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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 14.1898-1899

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Vincenti, Carl Ferdinand von: Wiener Jahresausstellungen, [2]: Künstlerhaus, Secession
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https://doi.org/10.11588/diglit.12049#0336

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Wiener Iahresausstellungen

von Karl von vincenti.

2S,

dinand Dorsch mit einem sentimentalen Dreibilde
„Das deutsche Lied", dann den Pariser Baertson
(„Die Sackgasse"); im grauen Saale finden wir als
höchste Note Klimt, dann Jettel, Bacher, von
Engelhart einen monumentalen Kamin und Gold-
bronzen Charpentiers. Andri arbeitet frisch, flott
und kräftig im Freilicht mit bereits fertiger Technik.
Man kauft ihn. Galizisches ist wohl das beste von ihm.
Auch Lenz hat seine „Welt" bereits an den Käufer ge-
bracht: Ein junger Mann in Alltagstracht, mit der
Zigarre (!) in der Hand, schreitet träumend gesenkten
Hauptes über eine Frühlingswiese; schöne schleierumflorte
visionäre Mädchen nahen ihm mit goldenen Blütenbüscheln.
Die Farben geben einen guten Accord. Man wird Lenz
als Koloristen im Auge behalten. Von Baertson, einem
meines Wissens hier Neuen, ist Einfachheit zu lernen.
Zettels duftige Landschaften gehen jetzt reißend ab; Bacher
giebt mit seiner römischen Petruslegende ein großes und
schlichtempfundenes Bild. Man begreift, daß der fliehende
Petrus von diesem sein Kreuz zu neuem Märtyrertum
nach Rom tragenden Christus zur beschämten Rückkehr
gezwungen wird.

Klimt hat diesmal die Gemüter aufgewühlt. Seine
nackte, hektisch-hagere, stilisierte Frauengestalt „Wahrheit"
ist auf starken Widerspruch gestoßen, während sein
„Schubert am Klavier" mit dem singenden, reizenden


-Gedanken. -

Alles, was man Geschmack, Aunsturtcil, öffent-
liche Meinung nennt, ist wandelbar. Und man
wolle doch ja darauf verzichten, diesen unsicher«
Zustand gewaltsam in einen angeblich besseren
zurückzubekehren. Mit Strafbestimmungen und
Verurteilungen, gleichviel ob sie aus dem bürger-
lichen Gesetzbuch oder aus der Aeslhetik genommen
sind, giebt man dem in schönster Blüte stehenden
Kampfe nur einen Zusatz von Gift und Galle,
während sich die Dinge, wenn man alles ruhig
lausen läßt, schließlich von selber machen.


Mädchen (für Dumbas neues Musikzimmer) mit Recht
entzückt. Es ist nicht bald ein so anheimelnd wienerisch
durchwärmtes Bild gemalt worden; der
Effekt des Kerzenlichtes, aus dessen Flacker-
schein die lieblichen Gesichter heraustauchen,
ist überraschend. Der Engelhartsche Kamin,
welcher den Teil einer Saalwand bildet, ist
eine Kompagniearbeit, wobei auch Klimt mit-
wirkte. Holz, Kupfer, Eisen, Gold und Farbe
wirken schön zusammen. Sehr mannigfach
ist endlich das Kunstgewerbe-Zimmer aus-
gestattet. Pariser Plastik und Wiener Kunst-
gewerbe wirken zusammen; an den Wänden
Bilder, Radierungen, Zeichnungen, Litho-
graphien von Myrbach, Stöhr, Andri,
Orlik. Im Dekorativen zeichnet sich Kolo
Moser aus; die Möbel sind nach Hoff-
mannscheu Entwürfen. Es ist ein ganz
reizender Raum, wo man sich drängt. Wir
hätten einen solchen auch im Künstlerhause
gewünscht, wo man sich damit begnügt hat,
in einem Pavillon die von der Münchener
Ausstellung her bekannten Berlepschschen
Möbel und Dekorationsstücke zu vereinigen.
 
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