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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 15.1899/​1900

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Pecht, Friedrich: Die Jahres-Ausstellung im Münchener Glaspalast
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https://doi.org/10.11588/diglit.12046#0550

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IM MÜNCHENER GLASPALAST -<^^~

zwei dekorations-entwürfe adolf MÜNZER pinx.

Woldan (Abb. a. S. 533) ist fast der einzige— Freiheit des Urteils wieder errungen haben,

dafür die Zahl der eine wohlthuende, gesunde die für jede neue und selbständige Entwick-

Tüchtigkeit offenbarenden Werke, besonders lung unerlässlich bleibt.

in der Landschaft eine überraschend grosse Das ist aber auch gerade, was die Lenbach-
ist. Beispielsweise kann man gewiss keine sehen Bildnisse zu einer in ihrer Eigenart
solche hochpoetische Auffassung mit so vol- so einzigen Erscheinung macht. Die allmäh-
lendeter Meisterschaft der Ausführung vereint liehe Erringung dieser Selbständigkeit bei
sehen, die zugleich den nationalen Charakter unserer Malerei ist es, die am wohlthuend-
so merkwürdig wiederspiegelte, als dies in sten wirkt auf unserer Ausstellung, und wo
Philipp Röth's Bild „Aus dem Dachauer sich unstreitig München wieder am meisten
Moos" geschieht, das unbedingt klassisch ge- auszeichnet, obwohl ihm Karlsruhe, Düssel-
nannt werden muss, obschon es bei seiner dorf und andere auch darin weit näher ge-
entzückenden Anspruchslosigkeit kaum zu den kommen sind als jemals früher.
„Schlagern" gerechnet werden kann. — Das Nur die ziemlich reich vertretene Berliner
ist „deutsche Kunst", sagt man aber unwill- Schule zeigt noch ein gewisses unruhiges Be-
kürlich! Ebenso auch bei einem kleineren dürfnis, durch Wahl pikant gesuchter Stoffe
Kabinettstück von Franz Simm, das uns eine u. dgl. aufzufallen, was sie eigentlich gar nicht
vornehme Dame aus der Zopfzeit vorführt, die nötig hätte. Im ganzen hat sich aber, wie
sich durch einen alten Herrn aus einem Roman gesagt, eine gewisse feste Ruhe bei den Deut-
vorlesen lässt, während der Friseur ihren sehen herausgebildet, die man bei anderen
hochaufgebauschten Lockenkopf pudert. Dabei Nationen nicht findet; im Gegenteil diese
ist nun der Vorleser gerade zu einer besonders (speziell die am reichsten vertretenen Italiener)
rührenden Stelle gekommen, bei der unsere überraschen uns oft durch eine elegante Leich-
Schöne ein so tiefes Mitgefühl zeigt, als das tigkeit, die unserem Nationalcharakter immer
Pudern es nur immer erlaubt. Hier ist fremd bleiben wird.

alles mit einer zierlichen Lebendigkeit wieder- Sehr Schönes haben auch die Engländer,
gegeben, die doch weit über die Glätte der wenigstens in der Landschaft gebracht,
alten Niederländer hinausgeht, deren Figuren Im ganzen war aber die Beteiligung des
fast immer posieren, während diese jedenfalls Auslandes an dieser Ausstellung doch nur
aber ganz neu und selbständig erscheint. Ist gering. Das Hauptergebnis derselben bleibt
die unbedingte kritiklose Bewunderung der für uns die offenbar immer bestimmter auf-
alten klassischen Kunst eines der grössten tretende Herausbildung eines nationalen Stiles
Hindernisse für die Entwicklung der neuen, in der Malerei, der aber mit dem früher herr-
so zeigen diese beiden eben beschriebenen sehenden, wie ihn das sechzehnte Jahrhundert
Bilder, dass sich ihre Künstler die ganze zeigt, doch in seiner festen Art ohne Mager-

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