ist. Ein zufälliger Umstand hat sein Inneres
aufgeregt; wir sehen es, trotzdem es sich äußerlich nicht
kund thut. In der Flamme vor ihm sieht Cromwell noch
ungewiß, halb vom Rauch verhüllt, eine Zukunft, die
auch erfüllt sein wird von Flammen und Rauch; noch
zögert er, aber die Zeit des Zauderns wird bald vorüber
sein. Mit der Kraft der Wahrheit, die ihm innewohnt,
hat Ford Madox Brown das schwierige Problem, uns
Heldentum ohne heroische Aktion begreiflich zu machen,
hier aufs glücklichste gelöst. 6. Or.

Nesefrüchte.

Dcr Künstler bat zur Natur ein zwiefaches Verhältnis:
er ist ihr Herr und ihr Sklave zugleich. Er ist ihr Sklave, in-
sofern er mit irdischen Mitteln wirken muß, um verstanden zu
werden; ihr Herr aber, insofern er diese irdischen Mittel seinen
höheren Intentionen unterwirft und ihnen dienstbar macht.

Goetbc.

Wenn ich bedenke, wie höchst verschiedene Arbeiten ich ge
sehen, deren jede doch einen vollkommenen Eindruck macht, so
finde ich mich in der Ansicht ganz bestärkt, daß jeder thun soll,
wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Das ist aber heutzutage
sehr schwer, denn bis man weiß, daß man einen Schnabel hat,
ist ec von vielem Anstößen schon ganz verbogen.

wenn man die Kunst als etwas, das immer wird und
nie ist, betrachtet, so kann man gegen jedes Produkt gerecht
sein, ohne dadurch eingeschränkt zu werden.

Schiller in einem Briefe an Körner.

Jeder wahre Künstler arbeitet nur für sich und seine
gleichgesinnten Freunde; wer sich dem herrschenden Geschmack
nnterordnct, gleicht einem Weibe, das von aller Welt zu
haben ist Beinhalt» Begas.
 
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