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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 15.1899/​1900

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Henrici, E.: Das Laienurteil
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https://doi.org/10.11588/diglit.12046#0538

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DAS LAIENURTEIL

Von E. Henrici

(Nachdruck verboten)

Beim Durchblättern verschiedener Jahrgänge steht mit dem des Künstlers. Der einzige
der „Kunst für Alle" stiess ich auch wieder Unterschied zwischen Laien- und Künstler-
auf den in H. 5 d. XII. Jahrg. veröffentlichten urteil, ich stimme auch hierin mit dem Autor
Aufsatz über das vielbestrittene Thema „Das überein, muss darin bestehen, dass das Künstler-
Laienurteil". Der Autor stellt darin die These auge in Bezug auf Technik geschulter ist, sein
auf: Das Laienurteil ist ein ebenso berechtig- Nachempfindungsvermögen durchdringender
ter Masstab des Kunstwerkes als das Künstler- und elastischer ist, und er deshalb rascher
urteil, sodann die Behauptung, in den Reihen und zutreffender Vorzüge und Mängel erkennt
der Künstler würde das Laienurteil für nicht und zu bezeichnen fähig ist als der Laie,
kompetent erachtet, weshalb die Künstler im während dieser vermöge seiner Unbefangen-
wesentlichen nur noch für Berufsgenossen heit in Bezug auf die angewandten Mittel eher
ihre Kunst ausübten, eine Thatsache, die sich im stände ist, Stimmungen und Empfindungen
das Laienpublikum anscheinend ruhig ge- auf sich einwirken zu lassen. In diesem Falle
fallen lasse. wird ein Künstler gern sein Werk auch der

Gewiss hat der Autor in der Theorie, im Beurteilung des Laien unterwerfen, denn er
Prinzip vollkommen recht, wenn er das Laien- achtet in demselben den verständnisvollen,
urteil an Kompetenz dem Künstlerurteil gleich von gleichem Streben erfüllten, auf gleicher
erachtet, jedoch nur dann kann dem Laien die Höhe stehenden Menschen. Auch wird es
Urteilsberechtigung zuerkannt werden, wenn ihm fern liegen, ein derartiges Urteil mit dem
sein ästhetisches Gefühl auf gleicher Höhe Ausdruck „Laienurteil" zu bezeichnen. Nicht

der allein ist berechtigt, ein voll-
kräftiges Kunsturteil zu fällen,
der ausübender Künstler, womög-
lich spezieller Fachgenosse ist,
sondern jeder, der befähigt ist,
das Wollen des Künstlers zu er-
fassen, verständnisvoll zu verar-
beiten, und vermöge seines gesund
entwickelten ästhetischen Gefühls
das Werk seinem Werte und Un-
werte nach abzuschätzen. Gewiss
ist die Kunst nicht allein für den
kleinen Kreis der Berufskünstler,
sondern für alle, die mit Verständ-
nis der Entwicklung des geistigen
Lebens folgen; sie ist auch ledig-
lich nur ein Ausdruck des augen-
blicklichen Stadiums des geistigen
Lebens. Ein Kunstwerk ist aber
auch zugleich der Ausdruck des
intimsten Innenlebens des Künst-
lers. Es ist begreiflich, dass es
ihm schwer wird, sein Werk einem
verständnislosen Laienpublikum
preiszugeben, das zwischen ein
paar pikanten Bemerkungen über
die neueste Skandalgeschichte und
einer Verabredung für den Abend
sein ebenso kühnes als unreifes,
ja kaum bedachtes Urteil fällt.
Sehen wir uns das Publikum an,
das die Ausstellungssäle belebt.

arch. stand, hartrick im märchenlande wie seIten beobachtet man einen

Ausstellung 1900 der Münchener Secession ernsten, schweigenden Beschauer,

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