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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 13.1897-1898

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Katsch, Hermann: Wie ein Deckenbild gemalt wird?
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https://doi.org/10.11588/diglit.12047#0111
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Me ein Deckenbild gemalt wird?

Nun ist es doch begreiflich, daß bei derartigen Dar-
stellungen also mit unterhalb der Figur gedachtem Stand-
punkt des Beschauers wohl nur eine begrenzte Zahl von
Stellungen des menschlichen Körpers verständlich bleiben
und ferner unter den verständlich bleibenden wiederum
eine kleinere Zahl angenehm wirken wird. Da ist es
denn sehr erklärlich, wenn oft der Versuch gar nicht ge-
wagt wird, die Zahl der darstellbaren verkürzten Figuren
zu vermehren. Dieser Scheu verdanken wir es, wenn
wir so oft in Prunksälen öffentlichen oder privaten Cha-
rakters guten Bekannten an der Decke begegnen, die aus


Kirchen und Palästen stammen, wo Tiepolo gemalt hat
Wer sich einmal von Naya in Venedig die Photographien
nach des genannten Künstlers Werken schicken läßt, wird
meine Behauptung bestätigt finden und die Reiter auf
geflügeltem Roß, die Musen, bekränzten Zecher und Krieger,
die Tubenbläser in ihrer Originalform bewundern, denen
er so oft im Leben begegnet ist und die bei dem großen
Meister aus der Idee und den Anforderungen des be-
treffenden Bildes entstanden, von den Epigonen in will-
kürlichen Zusammenstellungen zu einem zwecklosen Umher-
irren an der Decke von festlichen Räumen verwendet
werden. Legt man dagegen einem dekorativen Bilde,
welches zu einem bestimmten Zweck gemalt wird, eine
bestimmte Idee unter, die diesem Zweck entsprechen soll,
dann ist es wohl ausgeschlossen, Kopieen bekannter Dar-
stellungen dazu zu verwenden. Das Prinzip des großen
Meisters kopiere man, nicht die einzelne Figur. Kehren

wir also zurück zu dem Moment, wo die Idee des Ganzen
skizziert werden soll; ich glaube immer am anschaulichsten
zu bleiben, wenn ich mich an einen bestimmten Fall halte.
Bei der vorliegenden Arbeit schlug ich dem Baumeister
des Theaters, Bernhard Sehring, vor, darzustellen den
„Zug der Kunst aus Berlin nach Charlottenburg", welches
letztere das neue Theater auf seinem Grund sich erheben
sah und in nicht ferner Zeit den Neubau der Hochschule
für die bildenden Künste ebenfalls aufzunehmen bestimmt
ist. Das Einfache und Naheliegende des Themas fand
den Beifall des Erbauers, zumal dabei der Hauptfor-
derung des Architekten besonders Rechnung getragen werden
konnte, durch Anbringen hoher architektonischer Teile,
Säulen re. die Täuschung über die wirkliche Höhe des
Theaters herbeizuführen. Der Zuschauerraum ist 18^/s m
hoch, wird aber stets für sehr viel höher gehalten
wegen der vielen anstrebenden Linien und des kleinen
Maßstabes der Figuren. Hier, d. h. in diesem Stadium
der Arbeit, muß ich der Anwendung der Perspektive bei
Deckenmalereien und des Maßstabes, der für die Figuren
zu wählen ist, kurz Erwähnung thun; denn ehe ein Strich
der Komposition skizziert wird, müssen diese Dinge bestimmt
sein. Für die Hauptmasse der Figuren wünschte der
Architekt aus Rücksicht auf die Höhenwirkung eine Größe
von 1,20 in als größtes überhaupt vorkommendes Maß
Lebensgröße (1,75 in), weil unterhalb der geraden,
hängenden Decke plastischer Figurenschmuck begann, mit
nur wenig über Lebensgröße hinausgehenden Maßen. Bei
einer Höhe von ca. 18 in und einer größten Darstellung
von 1,75 inergiebt sich für Figuren von 1,20 in Größe ein
Abstand von ungefähr 25 in, d. h. ich mußte für die
Hauptmasse der Figuren eine Situation schaffen, welche die-
selben noch um mehr als 7 in vom Beschauer sortzurücken
schien, als der Anfang des Bildes bedeutete. Dadurch
ergab sich mit Notwendigkeit die Umfassung der Basis
des Bildes mit Architektur. Architektur ist ohne Per-
spektive nicht darstellbar, die letztere unterscheidet sich aber
bei der Anwendung in der Deckenmalerei sehr wesentlich
von der bei Wand- oder Staffeleibildern üblichen. Hier
werden alle senkrecht aussteigenden Linien senkrecht zur
Grundfläche und miteinander geometrisch parallel gezogen,
beim Deckenbild vereinigen sich alle senkrecht aufsteigen-
den Linien in einem Verschwindungspunkte, hier in dem
linken Auge des vor der Sonnenscheibe befindlichen Phöbus
Apollo; bei Wandbildern aber vereinigen sich alle nach
der Tiefe gehenden Linien je nach ihrer Zusammengehörig-
keit in Verschwindungspunktcn, und das ist bei Decken-
bildern deshalb nicht möglich, weil die nach der Tiefe
sich zu entfernen scheinende Linie von der andern Seite
des Bildes aus betrachtet nicht nach der Tiefe sondern
dem Bildrand parallel zu laufen scheinen muß. Infolge
dessen dürfen sich wiederholende Teile der Tiefe nach
nicht eng und enger zusammenrücken, sondern dieselben
sind in immer gleichen Abständen zu zeichnen. Es bleibt,
um diese durch die eigenartige Aufgabe bedingte Unwahr-
scheinlichkeit nicht zu störend auftreten zu lassen, nur
übrig, derartige Dinge nicht zu viel anzubringen, sonst
giebt es keinen Ausweg. Natürlich hat eine reiche Ver-
wendung architektonischer Motive bei einem Deckenbilde
den scheinbaren Nachteil, daß nur ein begrenzter Raum
das Bild richtig erscheinen läßt, und daß von vielen
Punkten aus Säulen und Pfeiler umzufallen scheinen,
aber von dem richtigen Standpunkte aus gewährt die
 
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