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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 14.1898-1899

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Voll, Karl: Die III. internationale Kunstausstellung in Venedig
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https://doi.org/10.11588/diglit.12049#0356

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277

Die III. internationale Kunstausstellung in Venedig.

Von l)r. Rcrrl Voll.


7k*>ie erst vor wenigen Jahren eingeführten Venetianer
Kunstausstellungen haben sich sowohl für Italien
wie für das Ausland von solcher Bedeutung erwiesen,
daß die heurige, die bereits die dritte ist, allgemein mit
lebhafter Spannung erwartet wurde. Es galt diesmal
zu zeigen, ob diese Ausstellungen lebensfähig seien oder
nicht. Wenn nun die Beteiligung des Publikums und die
Qualität der ausgestellten Werke allein hierüber zu ent-
scheiden haben, dann wird Venedig noch eine lange Reihe
dieser „Internationalen" erleben. Die dritte Venetianer
Ausstellung ist weniger als andere es zu sein Pflegen,
ein Kind des Zufalls. Die Jury, die selbst international
gewesen ist und Männer wie Meunier, Lavery und Fritz
Thaulow zu ihren Mitgliedern gezählt hat, nahm ihre
Aufgabe nicht leicht und obwohl gerade für die italienische
Abteilung — Programmgemäß — den kleineren Künstlern
einige Erleichterung gewährt war, verdient das Ensemble
doch den lauten Beifall, der ihm, allerdings mit roma-
nischem Pomp der Rede, sogleich zu teil geworden ist.
Die ausgezeichnete Wirkung wird natürlich durch die
wundervolle Lage am Meer, in den hübschen Ziarclini
pubblici, vor allem aber durch das herrliche Licht noch
besonders gesteigert.

Die Italiener betrachten diese Ausstellungen von
dem Standpunkt aus, der ihnen für alle öffentlichen
Kundgebungen des Staates gilt: Italiens Ehre und
Ruhm soll aufs neue gehoben werden. Wie weit das
in solchen Fällen gerade am Platz ist, kann
hier nicht untersucht werden; aber diesem
warmen Patriotismus dankt die Ausstellung
ihren Hauptschmuck, den schönen Favretto-
saal. Im Jahre 1895 und 1897 hatten
die Italiener gesehen, daß sie als Maler
nicht auf der gleichen Höhe standen wie
Deutschland und Frankreich. Da besannen sie
sich auf einen Maler, der zlvar schon zwölf
Jahre tot ist, aber Italiens Kunst des neun-
zehnten Jahrhunderts zur dauernden Zierde
gereicht: Giacomo Favretto (1849-1887)
und veranstalteten eine große, historische
mostra seiner Werke, von denen sie von
überall her, sogar aus dem Privatbesitz des
Königs, nahezu vierzig zusammenbrachtcu.

Die Kollektion ist mit vielem Geschmack zu-
sammeugestellt und ehrt die Ausstellungsleitung
nicht weniger als das Andenken des viel zu
früh verstorbenen großen Künstlers. Obwohl
dankenswerterweise hauptsächlich die pracht-
vollen Bilder aus der letzten reifsten Zeit
Favrettos ausgestellt sind, so hat man auch
aus den vorhergehenden Jahren einige aus-
genommen, um so einen Einblick in seine
Entwickelung zu geben. Wie so oft bewährt
sich auch hier die alte Erfahrung, daß die
Jugendperiode schon des Ruhmes würdig war,
der erst den fertigen Künstler beglückt hat,
daß aber zwischen ihr und dem reifen Stile
eine Epoche mühevollen Fleißes liegt, wo
das Suchen nach einer dem Charakter des

Meisters entsprechenden Technik einen kalten Hauch über
seine Arbeiten legte. Favrettos unsterbliches Verdienst
wird es bleiben, das heitere elegante Venedig der Rokoko-
zeit noch einmal zu neuem Leben erweckt zu haben. Wo
andere nur leere Kostümbilder gegeben haben, von öder
Zeichnung und grellem Kolorit hat er in warmen Farben
ein lebenswahres Bild von seiner Vaterstadt entworfen
aus jener glücklichen Zeit, die dem traurigen Ende so
unbesorgt vorausgegangen war. Scharfe Naturbeobachtung,
gelehrte Kenntnis der Sitten und poesievolles Mitfühlen
für die genußfähige Stimmung des vorigen Jahrhunderts
haben sich niit einem reichen malerischen Talente ver-
bunden, um jene köstlichen Gemälde zu schaffen, die heute
den Stolz der Sammler und Galerien bilden. Man
kennt Favretto nur halb, wenn man nicht auch seine
vorzüglichen Porträts gesehen hat. Tie Kollektion ent-
hält unter anderem das ergreifende Bildnis seines be-
jahrten Vaters. Seine Kunst hat heute keinen Platz mehr
in Italien. Das historische Genre und das Trachtcnbild
werden zwar noch gepflegt, aber Landschaften im Sinne
Segantinis, große sentimentale Liebesgeschichten, prunk-
volle Toilettenstücke und mystische Allegorien voll un-
verständlichen und unnötigen Tiefsinncs sind an der
Tagesordnung. Hieher gehört auch die große mostru
des Weimaraner Professors Sartorio, der mit einem
Kolossalgemülde „Diana von Ephesus" einen lauten, aber
kaum dauernden Erfolg erzielt hat. Sogar die beiden
 
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