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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 14.1898-1899

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Gronau, Georg: Edward Burne-Jones
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https://doi.org/10.11588/diglit.12049#0017

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von Georg Gronau.

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Linien zu benutzen: hier bietet der „Spiegel der Venus"
das glücklichste Beispiel. Aber allezeit wird nur mit
ruhigem Maße Gebrauch gemacht von dem Gestus der
Lmnd. Betrachtet doch der Engländer mit einem Ge-
misch von Antipathie und Verständnislosigkeit das leb-
hafte Gestikulieren, wie es besonders den romanischen
Völkern eigentümlich ist. Selbst bei Scenen stärksten
Affektes wird dieses vorzüglichste künstlerische Ausdrucks-
mittel nur, soweit es unablässig notwendig ist, verwendet;
lehrreich ist hier das „Fest des Peleus", eine der lebhaftest
bewegten Kompositionen, die der Künstler je gemalt.
Hier möge man zum Vergleiche daran denken, wie ein
echter Romane, Botticelli z. B., Scenen heftigen Affektes
mit einem Sturm der Leidenschaft erfüllt hat (etwa sein
„Sturz der Rotte Korah" in der Sixtinischen Kapelle).
Zumeist genügt Burne-Jones ein leises Erheben des
einen Armes; oder auch eine Figur lehnt die Hand an
die Wange, erhebt sie staunend (ganz selten) bis zur
Augenhöhe. Auch die Bewegungen des Körpers sind
stets sehr gemessen. Fast niemals ist eine Figur anders
als in einem Augenblick vollkommener Ruhe, oder —
besonders häufig — im langsamen, prozessionsgleichen
Schritt dargestellt. Das feierliche Schreiten der Müdchen-
schar („die goldene Treppe") kehrt immer wieder im
Werk des Meisters. Auch der Tanz der jungen Mädchen
auf dem Bild „die Mühle" entzückt lins durch die Ab-
gemessenheit aller Bewegungen: es ist, als könnten die
Geschöpfe des Burne-Jones keine unschöne Stellung, auch
nur einen Augenblick, einnchmen. Und wie alle ihre
Bewegungen stets gemessen bleiben, so ist auch der Ge-
sichtsausdruck stets ebenmäßig; Freude und Kummer
bringen scheinbar ckeine Veränderung hervor. Diese
Eigenschaft aber, seine Gefühle tief im Innersten zu ver
schließen, ist echt englisch, ist das Ideal, nach welchem
britische Erziehungskunst strebt. Die Typen endlich, die
immer wiederkehren, sind durchaus und allein englisch.
Wo sonst fände man diese Frauengestalten mit dem
länglichen Oval des Gesichts, dem herrlichen Haar, den
seltsam kalten Augen, deren Ausdruck man nie ergründet?
Wie hätte ein andrer, denn ein englischer Meister, dies
Mannesideal ohne Bart („Liebe unter Ruinen", der
Christus des „Vie3 clomlrü" und des „Baumes des
Lebens", der Adam ebendort u. s. f.) bevorzugt, von
dem er nicht häufig abweicht? Kurzum, die Gesamt-
erscheinung seiner Figuren, wie ihre Besonderheiten be-
weisen, daß trotz aller Einflüsse südlicher Kunst der Kern
des Wesens ihres Schöpfers in der englischen Heimat
wurzelt. Und in diesem stark nationalen Zuge der Kunst
des Burne-Jones liegt es auch begründet, weshalb sie
dem Deutschen, mag er ihr noch so lebhaft Bewunderung
zollen, niemals tief zu Herzen spricht, so wie etwa die
Weife Böcklins, die ihrerseits wieder fast niemals in dem
Ausländer jenes Gefühl tiefer Verehrung erweckt, wie
in dem Deutschen. —

Wir haben hier nur die eine Seite der Kunst
des Burne-Jones betrachtet, sein Zusammenwirken mit
Monis nur gelegentlich berührt. Aus dieser gemein-
 
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