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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 15.1899/​1900

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Von Ausstellungen und Sammlungen - Personal- u. Atelier-Nachrichten – Kunstlitteratur
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https://doi.org/10.11588/diglit.12046#0224

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■sr*ö> VON AUSSTELLUNGEN UND SAMMLUNGEN <Ösi=^

£- FRANKFURT a. M. Einen höchst erfreulichen
Erfolg hat die Frankfurter Künstlergesellschaft mit
einer Gesamt-Ausstellung gehabt, die im Lokal des
Kunstvereins veranstaltet worden ist. Seit langer
Zeit hat man die Genossenschaft nicht in einem
derartigen geschlossenen Auftreten vor sich gesehen,
und es hat Leute genug gegeben, die nicht ahnten,
wieviel und wieviel Gutes hier geleistet wird. Der Er-
folg liegt allerdings mehr in dem Reiz, den Einzelnes
bietet, als in einem irgendwie einheitlichen Gesamt-
bilde, das, wie die Dinge liegen, von vornherein nicht
zu erzielen war. Wir haben — glücklicherweise, darf
man wohl sagen - in Frankfurt keine Secession, aber
wohl eine Reihe von künstlerischen Kräften, die ander-
wärts unbedingt ins Haus der Secession gehörten.
Diese fallen auch hier als besondere Gruppe ins
Auge. Von Thoma ist ja, als von " einem Frank-
furter, jetzt nicht mehr zu reden, obwohl eine schöne
Schwarzwaldlandschaft von ihm ausgestellt ist; aber
es sind noch andere originelle Charaktere da. Vor
allem haben wir uns gefreut, wieder einmal dem
Namen Karl von Pidoll's zu begegnen, eines
Künstlers, der sich selbst wohl eine zu grosse
Zurückhaltung auferlegt, wenn er in der Absicht,
nur vollkommene Leistungen sehen zu lassen, so
selten in das Licht der Oeffentlichkeit tritt. Ein
hier von ihm ausgestelltes, weibliches Porträt, in
einer von ihm selbst ausgebildeten Tempera-Technik
gemalt, ist ein Meisterwerk in seiner Art, ein wahr-
haftiger, total fertiger und nachhaltiger Eindruck,
wie von einem alten Meister, und doch frei von
aller Altertümelei, etwas ganz Persönliches. Be-
wundert wird mit Recht, wie das ruhige Profil der
Figur auf den flimmernden Hintergrund einer vene-
zianischen Vedute aufgesetzt ist, von dem es sich
doch räumlich wie gegenständlich vollkommen trennt.
Auch eine oberitalienische Landschaft von demselben
Künstler, die über dem Porträt Platz gefunden hat,
ist ein gehaltvolles Werk. Pidoll ist in den künst-
lerischen Grundanschauungen von Hans von Marees
aufgewachsen, die er auch theoretisch in muster-
gültiger Weise dargelegt hat, und es ist nicht der
schlechteste Beweis für den inneren Wahrheitsgehalt
dieser Lehren, dass sie durch Pidoll's Einfluss
auch unter unseren jüngsten talentvollen Künstler-
generationen unverkennbar Schule gemacht haben.
Böhle, der ein prachtvolles -pflügendes Gespann
ausgestellt hat, Altheim, der mit einer -heim-
ziehenden Hammelherde-- eine eben so gesunde wie
intime Naturwirkung zu erzielen vermocht hat, dann
auch die Porträtmalerin Frl. Röderstein, die eben-
falls in der Ausstellung gut vertreten ist, haben,
ein jedes wieder in einer anderen Ausstrahlung,
etwas vom Erbe des geistreichen römischen Ana-
choreten in sich aufgenommen. Ferner hat Trübner
eine Anzahl seiner neuesten Arbeiten, einen im
Grünen gemalten Akt und farbenfrische Odenwald-
studien eingesandt, Steinhausen zwei Bildnisse
und eine stimmungsvolle Landschaft. Aus dem
Cronberger Kreise haben wir leider Burger, das
betagte Haupt dieser Gemeinschaft vermisst, doch
ist in Kinsley und Wucherer seine Schule glück-
lich vertreten, und Burger selbst dürfen wir wenigstens
in einem zwar nicht ähnlichen, aber hübsch gemalten
Bildnis von Brütt begrüssen. Das alte Frankfurt
vertritt Hasselhorst, der noch immer in jugend-
licher Rüstigkeit thätige Schüler Jakob Beckers, der
sich, wie immer, so auch hier, in den humoristischen
Schilderungen eines Schweinemarktes im Schwälmer
Grund und einer Sachsenhäuser Aepfelweinschenke
als ein Meister der Zeichnung bewährt. Mit den
Altfrankfurter Ueberlieferungen hängt, wie dieser
Künstler, auch Ernst Morgenstern zusammen,

der Sohn und Schüler von Carl Morgenstern, der
sich übrigens, von der Nachfolge seines Vaters,
so weit sie seiner Entwicklung hinderlich werden
konnte, zusehends emanzipiert und an freier und
frischer Eigenart entschieden gewonnen hat. Seine
drei holländischen Landschaften hier, Motive aus
Enkhuyzen, sind lebenswarme und gediegene Werke.
Unter den Jüngeren hat Gudden eine koloristisch
wirkungsvolle Flusslandschaft aufzuweisen; Berenv's
Porträts wollten uns nicht so ganz behagen, sie sind
wie immer sehr geschickt gemalt, aber man hat
das Gefühl, dass der Künstler noch nicht ganz mit
sich fertig sei. Unmöglich, auch nur annähernd,
alle Namen hier zu nennen. Doch seien noch unter
den wenig zahlreichen Bildhauerarbeiten eine Porträt-
büste des Generals von der Tann von KrOger und
eine Büste des Naturforschers Häckel von Herold
hervorgehoben. Von dem zu früh verstorbenen
Bäumler ist eine kleine weibliche Figur von
hübscher dekorativer Wirkung den Werken der
Lebenden angereiht. — Dankbar war es sodann auch
zu begrüssen, dass die Leiter des Goldschmidt'sehen
Kunstsalons eine Ausstellung von Werken des
Müncheners Lugo darboten, der ja auch zu jenen
eigenartigen Talenten gehört, deren Stunde jetzt
einmal geschlagen hat, nachdem man sie lange
nicht verstanden hatte. Ob nun das Verständnis
in diesem Falle in Frankfurt besonders gross ge-
wesen ist? Wir wagen kaum, es zu glauben, aber
wenn auch Zweifel daran bestehen bleiben, so ist
es doch gut, wenn unser Publikum wenigstens ab
und zu gezeigt bekommt, dass es neben dem land-
läufigen Kunstgenuss noch andere Dinge giebt, die
auch Kunst sind und die man auch geniessen kann,
wenn man nur vorurteilsfrei genug ist. — Aus der
Ausstellung bei Schneider heben wir als besonders
anziehend Trübner's neueste Schöpfung „Birken
am Ufer eines Baches", ein Odenwälder Motiv,
hervor und ferner zwei Kollektionen, die des in
London lebenden vortrefflichen Porträt- und Still-
lebenmalers Otto Scholderer und die des in
München ansässigen C. Th. meyer-Basel. Wir
haben von dem zuletzt genannten Künstler besonders
lange nichts mehr auf dem Frankfurter Kunstmarkt
zu sehen bekommen, um so mehr erfreuten uns
diesmal seine von einem frischen Hauche echter
und gesunder Naturempfindung durchwehten land-
schaftlichen Studien und Bilder. Glücklich wirkte im
Ton das Mittelstück der Gruppe, ein grösseres Oelbild
„An der Lahn" in diskreter, abendlicher Beleuch-
tung, noch freier und ursprünglicher sodann eine
Reihe Pastellstudien, ebenfalls aus dem Hessischen,
zum Teil aber auch von der Reichenau und aus
dem bayerischen Alpenvorlande. Die meisten dieser
Sachen zeigen eine ausgezeichnete Raumdisposition;
in der Farbe streifen einzelne von ihnen, namentlich
die in Herbststimmung gehaltenen, noch an Weng-
leins Empfindungsweise hin, dessen Schule der
Künstler von Hause aus angehört, mehr noch aber
prägt sich in der Energie des Vortrags, wie in dem
starken Gemütsanteil, der in der Auffassung mit-
spricht, ein künstlerisches Naturell aus, das ähnlich
charaktervolle Züge aufweist, wie sie auch zwei
unter sich allerdings verschieden geartete Landsleute
unseres Künstlers, Stäbli und Sandreuter auszeichnen.

AA. DÜSSELDORF. Die Ausstellung des Künst-
lervereins Lucas wurde, wie üblich in der zweiten
Hälfte des Dezember bei Schulte eröffnet. Bot die
Ausstellung des nur aus wenigen Mitgliedern be-
stehenden Vereins auch nicht gerade besonders viel
Ueberraschendes, so lieferte sie doch den Beweis für
ein ernsthaftes und solides Streben. Als neue Mit-
glieder stellten in dieser Gruppe zum erstenmal aus:

Die Kunst für Alle XV.

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