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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 15.1899/​1900

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Plehn, Anna L.: Der moderne Kolorismus und seine Ankläger
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Woermann, Karl: Als Antwort
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https://doi.org/10.11588/diglit.12046#0263

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DER MODERNE KOLORISMUS UND SEINE ANKLÄGER <3ä=^

wird. Ihr in erster Linie schulden wir Auf-
merksamkeit und Hingebung, denn wenn die
Werke der Vorfahren uns die Vergangenheit
deuten, so werden die der Mitlebenden uns
Offenbarungen der Zukunft bringen.

A. L. Plehn

9

ALS ANTWORT

Mit dem Aufsatz von A. L. Plehn stimme
ich im wesentlichen durchaus überein.
Er geht nur, soweit er sich mit mir beschäftigt,
von völlig irrtümlichen Voraussetzungen aus.
Er legt mir eine Unkenntnis und eine Ein-
seitigkeit unter, von denen ich mich völlig
frei weiss; und er mutet mir Ansichten und
Absichten zu, die mir von jeher fern ge-
legen haben. Dass mein Preis der Farben-
freudigkeit Cranachs im Eingang meines Auf-
satzes über die Cranach-Ausstellung in der
Weise missverstanden werden könnte, wie
A. L. Plehn es thut, dahin ausgelegt werden
könnte, als stände ich der Lichtmalerei unserer
Zeit verständnislos oder gar feindselig gegen-
über, hätte ich nicht gedacht, weil ich annahm,
es sei in Künstler- und Kennerkreisen bekannt,
dass ich mich längst, wenn auch nicht einseitig,
so doch entschieden durchs Wort und durch
die That auf die Seite der modernen Kunst-
entwicklung, auch in Bezug auf ihre Licht-
und Farbenauffassung, gestellt habe. Mein
Eintreten für die moderne Richtung in der
Malerei hat mir manche Gegnerschaft von der
Seite der Anhänger des Alten zugezogen. Ich
habe diese Gegnerschaft willig ertragen. Dass
ich aber jetzt mit einem Male als Gegner der
Moderne verschrieen werde, kommt mir völlig
unerwartet.

Thatsächlich setzen die Eingangsworte zu
meinem Cranach-Aufsatz in der Zeitschrift
für bildende Kunst den Standpunkt der An-
erkennung der modernen Licht- und Farben-
behandlung voraus. Sie heben es, gerade von
diesem Standpunkt aus, als etwas Auffallendes
hervor, dass die Augen sich, wenn sie die
ungebrochene Frische der Farben Cranachs in
sich gesogen, erst wieder an die gebrochenen
Töne unserer Zeit, in den anderen Sälen
gewöhnen mussten. Die Künstler, auf die ich

mich berufen konnte, gehörten ebenfalls der
neueren, nicht der älteren Richtung an. Auf
Meister der älteren Richtung hätte ich mich
gar nicht berufen. Man lasse meinen Worten
aber auch ihren Zusammenhang. Ich habe
die notwendigen Einschränkungen jenem
Künstler-Ausspruch gegenüber doch selbst
gemacht; und mir ist durchaus nicht ein-
gefallen, zu verlangen, die ganze deutsche
Malerei sollte nun plötzlich ihre mühsam er-
rungene Naturanschauung aufgeben und mit
Sang und Klang ins Lager Lukas Cranachs
zurückkehren. Keiner, der mein Streben auch
nur annähernd verfolgt hat, wird mich solcher
Thorheit für fähig halten. Ich habe auch
thatsächlich nur gesagt, man werde „nichts
dagegen haben", wenn wenigstens „der eine
oder der andere Künstler" durch die Cranach-
Ausstellung zur Farbe zurückkehrte.

Für alleinseligmachend habe ich allerdings
niemals eine Richtung gehalten. Dass die
Rezepte, die die Betrachtung der Farbe durch
das Medium der Luft und des Lichtes lehren,
ein für allemal einen Abschluss der Entwick-
lung bedeuten, glaube ich auch heute noch
nicht. So oder so müssen die Naturfarben sich
bei ihrer Uebersetzung in Oel- oder Tempera-
farben stets eine Stilisierung gefallen lassen.
Individuelle Auffassungen werden daher ge-
legentlich auch wieder andere Richtungen ein-
schlagen. Individuelle Aufgaben können sogar
andere „Rezepte" bedingen. Die Bewegung, die
besonders bei monumentalen und dekorativen
Aufgaben für eine kräftigere und schlichtere
Betonung der Lokalfarben wieder eintritt, ist
gegenwärtig jünger und moderner, als die
Bewegung, die in allen Fällen die Farben
durchs Licht und durch die Luft gebrochen
zu sehen verlangt. Von dem dekorativen
Gesamteindruck der Cranach - Säle im Ver-
gleich zu dem der anderen Säle der Aus-
stellung ist an jener Stelle doch offenbar
auch nur die Rede. Die modernen Meister,
deren Farbe A. L. Plehn mir gegenüber her-
vorheben zu müssen glaubt, gehören zu den
Meistern, die auch ich bewundere. Man konnte
aber doch nicht verlangen, dass ich in jenem
kurzen Eingangssatze, der die Farbenpracht
der Cranach-Säle verdienterweise hervorhob,
meine ganze Weisheit in Bezug auf die Ent-
wicklung der künstlerischen Farbenanschau-
ung auskramte. Von dem, was ich in früheren
Schriften und Aufsätzen zu Gunsten der
modernen Licht- und Farbenanschauung ge-
sagt habe, habe ich durch jene einleitenden
Worte zu meinem Aufsatze über die Cranach-
Ausstellung kein Jota zurückgenommen.

Dresden, Januar 1900. K. Wöhrmann

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