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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 13.1897-1898

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Katsch, Hermann: Vom Theatermaler
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https://doi.org/10.11588/diglit.12047#0474

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Von Hermann Aatsch.

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einer „verleim-
ten", d. h. stark
geleimten,
dunklen Farbe
nachgezogen, so
daß die Zeich-
nung bis zuletzt
nicht verloren
gehen kann und
dann wird, ge-
nau der kleinen
Farbenskizze
entsprechend,
die große Lein-
wand fertig ge-
malt. So lang-
stielig alle In-
strumente sind,
deren der
Theatermaler
sich bedient, so
kurzweilig sieht
sein Arbeiten
aus; es ist
erstaunlich, in wie kurzer Zeit eine große Fläche,
„ein Flaatschen" gemalt und fix und fertig gestellt
wird. Daher mag es auch rühren, daß so viele die
Theatermalerei als eine untergeordnete Thätigkeit be-
trachten, die der Schmiererei sehr nahe steht. Aber wer
einigermaßen mit Farben umgehen lernte, wird stets
Respekt haben vor der mit großer Routine, enormem
Fleiß und staunenswertem Geschmack ausgeübten Thätig-
keit eines in diesem Fach wirklich tüchtigen Meisters.
Wenn man erwägt, welche Behandlung die fertig gemalte
Leinwand, nachdem sie zusammengelegt die Werkstatt des
Malers verließ, von den verschiedenen Handwerkern ge-
wärtigen muß, welche die Fertigstellung der Coulissen be-
wirken, z. B. das Aufnageln und -kleben freistehender
Architekturteile auf Brettchen und das Aussägen danach,
wer daran denkt, wie oft die Sachen gerollt, geschoben,
geschleift, vom Speicher auf die Bühne und zurück und
dabei nicht gerade von den zartesten Fäusten befördert
werden und doch Jahre und abermals Jahre frisch und
gut bleiben sollen, der kann sich denken, daß die Sachen
sehr sorgfältig angefertigt sein müssen. Hauptbedingungen
dafür sind: eine erprobte zuverlässige Grundierung, eine
gute, nicht zu stark geleimte Farbe und eine Technik
und Sicherheit, die jede Korrektur, jedes doppelte Malen,
jede leicht abblätternde oder platzende Verdickung des
Gemalten verhindert.

Aber mit dem Malen allein ist es nicht gethan,
wir sahen eingangs, wie die Absicht, Baumwipfel Plastisch
erscheinen zu lassen, den Künstler dahin brachte, sich der
Gaze zu bedienen, um die sauber ausgeschnittenen, ge-
malten Baumpartien frei und luftig in den Raum hinein
ragen zu lassen. Die Gaze, die in verschiedenen Maschen-
weiten geliefert wird, spielt auch noch bei anderen Dingen
eine Rolle, so werden Fensterscheiben dadurch ersetzt, in-
dem, ohne daß man das Netz sieht, durch das Zusammen-
wirken der Fäden eine Trübung, eine Lasur des dahinter-
liegenden Sichtbaren und mittelbar der Eindruck davor
befindlichen Glases bewirkt wird- Doppelt in einen
Fensterrahmen gehängte Gaze muß Spinnweben, zer-

rissene, zerbrochene Scheiben darstellen. Gelegentlich der
Besprechung der Rolle, die Gaze im Leben des Deko-
rationsmalers spielt, führte uns der Meister in einen
dritten Raum, in welchem — Wolken genäht wurden!
Und wie geschah das? Eine Schicht Gaze war auf dem
Boden aufgespannt, die Wolkenpartien ausgezeichnet und
nun wurden die Schattierungen durch immer neue darüber
aufgeuähte, vorher genau konturierte Gazestücke herge-
stellt, bis der tiefste Schatten eine vielfache Lage von
Gaze darstellte. Derartig angefertigte Wolken können
doppelt verwendet werden: bei auffallendem Licht wirken
die dichten Stellen hell, da von den vielen hier ange-
häuften Fäden mehr Licht zurückgeworfen wird, als von
den dünnen Teilen, bei durchfallendem, also von hinten
auffallendem Licht dagegen sind die dichten Stellen die
undurchlässigen und daher die dunklen, und umgekehrt.
Wir können bei der Gelegenheit gleich noch der von den
Malern erfundenen Vorrichtungen gedenken, vermöge
deren es möglich ist, eine grau und dunkel vor uns be-
findliche Dekoration für den Effekt seitlich aufgehender
Sonne oder sonstiger Beleuchtung einzurichten. Es
werden zu diesem Behufe die successive von der Sonne
zu beleuchtenden Teile aus der Dekoration ausgeschnitten
und mit Shirting hinterlegt, dann wird das Ganze in
dem grauen Ton, der der Beleuchtung vorangehen soll,
gemalt. Der sehr viel transparentere Shirting läßt
nun eine hinter der Malerei auftauchende Lichtquelle sehr
gut passieren, während die dickere, rohe Leinwand den
Lichtstrahlen Widerstand leistet. So entsteht für einen
aufmerksamen Beobachter der rätselhafte Vorgang, daß
an Stellen, an welchen vorher nicht das geringste zu
bemerken war, durchfallendes Licht sichtbar wird, welches
den Eindruck seitlich auf Vorsprünge auffallender Be-
leuchtung bewirkt. Niemals mit bisher Geleistetem zu-
frieden, muß der Theatermaler jede neue Erscheinung
auf seinem Gebiete prüfen, stets über die Möglichkeit
neuer Effekte Nachdenken. Und nun bedenke man, in
welchen Fächern derselbe sattelfest sein muß: Ob es sich
um Landschaften handelt, um Jnnenräume oder Archi-
tekturen - von
den unbekann-
ten Formen
sagenhafter
Zeiten an durch
alle Epochen
der Geschichte,
durch alle
Länder des
Erdballs —
nichts giebt es,
was nicht ge-
legentlich ver-
langt, auf der
Bühne dar-
gestellt werden
muß, was nicht
der arme
Theatermaler
beschaffen
muß! Und
immer soll die
Arbeit echt im
Stil wirken,



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